Flucht und Migration EU verkündet Durchbruch bei Asylreform

20. Dezember 2023, 22:44 Uhr

Die EU hat sich auf eine große Reform ihres Umgangs mit Flüchtlingen und Migranten geeinigt. Viele von ihnen sollen künftig an EU-Außengrenzen festgesetzt werden, andere solidarischer in der EU verteilt werden.

Die EU-Mitgliedsländer und das EU-Parlament haben sich über eine seit langem umstrittene Asylreform geeinigt. Das teilte die EU-Kommission mit. Vorgesehen sind demnach Verschärfungen der bisherigen Regeln, einheitliche Asylverfahren an EU-Außengrenzen und eine Internierung von Menschen aus Ländern, die als sicher gelten. Bis über ihre Asylanträge entschieden ist, sollen sie unter haftähnlichen Bedingungen untergebracht werden können.

Zudem soll die Verteilung der Menschen unter den EU-Staaten neu geregelt werden. Ein sogenannter Solidaritätsmechanismus soll sie gerechter verteilen, um Hauptankunftsländer wie Italien oder Griechenland zu entlasten. Auf Deutschland kämen theoretisch rund 6.600 Menschen zu, allerdings können Aufnahmen aus den Vorjahren abgezogen werden. Nicht aufnahmewillige Staaten wie Ungarn können sich zudem mit 20.000 Euro pro Migrant freikaufen oder Projekte in Drittländern finanzieren.

Die Einigung wurde von den Unterhändlern des EU-Parlaments, des Europäischen Rats der 27 Mitgliedsstaaten und der EU-Kommission erzielt. Rat und Parlament müssen der Einigung noch formal zustimmen.

Dies soll für Menschen gelten, deren Aussichten auf Asyl in der EU als eher gering eingeschätzt werden. Gegen diese sogenannten Grenzverfahren hatten unter anderem die Grünen und die Linke in Deutschland protestiert.

Baerbock: Einstieg in europäische Verteilung

Doch Deutschlands Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) stimmte zu und stellte sich an die Seite von Innenministerin Nancy Faeser (SPD). Baerbock bezeichnete die Einigung als "dringend notwendig und längst überfällig".

Sie räumte aber ein, sich mit der Forderung nach Ausnahmen für Kinder und Familien von den Grenzverfahren nicht durchgesetzt zu haben: "Jede Einigung in Brüssel ist auch immer ein Kompromiss", erklärte Baerbock. In der EU, wo es Freizügigkeit gebe, brauche es verlässliche Regeln für Migration und Asyl.

Zugleich lobte Baerbock aber, dass "erstmals" die EU-Mitgliedstaaten zu Solidarität verpflichtet werden: "Damit steigen wir endlich in eine europäische Verteilung ein." Bei der Umsetzung des neuen Systems werde Deutschland nun darauf achten, "dass es fair, geordnet und solidarisch zugeht."

Ungarn wehrt sich jedoch gegen den Solidaritätsmechanismus und weist die Reform "aufs Schärfste" zurück. "Wir werden niemanden gegen unseren Willen einreisen lassen", sagte Außenminister Peter Szijjarto vor Journalisten am Mittwoch. "Niemand aus Brüssel oder sonst woher kann uns sagen, wen wir reinlassen und wir weigern uns aufs Schärfste, dafür bestraft zu werden", sagte er.

Kritik für Abschiebung an den Außengrenzen

Ein zentrales Element ist, dass ankommende Asylbewerber mit geringen Chancen schneller und direkt von der EU-Außengrenze abgeschoben werden sollen. Kommen sie aus einem Staat, dessen Bürger in der EU nur eine Asyl-Anerkennungsquote unter 20 Prozent haben, sollen sie dort festgehalten und ihr Anspruch auf Asyl binnen zwölf Wochen geprüft werden.

Die Linke-Abgeordnete Cornelia Ernst kritisierte: "Zukünftig werden Asylsuchende an der Grenze inhaftiert, auch bei Familien mit Kindern aller Altersstufen soll das möglich sein," um sie dann "direkt abzuschieben", was demnach auch in sogenannte sichere Drittstaaten erfolgen könne.

Auch Kirchen, Hilfswerke und Menschenrechtler kritisieren die Reform des Asylsystems. Der Osnabrücker Migrationsforscher Jochen Oltmer sagte dem Evangelischen Pressedienst, die Grundprobleme, wie die Überlastung der europäischen Grenzstaaten, blieben bestehen oder verschärften sich sogar noch.

Er befürchte, dass es in den geplanten Inhaftierungslagern zu ähnlich katastrophalen Verhältnissen wie im Lager Moria kommen werde: "Es läuft alles darauf hinaus, dass sie schnell hoffnungslos überfüllt sein werden."

dpa/AFP/Reuters/epd, MDR (ksc, jst)

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 20. Dezember 2023 | 09:00 Uhr

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