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KompromissEU-Innenminister vereinbaren Flüchtlingsverteilung

10. Juni 2022, 22:09 Uhr

Die EU-Staaten haben im Dauerstreit um die Aufnahme von Geflüchteten einen Kompromiss erzielt. Sie vereinbarten einen freiwilligen Solidaritätsmechanismus. Im Kern sollen Staaten, in denen viele Migranten ankommen, entlastet werden. Andere Staaten sollen einen Teil der Menschen aufnehmen oder Finanzhilfe leisten. Zugleich sollen Geflüchtete besser erfasst und überprüft werden.

Nach jahrelangem Streit haben sich die EU-Staaten grundsätzlich auf die Umverteilung von Flüchtlingen geeinigt. Die Innenminister sprachen sich in Luxemburg mit großer Mehrheit für einen sogenannten Solidaritäts-Mechanismus aus, wie die EU-Kommission und der französische Ratsvorsitz mitteilten.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser erklärte, Deutschland gehöre zu gut einem Dutzend Staaten, die zusätzlich Geflüchtete aufnehmen wollten. Diese "Koalition der Willigen" werde damit Länder wie Italien, Griechenland, Zypern oder Malta entlasten. Binnen eines Jahres sei die Umverteilung von rund 10.000 Menschen in Europa vorgesehen – etwa die Hälfte sollen demnach nach Deutschland und Frankreich kommen. EU-Staaten, die keine Migranten aufnehmen, sollen einen bisher noch nicht festgelegten finanziellen Beitrag zahlen oder anderweitig helfen.

Erst der Ukraine-Krieg sorgte für den Durchbruch

EU-Innenkommissarin Ylva Johansson lobte den "bedeutenden Fortschritt". Der französische Innenminister Gérald Darmanin sprach gar von einer "kleinen Revolution".

Denn seit der Flüchtlingskrise 2015 hatten sich Polen, Ungarn und andere vor allem östliche EU-Staaten geweigert, Kriegsflüchtlinge etwa aus Syrien oder dem Irak aufzunehmen. Die Neubewertung kam nun vor allem durch den russischen Angriffskrieg zustande. So hat allein Polen etwa rund drei Millionen Menschen aus der Ukraine aufgenommen.

Nur knapp die Hälfte der EU-Staaten zur Aufnahme bereit

Wie viele EU-Länder wirklich Flüchtlinge aufnehmen, ist noch offen. Dafür will Frankreich vor Ende seines Ratsvorsitzes Ende Juni mit der EU-Kommission eine "Solidaritäts-Plattform" organisieren. Bis zu zwölf der 27 EU-Länder hatten sich nach französischen Angaben aufnahmebereit gezeigt.

Österreich gehört zu einigen Ländern, die die Umverteilung ablehnen. Innenminister Gerhard Karner sprach von einem "falschen Signal" an Schlepperbanden. Wichtig sei vielmehr "ein robuster, funktionierender Außengrenzschutz". Das fordert auch Frankreich.

Geflüchtete sollen besser erfasst und überprüft werden

Bei ankommenden Flüchtlingen soll laut der Grundsatzeinigung künftig stärker geprüft werden, ob sie überhaupt Chancen auf Asyl haben. Zudem soll die gemeinsame Eurodac-Datenbank verbessert werden, in der biometrische Fingerabdrücke der Menschen gespeichert werden.

Der formelle Beschluss für den Solidaritätsmechanismus und den besseren Grenzschutz wird in Kürze erwartet. Dafür reicht eine qualifizierte Mehrheit der EU-Staaten aus - also 15 Länder, die 65 Prozent der EU-Bevölkerung auf sich vereinen.

AFP, DPA (ans)

Dieses Thema im Programm:MDR AKTUELL RADIO | 10. Juni 2022 | 20:00 Uhr