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Julia Pshenychna: Experiment Farbwoche | Teil 4

06. September 2022, 22:19 Uhr

Nach vielen Wochen der ständigen Hektik, von Chaos, Herumrennen und stündlicher Verfolgung des Informationsstandes über die Ukraine (wobei die Nachrichten von dort leider meist enttäuschend waren), wurde mir langsam, aber sicher etwas klar:  Ich musste langsamer werden und endlich auch das eigene Leben spüren; die friedlichen Seiten des Lebens wahrnehmen und den mehr oder weniger ruhigen Verlauf sogar genießen! Also konzentrierte ich mich eine Woche lang darauf, mein Leben und das meiner Kinder mit etwas Neuem zu bereichern – etwas, das uns ein wenig von äußeren Belastungen ablenken würde. Unser Experiment lautete: Eine Woche lang verleben wir alle sieben Tage in verschiedenen Farben: Essen, Kleidung, Beruf, Freizeit – jeder Tag sollte eine andere Farbe bekommen!

1. Tag: Gelb

Der erste Versuchstag hat uns (Spoiler: so wie alle folgenden Tage) alle angenehm überrascht und beeindruckt. Die Stimmung stieg, denn neben den internationalen Ereignissen verfolgten wir nun auch das kleine, aber ungemein coole Ziel einer abenteuerlichen Suche: Diese Suche half uns, Dinge zu sehen, denen wir normalerweise kaum Beachtung schenkten. Sie half uns auch, den Kühlschrank nach Produkten zur an diesem bestimmten Tag passenden Farbe "aufzuräumen". So entdeckten wir eine beinahe verdorbene Zitrone und einen frischen, jedoch völlig vergessenen Käse.

Am Morgen beim Fertigmachen haben wir schnell Kleidung mit gelben Elementen gefunden (darüber haben wir uns unheimlich gefreut) und sie mit der "normalen" Garderobe kombiniert. Unser übliches tägliches Essen wurde mit gelben Produkten, die wir zu Hause hatten, abwechslungsreicher gemacht: Kakao aus einer gelben Dose, Banane, Hirsebrei, gelber Apfel, Kamillentee mit Honig.

Die Suche nach gelben Gegenständen wurde zu einem echten Spiel, an dem die Kinder und ich mit größtem Vergnügen teilnahmen und somit auch die Zeit totschlugen, die wir wartend am Telefon verbrachten. Als Pluspunkt kam hinzu, dass nebenbei Einiges gefunden und richtig sortiert wurde. Im Wettstreit miteinander versuchten wir, so viele gelbe Kleidungsstücke wie möglich und außerdem so schnell wie möglich zu finden. Natürlich hat – wie immer – die Freundschaft gewonnen!

Auch als wir an der Straße entlang spazierten, suchten wir nach der Farbe Gelb. Wir erinnerten uns, wie diese Farbe auf Deutsch heißt und dass das Logo der Deutschen Post auch diese Farbe hat. Die Kinder wissen jetzt zudem genau, was sie in die gelbe Tonne werfen müssen – Plastik und Verpackung.

Nach dem Spielen fand die Mutter – also ich – Zeit, das gelbe Buch zu lesen, das jetzt ständig auf meinem Schreibtisch liegt: mein Deutschlehrbuch. Vor dem Schlafengehen hörten wir uns noch „Yellow Submarine“ der Beatles an (in Halle gibt es übrigens ein sehr interessantes Beatles-Museum), lernten die Übersetzung dieses Liedes und gingen zufrieden und in Erwartung des nächsten bunten Tages ins Bett.

Tag 2: Orange

Der nächste Tag stand ganz im Zeichen der Farbe Orange. Wir entdeckten Karottensuppe mit Curry und Tee mit Kurkuma für uns und Zitrusfrüchte waren die Favoriten (wenn das so weitergeht, dann müsste ich ein Buch mit Rezepten bunter Gerichte schreiben – es ist wirklich interessant und so lecker!). Als Kulturprogramm wurde Van Goghs Gemälde "Sonnenblumen" betrachtet. Dabei stellte sich heraus, dass es nicht weniger als elf davon gibt, in denen wir die Unterschiede suchten.

Tag 3: Rot

Borschtsch! Wie luden die Nachbarn zum Abendessen ein und präsentierten ihnen diese "rote Suppe" – bekanntlich eines der Hauptgerichte der ukrainischen Küche. Da Rot ein Symbol für Feuer, Energie und Bewegung ist, organisierten wir ein kleines Sportfest – wir spielten Ball in der Parkanlage und machten danach einen längeren Spaziergang.

Tag 4: Grün

Mir persönlich gefällt die Farbe Grün sehr gut, weshalb bei uns zu Hause Gegenstände und Sachen in dieser Farbe vorherrschen. Es wurde also der Tag, an dem diese zahlreichen grünen Dinge im Mittelpunkt unserer Aufmerksamkeit standen. Als Kulturprogramm machten wir einen Ausflug in den Botanischen Garten, der einen wunderbaren Eindruck hinterlassen hat!

Tag 5: Braun

Tag der Erde, weil ich diese Farbe zuallererst mit ihr verbinde. Erdnüsse, Kakao und Buchweizen – her damit! Am Ende dieses Tages pflanzten wir in einen Blumentopf einen kleinen Spross, der aus einem großen Pflanzkübel stammt, den jemand auf die Straße geworfen hatte (und für den wir übrigens ziemlich lange keine Zeit gefunden hatten).

Tag 6: Blau

Wahrscheinlich der schwierigste Tag für die Essensplanung. Das Einzige, was mir in den Sinn kam, war der Cocktail Margarita, der überhaupt nicht in unsere Speisekarte, zu unserer Stimmung oder in unser Leben passte. Stattdessen erinnerten wir uns an blaue Lebensmittel und genossen blaue Beeren. Womit es keinerlei Probleme gab, waren die Freizeitaktivitäten: Wir verbrachten viel Zeit an der Saale (an der die Stadt Halle liegt), die durch Parkanlagen an ihren Ufern, durch schöne alte Gebäude und mehrere Brücken unglaublich malerisch ist.

Tag 7: Weiß

Also her mit dem Fisch, oder besser gesagt mit der Fischsuppe! Wie froh bin ich, dass meine Kinder sie endlich gegessen haben! Kulturell bereichert wurden wir durch Georg Friedrich Händel. Wegen seiner weiß angelaufenen Perücke haben wir ihn an diesem „weißen Tag“ kurzerhand zu uns, zu unserer Truppe, gezählt. Unsere jüngste, Margo, nannte ihn zuvor hartnäckig Richter. Denn auf seinem Denkmal, das auf dem Marktplatz seiner Heimatstadt Halle steht, trägt er eine Perücke – eben wie ein Richter.  Aber jetzt, nachdem wir das Museum unseres Helden des Tages besucht haben, weiß sie sicher, dass er ein großer deutscher Komponist war! Weiß ist übrigens die Farbe der Sauberkeit, also haben wir alle zusammen geputzt und am Ende des Tages war unser Haus fast perfekt!

Diese farbenfrohe Woche hat mir und meinen Kindern unglaubliche Erfahrungen und neue Entdeckungen in Geschmack, Kultur und Ästhetik beschert. Sie hat uns geholfen, uns als unglaublich nahestehende Menschen zu fühlen, die gemeinsam nicht nur Probleme und Schwierigkeiten überwinden, sondern auch gemeinsame Zeit fröhlich und nützlich miteinander verbringen können!