Der Redakteur | 12.04.2023 Wer entscheidet über die Altersfreigaben bei Filmen?

12. April 2023, 17:26 Uhr

Was ist nicht super an Mario? Warum ist der Animationsfilm erst ab sechs Jahren zugelassen? Immerhin kennen auch die jüngeren Kinder die Charaktere aus dem gleichnamigen Spiel und plötzlich ist das alles zu viel?

Es sind rund 200 Ehrenamtliche, die Filme für Kino, DVD & Co. bewerten. Und zwar im Auftrag der FSK, der Freiwilligen Selbstkontrolle der Filmwirtschaft. Eine Prüfungskommission besteht aus jeweils fünf Mitgliedern, die in der Regel im medialen oder Jugendschutzbereich zu Hause sind, einschließlich eines der drei ständigen Vertreter der obersten Landesjugendbehörden.

Diese haben aber kein Vetorecht bei der Entscheidung, die manchmal auch recht knapp ausfallen kann. Der Ablauf eines mitunter sehr langen Tages: gemeinsames Filmschauen mit der Jugendschutzbrille, diskutieren und am Ende abstimmen, für welche Altersgruppe der Film geeignet ist und für welche noch nicht.

Ein Film wird immer als Ganzes und für sich stehend beurteilt. Wir schauen dann, welche möglichen Jugendschutzaspekte gibt es hier.

Michael Schmidt, einer der drei Ständigen Vertreter der Obersten Landesjugendbehörden

Nach welchen Kriterien werden Filme bewertet?

Deutschland ist durchaus liberal unterwegs, wenn es um die Frage geht, was jüngeren Zuschauern zugemutet werden kann. Schon ein nackter Körper alleine könnte in anderen Ländern dazu führen, dass ein Film dem breiten Publikum vorenthalten wird. Sex, Gewaltdarstellungen, Drogenkonsum und Schimpfwörter sind aber auch hierzulande nur die offensichtlichen Bewertungskriterien.

DVD Regal, Abteilung FSK 18
Die Kennzeichnung "FSK ab 18" entspricht dem bisherigen Kennzeichen "Keine Jugendfreigabe". Bildrechte: PapschDVD-Auslage

Während anderswo Schimpfwörter schlicht gezählt werden, wird bei uns auch geschaut, wer der Absender des Schimpfwortes oder der "Gewaltszene" ist. Ein fluchender Räuber mit rohen Sitten ist im Märchenfilm ein stückweit akzeptabel, der Wolf, der die Großmutter frisst, in gewissen Grenzen auch. Ohne zu viel zu verraten: Für die Großmutter und das Rotkäppchen geht es ja am Ende gut aus. Wichtig für die Filmbewertung ist aber auch: Wie lange dauert es, bis es gut ausgeht und: Versteht ein Fünfjähriger am Ende die Auflösung auch tatsächlich als solche oder ist sie in einen Wortwitz gepackt, der untergeht?

Wichtig ist auch: Von wem geht die problematische Sprache aus? Von einer positiven Identifikationsfigur oder dem Antagonisten, der dadurch gekennzeichnet ist?

Stefan Linz, Geschäftsführer FSK

Da gerade kleinere Kinder ohnehin nicht alleine auf Filme losgelassen werden sollten, kann in der anschließenden "Auswertung" des Geschehens durch die Eltern auch noch einmal darauf verweisen werden, dass es ja nun "der Böse" war, der ausfällig geworden ist. Entsprechend unwahrscheinlich ist es (je nach Erziehung), dass diese Sprachmuster übernommen werden. Wenn sich aber das positive Vorbild solcher derben Sprachmuster bedienen würde oder sein Kinderzimmerinterieur zerschlägt, würde es wohl schwierig mit der Argumentation und auch mit der Einstufung. Wobei auch hier gilt: Der Kontext ist wichtig. Jeder macht mal Fehler.

Wieso ist Super Mario Bros. erst ab sechs Jahren freigegeben?

Michael Schmidt war als einer der drei Ständigen Vertreter der Obersten Landesjugendbehörden an der Bewertung des Films Super Mario Bros. beteiligt. Die fünfköpfige Kommission ist letztlich mehrheitlich zu dem Schluss gekommen, dass der doch mitunter recht turbulente Film "zahlreiche kampfbetonte bedrohliche düstere Spannungs- und Actionszenarien hat, die auch auf der Bild- und Tonebene wirkmächtig in Szene gesetzt sind", so Schmidt. Das könnte jüngere Zuschauer nachhaltig übererregen und ängstigen.

Hinzu kommt, dass der Film für diese jüngste Altersgruppe kaum Entlastungsmomente bietet.

Michael Schmidt, einer der drei Ständigen Vertreter der Obersten Landesjugendbehörden

Nun ist die Bandbreite der elterlichen Argumentation vorhersehbar. Es gibt Kinder, die in Watte gepackt über jede Pfütze getragen werden und kleine Raufbolde, die regelmäßig mit dem Leuchtschwert hantieren und erste Baumhauserfahrungen haben. Deren fünfjährige Seele würde vielleicht weniger Schaden nehmen bei der Betrachtung des Films, aber sie geben den Takt vielleicht nicht vor. Oder gerade, man weiß es nicht.

