Nachrichten & Themen
Mediathek & TV
Audio & Radio
SachsenSachsen-AnhaltThüringenDeutschlandWeltLeben

Julia PshenychnaMeine deutschen Wochen | Teil 3

23. Juni 2022, 22:52 Uhr

"Man muss so schnell wie möglich laufen, um nur an Ort und Stelle zu bleiben, will man aber irgendwohin gelangen, dann muss man mindestens doppelt so schnell rennen!" (Lewis Carroll: "Alice im Wunderland").

Dieses Zitat beschreibt unser Leben in Deutschland sehr treffend.

Ja, neben der täglichen Lauferei mit Dokumenten, neben der Wohnungs- und Möbelsuche, neben den Kinderkrankheiten und mitten im Umzug wurde ich – wie alle Mütter – damit konfrontiert, dass unsere Kinder zur Schule gehen können und sollen. Welches Glück! Aber was soll ich tun, damit mein Kind hier zur Schule geht?

Die Etappen unseres Weges zum Lernen waren:

1. Wir mussten eine passende Schule finden, genauer gesagt, zwei Schulen: Ich habe eine 16-jährige Tochter mit bisherigem schulischem Schwerpunkt Mathematik/Physik und eine Erstklässlerin, die noch fast nichts weiß, weil sie bisher die meiste Zeit in der Ukraine online gelernt hatte (wenn das gerade möglich war).

2. Ich musste ein Attest von einem Kinderarzt holen, dass das jeweilige Kind gesund ist und die Schule besuchen kann (und sie gegen Masern impfen lassen, was in Deutschland Pflicht ist).

3. Plätze in der Schule bekommen. Hier war Eile geboten, denn die freien Plätze der ukrainischen Integrationsklassen waren sofort vergeben, als die Einschreibung begann.

Die zehnte Klasse: Meine älteste Tochter hat in Kiew an einem mathematisch-naturwissenschaftlichen Lyzeum gelernt, also habe ich versucht, dass sie hier in Halle die gleiche Ausbildung bekommt. Zum Glück wurden wir an einem Gymnasium mit solche einer Ausrichtung angenommen – bis Ende des Schuljahres ist sie Gastschülerin. Hier wird auf Englisch unterrichtet, also kann meine Tochter zum Glück alles verstehen, außerdem gibt es Deutschunterricht für ukrainische Schulkinder. Wie alle ukrainischen Kinder, die sich derzeit in Deutschland aufhalten, besucht sie parallel den Online-Unterricht des ukrainischen Lyzeums und legt Prüfungen ab.

Die erste Klasse: Ich hätte nie gedacht, dass die 1. Klasse schwerer sein würde als die 10. Klasse. Da Margo (7 Jahre alt) kein Deutsch spricht, habe ich sie in eine ukrainische Klasse an einer deutschen Schule geschickt. In die erste Schule mit ukrainischsprachigem Unterricht in Halle kamen wir allerdings zu spät, dort gab es keine Plätze mehr. Unverdrossen schickte ich online mehrere Briefe an diese Schule und brachte uns damit ständig in Erinnerung – bis die Verwaltung uns schließlich die freudige Meldung sandte, dass bald eine neue ukrainischsprachige Klasse gebildet würde (es ist also sinnvoll, sich in Erinnerung zu bringen). Wir nahmen die Mappe mit den erforderlichen Unterlagen und eilten zum Treffen, bei dem die Schuleinschreibung stattfand. Zum Glück war also nun auch meine Kleine eingeschult! Aber dem kleinen Mädchen fehlt es manchmal an Motivation. Es fällt ihr sehr schwer, jeden Tag um 6 Uhr aufzustehen, damit sie bereits um 7:20 Uhr in der Schule sein kann (der Unterricht beginnt 7:30 Uhr). Freunde zu treffen und auf dem Schulhof spazieren zu gehen – das gefällt ihr dagegen sehr gut (wie allen Kindern). Margo lernt bis 12.30 Uhr und hat fünf Unterrichtsstunden (die Schulfächer sind dieselben wie in der Ukraine sowie Deutsch-Unterricht). Außerdem haben "wir" auch online an unserer Kiewer Schule gelernt: Dort wurden die Hausaufgaben erledigt und die Übergangstests in die 2. Klasse gemacht.

