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Europäische GrundsatzredeScholz: EU muss wirtschaftlich unabhängiger werden

29. August 2022, 17:36 Uhr

"Es braucht europäische Antworten auf die Zeitenwende", fordert Bundeskanzler Scholz. Während eines Besuchs der Karls-Universität in Prag hält der SPD-Politiker eine Grundsatzrede zur europäischen Politik und deren Zukunft. Zwischen Unabhängigkeit und Zusammenarbeit.

Bundeskanzler Olaf Scholz will Europa künftig unabhängiger von Rohstoffen aus dem Ausland machen. Das könne vor allem beim Recycling von Handy- und Batterieteilen umgesetzt werden. "Wir brauchen einen 'game plan', so etwas wie eine Strategie 'Made in Europe 2030'", sagte Scholz bei einer Rede an der Karls-Universität in Prag am Montag. Ein Großteil des Lithiums, Kobalts, Magnesiums oder Nickels, auf das die Betriebe angewiesen seien, sei längst in Europa. "In jedem Handy, in jeder Autobatterie stecken wertvolle Rohstoffe."

Dieses Potenzial müsse stärker genutzt werden, sagte Scholz. Man brauche gemeinsame Standards für eine echte europäische Kreislaufwirtschaft. "Ein strategisches Update unseres Binnenmarkts", sagte der Bundeskanzler. Gleichzeitig betonte er, dass wirtschaftliche Unabhängigkeit nicht Autarkie bedeute. Europa habe von offenen Märkten und Handel profitiert und werde weiterhin davon profitieren, so der SPD-Politiker.

Engerer Austausch mit Nicht-EU-Ländern

In Bezug auf wirtschaftliche Beziehungen unterstützt Scholz die Idee des französischen Präsidenten, Emmanuel Macron. Macron fordert eine neue europäische politische Gemeinschaft, die einen engeren Austausch mit Partnern außerhalb der EU ermöglichen soll. Derzeit fehle ein Forum, bei dem die Staats- und Regierungschefs der EU mit Partnerstaaten ein- oder zweimal jährlich zentrale Themen besprechen könnten, sagte Scholz. Er betonte, dass es sich bei einem solchen Zusammenschluss nicht um eine Alternative zur anstehenden EU-Erweiterung handeln soll.

Die französische Idee sieht vor, die Zusammenarbeit mit Partnern verbessern, die in absehbarer Zeit nicht in die EU aufgenommen werden oder dies gar nicht wollen. Konkret nannte er die Ukraine, die jüngst offiziell EU-Beitrittskandidat wurde, nach derzeitigen EU-Regeln aber wohl frühestens im nächsten Jahrzehnt Mitglied werden kann.

Parlament auf EU-Erweiterung abstimmen

Generell hat sich Olaf Scholz für eine geänderte Zusammensetzung des EU-Parlaments ausgesprochen. Wenn man das Parlament nicht aufblähen wolle, brauche es eine "neue Balance, was seine Zusammensetzung angeht". Es sei für alle ein Gewinn, wenn die EU in Richtung Osten weiter wächst. Jedoch müsse die festgelegte Abgeordnetenzahl weiterhin berücksichtigt werden, um im Parlament kein Ungleichgewicht entstehen zu lassen.

Weiter spricht sich Scholz für Mehrheitsentscheidungen im EU-Ministerrat aus, ebenso wie in der Außenpolitik und steuerrechtlichen Bereichen. Ein Festhalten am Prinzip der Einstimmigkeit funktioniere nur, solange der Handlungsdruck gering ist. Spätestens angesichts des Kriegs gegen die Ukraine aber, sei das nicht mehr der Fall.

Gemeinsames Luftverteidigungssystem

Mit Blick auf den Krieg in der Ukraine will Scholz mit europäischen Nachbarn ein neues Luftverteidigungssystem aufbauen. Deutschland werde in den kommenden Jahren stark in die Luftverteidigung investieren – und zwar so, dass sich europäische Nachbarn von Beginn an beteiligen könnten. Die Forderung nach einem Raketenschutzschild für Deutschland wurde laut, weil Russland mit dem Angriff auf die Ukraine die Bedrohungslage in Europa verändert hat. Details nannte der Kanzler noch nicht. Als wahrscheinliche Option gilt bei der Bundeswehr die Anschaffung des israelischen Systems Arrow 3.

Vorausschauende Asylpolitik

Scholz sagte darüber hinaus, er wolle sich auch für mehr legale Einwanderungswege in die EU sowie ein "faires und krisenfestes Asylsystem" einsetzen. Das betreffe auch einen wirksamen Schutz der EU-Außengrenzen. Europa brauche Zuwanderung, unterstrich der Kanzler mit Verweis auf Personalengpässe an Flughäfen und in Krankenhäusern sowie den Fachkräftemangel in der Wirtschaft. Dazu brauche es eine vorausschauende Herangehensweise mit mehr Kooperationsbereitschaft durch Drittstaaten.

AFP, dpa, KNA (amu)

Dieses Thema im Programm:MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 29. August 2022 | 11:30 Uhr

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