Super Mario-Wandaufkleber
Lange Zeit flimmerte Super Mario nur über den Konsolen- und TV-Bildschirme. Nun hat er den Sprung auf die Leinwand geschafft. Bildrechte: Super Mario Bros.

Es sind die "gefährdungsgeneigten" Kinder, wie es im Fachjargon heißt, bei denen der Film die größte Wirkung erzielen könnte. In diesem Falle eine negative. Das bedeutet nicht, dass der Film für jeden Fünfjährigen als überwiegend belastend angesehen wird von den Prüfern. Aber im Zweifel wird eben die nächsthöhere Freigabestufe angesetzt, so geschehen bei Super Mario. Gerade im Kleinkindbereich gibt es riesige Entwicklungsunterschiede, so Stefan Linz. Und es ist schwer, diese für alle Kinder an eine Altersgrenze zu knüpfen.

Unsere Prüfausschüsse müssen sich - so ist es auch vorgesehen vom Gesetzgeber - immer nach den Schwächsten in der Kette richten.

Stefan Linz, Geschäftsführer FSK

Kann ich mein Kind nicht am besten beurteilen?

Nun mag es Elternhäuser geben, die ihren Kindern quasi ungebremsten Medienkonsum ermöglichen. Die Kinder werden stundenlang vor der Glotze oder der Spielkonsole geparkt und mit Inhalten konfrontiert, die alles andere als altersgerecht sind. Diesen Eltern würden die Prüfer ganz sicher die Kompetenz absprechen, auch im Kino die beste Entscheidung für das Kind zu treffen.

Und trotzdem sieht Stefan Linz das Kino als den Raum an, der am strengsten geschützt ist. Immerhin ist hier sichergestellt, dass die kleineren Kinder eben nicht alleine gucken. Trotzdem steht vor dem Kinosaal zusätzlich jemand, der das Alter einschätzt und aktuell bei Super Mario den Türsteher macht: "Du kommst hier nicht rein." Was bereits zu Tränen und reichlich Ärger geführt hat. Zumal es in der nächsten Altersgruppe eine Ausnahmeregelung gibt. Festgeschrieben im Paragraf elf des Jugendschutzgesetzes.

In Begleitung der Eltern oder "erziehungsbeauftragten Personen" dürfen Sechs- bis Zwölfjährige demnach auch in einen Film gehen, der erst ab zwölf Jahren zugelassen ist. Hier wird den Eltern also eine Kompetenz zugeschrieben, die bei unter sechsjährigen Kindern noch nicht entwickelt und bei Kindern über zwölf Jahren offenbar schon wieder verloren gegangen ist.

Aus unserer Sicht ist das ein Versäumnis und auch bei der letzten Anpassung des Jugendschutzgesetzes haben wir uns dafür eingesetzt, dass dieses Elternprivileg auch im Kino auch bei den Freigaben ab sechs und ab 16 Jahren umgesetzt wird.

Stefan Linz, Geschäftsführer FSK

Zuständig ist das Bundesfamilienministerium, das bei nächster Gelegenheit den Abgeordneten des Bundestages ein geändertes Jugendschutzgesetz zur Abstimmung vorbereiten könnte. Wir haben dort angefragt und werden die noch ausstehende Antwort an dieser Stelle ergänzen.

Wie kontrolliert das Kino ohne Ausweis?

Eine Lockerung des Jugendschutzgesetzes an dieser Stelle würde es auch den Kinobetreibern leichter machen und sie müssten nicht am Eingang den bösen Mann spielen, obwohl die Eltern mit dem Kauf der Kinokarte ja bereits die Entscheidung getroffen haben, dass der Film dem Kind nicht schadet. Zum Beispiel, indem sie sich vorbildlich die Kurzeinschätzung angeschaut hat, die es zu jedem bewerteten Film auf der FSK-Seite gibt.

Leere Sitzreihen in einem Kinosaal
Kontrolle im Kino: Der Einlassdienst prüft, ob FSK-Freigabe und Kindesalter übereinstimmen. Bildrechte: imago images / Frank Sorge

Im besten Fall hat das Kind bereits einen Reisepass oder einen Schülerausweis oder ein Monatsticket, aus dem das Alter eindeutig hervorgeht. Diese "sechs Jahre" werden nämlich durchaus taggenau ernst genommen, wenn der Einlassdienst das Gefühl hat, das FSK-Freigabe und Kindesalter nicht wirklich korrespondieren. Man tut also gut daran, dafür zu sorgen, dass mögliche Zweifel ausgeräumt werden können oder gar nicht erst entstehen. Also Brust raus, coole Kappe und ein aufgewecktes Gesamtbild: Das Kind wäre über jeden Zweifel erhaben. Das Mauerblümchen, das in den Kinosaal reingetragen werden muss, könnte hingegen zu Nachfragen führen.

Wenn die Zweifel nicht ausgeräumt werden können - so steht es in der Gesetzeskommentierung - dann sind die Betreiber tatsächlich gehalten, den Einlass zu verweigern.

Stefan Linz, Geschäftsführer FSK

 

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Ramm am Nachmittag | 12. April 2023 | 16:40 Uhr

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