EU-Innenministertreffen Wie die EU-Kommission das Asylrecht reformieren will

05. Juni 2023, 14:49 Uhr

Noch immer flüchten viele Menschen aus Ländern wie Syrien oder Afghanistan nach Europa. Normalerweise müssten sie einen Asyleintrag in dem Land stellen, in dem sie die EU zuerst erreichen. Doch Mittelmeerländer wie Italien und Spanien sind damit überfordert und fordern eine Reform des Systems. Am Donnerstag treffen sich die EU-Innenminister und wollen dazu beraten.

Die Europäische Union will das Asylsystem reformieren – am Donnerstag treffen sich dazu die EU-Innenminister in Luxemburg. Hauptthema wird die Frage sein, ob es schon an den EU-Außengrenzen Vorprüfungen von Asylanträgen geben soll.

In einem Vorschlag der Ampelkoalition, den Bundesinnenministerin Nancy Faeser vorgestellt hat, spricht man sich für diese Vorprüfungen aus. "Ich glaube, dass es unglaublich wichtig ist, die Registrierung, die Identifizierung bereits zum frühestmöglichen Zeitpunkt durchzuführen, damit wir in Europa nach wie vor auch offene Grenzen haben können", sagte Faeser Ende April im Bericht aus Berlin. Die Verfahren der Vorprüfungen sollten maximal drei Monate benötigen.

Baerbock: Solidarische Verteilung von Geflüchteten

Minderjährige – also unter 18-jährige – Geflüchtete und Familien mit Kindern sollen nach dem Vorschlag der Bundesregierung jedoch nicht unter die Regelung fallen. Der Ursprungsvorschlag der EU-Kommission geht nicht ganz so weit. Dort heißt es, "unbegleitete Kinder und Kinder unter 12 Jahren mit ihren Familienangehörigen sind vom Grenzverfahren ausgenommen, sofern keine Sicherheitsbedenken bestehen."

Vize-Kanzler und Wirtschaftsminister Robert Habeck begrüßt die Verhandlungen. "Wir haben seit vielen Jahren kein funktionierendes europäisches Asylsystem mit der Folge, dass Menschen im Mittelmeer ertrinken, dass Familien jahrelang in menschenunwürdigen Zuständen in Lagern an den Grenzen feststecken", sagte Habeck. Außenministerin Annalena Baerbock nannte die Grenzverfahren in den Zeitungen der Funke Mediengruppe "hochproblematisch". Aber der Vorschlag der EU-Kommission sei die einzige realistische Chance, in der EU auf absehbare Zeit überhaupt zu einem geordneten und humanen Verteilungsverfahren zu kommen. Sie betonte, dass es eine solidarische Verteilung der Flüchtlinge in Europa brauche, nannte aber keine festen Aufnahmequoten.

Eine Einrichtung von Asylzentren an den EU-Außengrenzen fordert Manfred Weber, Chef der Europäischen Volkspartei. Weber sagte der "Neuen Osnabrücker Zeitung", der Staat müsse entscheiden, wer nach Europa komme, und nicht die Schlepperbanden.

Kritik am Dublin-III-Verfahren

Hintergrund der EU-Beratungen sind die gestiegenen Migrantenzahlen. Bislang gilt in der EU die Dublin-III-Verordnung. Das Land, in das Geflüchtete zuerst einreisen, ist für das Asylverfahren verantwortlich. Die meisten Asylanträge 2022 gingen in Deutschland mit 190.749 Anträgen ein, in Frankreich waren es 115.820, in Spanien 111.220, in Österreich 106.554 und in Italien 78.897. Die Zahlen für Binnenstaaten wie Deutschland und Österreich sind so hoch, weil einige Mittelmeerländer nicht mehr alle Geflüchteten registrieren und weiterreisen lassen.

Seit Monaten versuchen viele Menschen, von Nordafrika über das Mittelmeer Süditalien zu erreichen. Nach Angaben aus Rom kamen seit Januar mehr als 50.000 Migranten auf Booten nach Italien. Im Vorfeld der Verhandlungen warnte der österreichische Innenminister Gerhard Karner der Nachrichtenagentur APA zufolge aber auch vor Abschiebungen nach Afghanistan und Syrien. Zudem betonte er, "dass das derzeitige System kaputt" sei.

Offener Brief an Bundesregierung

Etwa 100 Prominente und Künstler haben die Asylpolitik der Bundesregierung in einem offenen Brief kritisiert. Darin heißt es, die Ampel wolle nun "den massivsten EU-Asylrechtsverschärfungen jemals" zustimmen, statt Verbesserungen voranzutreiben. Der Populismus drohe auch in Deutschland, die Oberhand zu gewinnen. Zu den Unterzeichnern des Briefes gehören unter anderem der Musiker Herbert Grönemeyer, der Moderator Klaas Heufer-Umlauf, die Schriftstellerin Sibylle Berg sowie die Schauspielerin Katja Riemann und die Band Kraftklub.

dpa,KNA(kar)

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | MDR AKTUELL RADIO | 05. Juni 2023 | 07:17 Uhr

6 Kommentare

Otto_ am 06.06.2023

Haben die Unterzeichner des Briefes denn eine bessere Lösung für das Problem?
Aktuell sind die Kommunen doch vielerorts völlig überlastet und die Mittel nicht unbegrenzt (wie man bei Wohnungen, Kindergartenplätze usw. sieht.)

Ich finde es sehr vernünftig, dass man versucht eine europäische Lösung zu finden.

dimehl am 06.06.2023

Ja, man ist halt' sehr dafür. Warum auch nicht?
Etwas Gratisengagement: man kann wieder einmal richtig Haltung zeigen und sich dabei ganz supertoll gut fühlen.
Um die Probleme aber dürfen sich dann bitte schön Andere kümmern ...

Brigitte Schmidt am 05.06.2023

Darin heißt es, die Ampel wolle nun "den massivsten EU-Asylrechtsverschärfungen jemals" zustimmen, statt Verbesserungen voranzutreiben.

Warum müssen wir uns eigentlich unseren europäischen Nachbarn, die im Falle einer europ. Außengrenze die Hauptlast zu tragen haben, immer belehrend und moralisierend entgegen stellen?
Aber auch Länder ohne Außengrenzen, die mittlerweile die Realität eingeholt hat und die zu anderen Erkenntnissen und Konsequenzen kommen, versuchen die "Etwa 100 Prominente und Künstler" den deutschen Sonderweg aufzunötigen.
Beschämend.

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