Gleichzeitig mit der Einschulung mussten wir uns beim Kinderarzt melden und uns von ihm bestimmte Bescheinigungen geben lassen. Dank Google Maps konnten wir schnell die nächstgelegene Praxis finden. Als wir zum Arzt kamen, legten wir unsere Krankenversicherungskarte vor (wenn man diese nicht hat, dann sollte man sich dafür ein spezielles Formular beim Sozialamt besorgen). Nach der Untersuchung stellte der Arzt ohne Probleme die Schulbesuchsbescheinigungen aus. Meine beiden Töchter hatten keine Masernimpfung (hier ist sie ja obligatorisch), also haben wir die erste Impfung für beide gleich gemacht und einen Monat später die zweite Impfung.

Eltern ukrainischer Kinder, die in Deutschland zur Schule gehen, sollten sich eine Schulbescheinigung geben lassen – ein Dokument, das die Ausbildung in dieser Bildungseinrichtung bestätigt. Diese Bescheinigung ist wichtig, denn das Sozialamt bezahlt das Schulessen der Kinder, ansonsten müssen die Eltern für alle Rechnungen selbst aufkommen und das ist schwierig.

Einige weitere Besonderheiten im Schulbetrieb aus meiner Sicht:

1. Der Unterricht beginnt normalerweise um 07:30 Uhr.

2. Die Sommerferien in Deutschland sind gestaffelt nach Bundesländern; hier in Sachsen-Anhalt (das Bundesland, wo die Stadt Halle liegt, wo wir jetzt leben) beginnen sie am 14. Juli und enden am 25. August.

3. Wenn Ihr Kind (wie meine Älteste) auf eine Exkursion mitgeht, müssen Sie sich ein Schreiben der Schule mit dem Reiseplan und den entsprechenden Kosten geben lassen, dieses an das Sozialamt bzw. das Jobcenter schicken, damit die Kosten getragen werden.

4. In ukrainischsprachigen Klassen an deutschen Schulen werden in der Regel die 1. und 2. Klassen sowie die 3. und 4. Klassen zusammengelegt (natürlich hängt das von der Schule und der Anzahl der Lehrer ab, zumindest haben wir eine solche Zusammenlegung).

Auch wenn es schwer ist, frühmorgens aufzustehen, die Kleinen aufzumuntern, sie zu unterstützen und ihnen beim Nachholen des Verpassten zu helfen, bin ich unglaublich froh, dass meine Kinder die Möglichkeit haben, in Deutschland zu lernen! Und wie sehr ich doch die Lehrer und die Lehrerinnen hier bewundere! Vor allem die deutschen Lehrer und Lehrerinnen, die aufrichtiges Mitgefühl und Verständnis für unsere Probleme haben, die unglaubliche Geduld an den Tag legen und keine Ressourcen für die Bildung unserer Kinder scheuen. Ukrainische Lehrer haben hier beispielsweise häufig keine Lehrbücher und ihre Kollegen finden geeignete Materialien, die dann gedruckt und als Aufgaben an jedes Kind verteilt werden.

Und unsere ukrainischen Lehrer und Lehrerinnen, die hier an deutschen Schulen arbeiten, sind wahre Helden und Heldinnen! Schließlich haben sie wie auch wir die gleichen sozialen und sonstigen Probleme, eigene Kinder und arbeiten auch voll, sie suchen Materialien in der schweren Lage und geben ihr Wissen, ihre Kraft und Energie an unsere Kinder weiter!

Deutsche Schulen wären nicht deutsch, wenn nicht alles in ihnen sehr diszipliniert, klar, geplant, aber gleichzeitig auch sehr aufrichtig und freundlich wäre.

Soweit diese Kurzgeschichte über unseren langen Weg zum Wissen, hier in Deutschland!

An dieser Stelle wünsche ich jedem, dass er die richtige Geschwindigkeit findet, um Zeit zu haben, all die geplanten Dinge zu tun und erfolgreich voranzukommen!