Stichwahl Lula gewinnt Präsidentenwahl in Brasilien

01. November 2022, 15:18 Uhr

In der Stichwahl um das Präsidentenamt in Brasilien hat sich Ex-Staatschef Luiz Inácio Lula da Silva gegen Amtsinhaber Jair Bolsonaro durchgesetzt. Lula kam auf 50,8 Prozent der Stimmen. Der rechte Amtsinhaber erhielt 49,2 Prozent. In der ersten Runde vor vier Wochen hatte Lula ebenfalls vorn gelegen.

Der linke Ex-Präsident Luiz Inácio Lula da Silva hat die Präsidentenwahl in Brasilien gewonnen. Lula kam in der Stichwahl auf 50,8 Prozent der Stimmen. Das gab das Wahlamt in Brasília nach Auszählung von mehr als 99 Prozent der Stimmen bekannt. Der rechte Amtsinhaber Jair Bolsonaro erhielt demnach 49,2 Prozent. Eine Umkehr des Resultats war nach Angaben der Behörde mathematisch unmöglich.

Nun will Lula ein extrem gespaltenes Brasilien versöhnen. "Ich werde für 215 Millionen Brasilianer regieren", sagte der 77-Jährige in seiner ersten Rede nach der Wahl in São Paulo. "Es gibt keine zwei Brasilien, nur ein Volk." Nun sei der Moment gekommen, den Frieden wieder herzustellen. Lula ging unter anderem auf die Hungerkrise ein, von der mehr als 33 Millionen Brasilianer betroffen sind. "Heute sagen wir der Welt, dass Brasilien zurück ist", erklärte er und versprach, gegen die Abholzung im Amazonasgebiet vorzugehen

Sozialleistungen für Arme angekündigt

Der frühere Gewerkschafter Lula hatte das bevölkerungsreichste Land Lateinamerikas bereits von Anfang 2003 bis Ende 2010 regiert. Er ist der erste demokratisch gewählte Präsident Brasiliens, der in eine dritte Amtszeit geht. Außer dem Staatschef wurden auch Gouverneure in einem Dutzend Bundesstaaten gewählt.

In der ersten Wahlrunde vor vier Wochen hatte Lula mit 48 Prozent der Stimmen die absolute Mehrheit knapp verfehlt. Bolsonaro schnitt mit 43 Prozent überraschend gut ab. Wie sie die Regierung künftig gestalten wollen, hatten beide Kandidaten im Wahlkampf kaum ausgeführt. Sie kündigten lediglich an, ein Sozialleistungsprogramm für Arme fortzusetzen, auch wenn die staatlichen Finanzen knapp sind.

Viele seiner Anhänger verbinden Lula mit den goldenen Zeiten Brasiliens, als die Wirtschaft aufgrund der hohen Rohstoffpreise boomte und die Regierung mit Hilfe von Sozialprogrammen Millionen Menschen aus der bittersten Armut holte. Für seine Gegner hingegen ist Lula verantwortlich für Korruption und Vetternwirtschaft.

Wahlkampf geprägt von Falschinformationen

Die Stimmung war angesichts der großen Differenzen sehr angespannt, die Bevölkerung ist stark gespalten. Der erbittert geführte Wahlkampf war im Endspurt immer schmutziger geworden. Die Brasilianer wurden vor allem in sozialen Medien und Whatsapp-Gruppen von einer Flut von Falschinformationen überschwemmt. Lula wurde von Seiten Bolsonaros als Boss einer Drogenbande dargestellt, der einen Pakt mit dem Teufel geschlossen habe. Bolsonaro wiederum wurde aus Lulas Lager als Pädophiler oder gar als Kannibale gezeigt. Die Fernsehdebatten, in denen Lula und Bolsonaro sich gegenseitig mit Vorwürfen überzogen, wirkten dagegen geradezu gesittet.

Die Leiterin der Konrad-Adenauer-Stiftung in Brasilien, Anja Czymmeck, sagte vor der Wahl: "Die Reichweite von Fake News ist größer ist als die von realen Informationen und Lügen scheinen mehr Interaktionen zu generieren als Fakten."

Bolsonaro-Anhänger forderten Militärputsch

Bolsonaro äußerte sich auch Stunden nach Lulas Wahlsieg noch nicht – auch nicht in den Online-Netzwerken, wo Bolsonaro für gewöhnlich sehr aktiv ist. Aber Verbündete des Amtsinhabers erkannten Lulas Wahlsieg an. Zuvor war befürchtet worden, dass es nach einem Wahlsieg von Lula zu Gewalt kommen könnte.

Bolsonaro hatte mehrfach Zweifel am Wahlsystem gestreut und angedeutet, das Ergebnis möglicherweise nicht anzuerkennen. Seit der Lockerung der Waffengesetze in seiner Amtszeit haben viele seiner Unterstützer ordentlich aufgerüstet. Einige Anhänger des Amtsinhabers forderten auch unverhohlen einen Militärputsch. Experten sehen dafür in Gesellschaft und Streitkräften allerdings keine ausreichende Unterstützung.

Glückwünsche von Scholz und Steinmeier

Internationale Partner gratulierten Lula. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier teilte am Montag in Berlin mit, er freue sich "auch persönlich", die Zusammenarbeit fortzusetzen. Weiter sagte Steinmeier: "Brasilien ist für Deutschland ein wichtiger strategischer Partner und ein Schlüsselakteur, um die globalen Herausforderungen unserer Zeit zu bewältigen."

Bundeskanzler Olaf Scholz gratulierte via Twitter. Er freue sich auf eine enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit insbesondere in Fragen von Handel und Klimaschutz, schrieb der SPD-Politiker.

Glückwünsche kamen zeitnah auch von US-Präsident Joe Biden, Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und anderen Staatschefs, etwa aus benachbarten südamerikanischen Staaten.

Putin: Zusammenarbeit in alle Richtungen

Auch Russlands Präsident Wladimir Putin gratulierte: "Die Ergebnisse der Abstimmung haben Ihre hohe politische Autorität bestätigt", schrieb Putin nach Angaben des Kremls vom Montag. "Ich setze darauf, dass wir mit gemeinsamen Anstrengungen die weitere Entwicklung der konstruktiven russisch-brasilianischen Zusammenarbeit in alle Richtungen sichern." Brasilien und Russland arbeiten auch in der Brics-Gruppe zusammen (Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika).

Die Wahl in Brasilien hat auch international eine wichtige Bedeutung. Als riesiger Kohlenstoffspeicher spielt das Amazonasgebiet im Kampf gegen den weltweiten Klimawandel eine wichtige Rolle. Zudem ist Brasilien mit seinen enormen natürlichen Ressourcen, dem hohen Anteil an grüner Energie und der großen Agrarwirtschaft ein potenziell wichtiger Handelspartner.

dpa, AFP, AP (dak)

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 31. Oktober 2022 | 00:30 Uhr

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