MigrationPro Asyl und europäische Grüne lehnen Kompromiss bei EU-Asylreform ab
Nachdem sich die EU-Länder am Donnerstagabend im Asylstreit geeinigt hatten, sprechen Menschenrechtsorganisationen wie Pro Asyl von einem historischen Fehler. Das Asylrecht werde so ausgehöhlt, warnen sie. Auch EU-Parlamentarier der Grünen äußern Kritik.
- Pro Asyl wertet Einigung als Frontalangriff auf Schutz von Menschenrechten
- Grüne EU-Parlamentarier sind gegen die Beschlüsse
- Nach der neuen Asylreform soll das Bleiberecht je nach Herkunftsland eingeschränkt werden
Die Menschenrechtsorganisation Pro Asyl hat die Asyl-Einigung der EU-Innenminister scharf kritisiert. Der Europa-Sprecher Karl Kopp sagte MDR AKTUELL, es handle sich um einen Frontalangriff auf den Menschenrechtsschutz in Europa. Nun würden an den europäischen Außengrenzen haftähnliche Lager geschaffen. So entstünden im Namen Europas viele neue Elendsorte.
Der Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion, Stephan Thomae, wies das zurück. Es handle sich um Auffang-Einrichtungen, in denen eine menschenrechtskonforme Unterbringung und rechtsstaatliche Verfahren gewährleistet sein müssten.
Grüne EU-Parlamentarier sind gegen Kompromiss
Doch auch aus dem EU-Parlament kam unmittelbar nach der Einigung bereits scharfe Kritik von den Grünen. "Diese Einigung hat einen zu hohen Preis", sagte der Sprecher der deutschen Grünen im EU-Parlament, Rasmus Andresen. Der Kompromiss baue Menschenrechte massiv ab und könne die Probleme der EU-Asylpolitik nicht lösen.
Vizekanzler Robert Habeck verteidigte dagegen die EU-Asyleinigung. "Dass die EU trotzdem zusammenfinden kann, ist gerade in einer Zeit, in der wir als Union zusammenstehen müssen, ein Wert", sagte der Grünen-Politiker. Habeck bezeichnete den Kompromiss als sehr schmerzhaft. Er bedauerte insbesondere, dass es bei den Asylprüfungen an den EU-Grenzen keine Ausnahmen für Familien geben soll.
Parteikollegin und Außenministerin Annalena Baerbock schloss sich dem an. Die Zustimmung für den Kompromiss sei ihr sehr schwergefallen, aber sie halte die Einigung dennoch für richtig, weil sich der Status Quo für viele Geflüchtete dadurch verbessern werde. Das schrieb sie in einem Brief an die Grünen-Bundestagsfraktion, in dem sie für die Einigung geworben hatte.
Strengere Grenzkontrollen geplant
Die EU-Länder hatten sich am Donnerstagabend nach stundenlangen Verhandlungen auf einen Kompromiss im Asylstreit geeinigt. Demnach sollen die Asylverfahren in der EU angesichts der Probleme mit illegaler Migration deutlich verschärft werden. Dem EU-Ratsvorsitz zufolge hatte bei dem Innenministertreffen in Luxemburg eine ausreichend große Mehrheit für umfassende Reformpläne gestimmt.
Die neuen Regeln sehen unter anderem einen deutlich strengeren Umgang mit Migranten ohne Bleibeperspektive vor. Wer aus einem Land kommt, das als sicher gilt, wird nach dem Grenzübertritt in streng kontrollierten Aufnahmeeinrichtungen untergebracht. Dort soll innerhalb von zwölf Wochen geprüft werden, ob der Antragsteller eine Chance auf Asyl hat. Besteht die Chance nicht, soll er umgehend zurückgeschickt werden.
Staaten an den EU-Außengrenzen entlasten
Die EU-Länder vereinbarten auch mehr Solidarität mit den stark belasteten Mitgliedsstaaten an den EU-Außengrenzen. Diese soll zukünftig verpflichtend sein. Länder, die keine Flüchtlinge aufnehmen wollen, würden zu Ausgleichszahlungen gezwungen werden.
Länder wie Ungarn stimmten deswegen gegen den Plan. Profitieren könnte davon zum Beispiel Italien. Nach Angaben des UN-Flüchtlingskommissariats wurden in Italien in diesem Jahr bereits mehr als 50.000 Migranten registriert, die über das Mittelmeer kamen.
Die Bundesregierung hatte sich in den Verhandlungen nachdrücklich dafür eingesetzt, dass Familien mit Kindern von den sogenannten Grenzverfahren ausgenommen werden. In dem Kompromiss musste man jedoch letztlich auf die Bedingung verzichten.
Bundesinnenministerin Nancy Faeser sagte bei dem Treffen allerdings, dass sich die Regierung sich weiter dafür einsetzen werde, dass alle Kinderrechte gewährt blieben. Die SPD-Politikerin zeigte sich zufrieden mit der Einigung. Bei Twitter schrieb sie, es sei ein historischer Erfolg für die EU.
EU-Parlament könnte noch Änderungen fordern
Nun muss noch mit dem EU-Parlament über die Regeln verhandelt werden. Dabei ist denkbar, dass das Parlament noch Änderungen durchsetzt. Es hat bei der Reform ein Mitspracherecht und wird in den kommenden Monaten mit Vertretern der EU-Staaten über das Projekt verhandeln. Im Idealfall werden die Gespräche noch vor Jahresende abgeschlossen sein. Dann könnten die Gesetze noch vor der Europawahl im Juni 2024 beschlossen werden. Sollte dies nicht gelingen, könnten veränderte politische Kräfteverhältnisse Neuverhandlungen nötig machen.
AFP,dpa(amu,rnm)
Dieses Thema im Programm:MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 08. Juni 2023 | 21:00 Uhr