Ein Junge isst Donuts.
Die Ursachen für Übergewicht liegen aktuell nicht allein in unseren Erbanlagen, sondern auch in den veränderten Lebensbedingungen der Kinder. Bildrechte: IMAGO / ingimage

Richtig abnehmen Ist mein Kind zu dick? Wie Sie es erkennen und was Sie dagegen tun können

16. Mai 2023, 17:00 Uhr

Übergewicht loszuwerden, ist für Eltern und Kinder ein mühsames Unterfangen. Erziehungsberaterin Nora Imlau, hat Tipps, wie die Ernährung und die Bewegung des Kindes beeinflusst werden können und welche Gefahren es gibt. Außerdem klärt sie über mögliche Therapien auf, was von Diäten zu halten ist und warum es so wichtig ist, dass sich dicke Kinder ihr Selbstwertgefühl zurückerobern. Die Eltern können sie dabei stark unterstützen.

Nora Imlau
Bildrechte: Maria Herzog

Was sind die Ursachen für Übergewicht?

Laut einer Umfrage der Deutschen Adipositas-Gesellschaft, hat während der Corona-Pandemie jedes sechste Kind in Deutschland massiv zugenommen. Mediziner berichten zum Teil von Gewichtszunahmen von rund 30 Kilogramm in nur sechs Monaten. Nach dem heutigen Stand der Forschung werden hauptsächlich folgende Faktoren für die Entwicklung von Übergewicht verantwortlich gemacht:

  • ungünstige Ernährung
  • mangelnde Bewegung
  • Erbanlagen

Warum nimmt die Zahl übergewichtiger Kinder zu?

Obwohl die Erbanlagen unser Gewicht beeinflussen, können diese allein nicht die starke Zunahme von Übergewicht in den letzten Jahren erklären: Die Ursachen liegen in den veränderten Lebensbedingungen, die das Bewegungs- und Ernährungsverhalten deutlich beeinflusst haben, wie zum Beispiel:

  • das größere Lebensmittelangebot
  • Werbung
  • eingeschränkte Bewegungsmöglichkeiten für Kinder
  • größeres Fernseh- und Computerangebot

Wie können Eltern mit gutem Beispiel vorangehen?

Ein Mädchen isst einen Hotdoc.
Statt Fast Food, sollten Sie Kindern lieber frische Produkte anbieten. Bildrechte: imago images / Panthermedia

... mit Ernährung

Nur eine langfristige Änderung der Ernährungsgewohnheiten ermöglicht es, dauerhaft abzunehmen. Oft ist ein Umdenken in der Familie nötig. Folgende konkrete Schritte könnten dabei helfen:

  • warme Mahlzeiten zu festen Zeiten und gemeinsam am Tisch einnehmen
  • sich ausgewogen ernähren
  • statt zu Fast-Food und Fertiggerichten zu frischen Prodkten greifen
  • maximal ein Glas Saft am Tag und sonst nur ungesüßte Getränke
  • keine Drinks mit Süßstoff anbieten, diese reizen die Geschmacksnerven für Süßes

Eltern übergewichtiger Kinder müssen Verantwortung übernehmen und Vorbild sein. Es geht nicht darum, den Eltern die Schuld für die Gewichtsprobleme ihrer Kinder zu geben. Stattdessen ist es wichtig, dass die Familien wieder das Gefühl bekommen: Wir schaffen das gemeinsam.

Nora Imlau

... mit Bewegung

Entdecken Sie als Eltern den Spaß an Bewegung und Sport gemeinsam mit Ihren Kindern wieder. Wählen Sie Freizeitaktivitäten, die Spaß machen. Und: Seien Sie Vorbilder. Jede Form von körperlicher Bewegung hilft.

Die Bewegung im Alltag sollte dabei stetig gesteigert werden. Das langfristige Ziel sollte mehr als eine Stunde körperliche Aktivität täglich sein.

Eine chinesische Mutter und Tochter beim Yoga im Freien.
Gemeinsam können die Kinder mit ihren Eltern den Spaß an der Bewegung entdecken. Bildrechte: IMAGO/Blue Jean Images

Tipp für langfristigen Erfolg: Besonders wichtig bei Kindern ist es, die Gewohnheiten nicht auf einmal, sondern Schritt für Schritt zu ändern.

Eltern sollten die die Verhaltensänderungen des Kindes beobachten und loben. Dazu gehören auch schon kleine durchgehaltene Änderungen. Ein Kalender oder Protokoll ist eine sinnvolle Ergänzung zur Erfolgskontrolle.

Zudem gilt: Übermäßiges Fernsehen, Computerspielen und Surfen im Internet sollten ersetzt und im besten Fall verhindert werden. Denn es verhindert Bewegung, Lernen und soziale Kontakte und führt zu einer weiteren Gewichtszunahme.

Wie viel Medienzeit ist gut?

Es gibt einige Dinge, die Sie machen können, um den Medienkonsum Ihres Kindes einzuschränken.

Empfehlung für Medienzeit für Kinder: bis 5 Jahre: max. 30 Minuten am Stück
6 bis 9 Jahre: max. 60 Minuten am Stück

  • Legen Sie mit Jugendlichen gemeinsam ein wöchentliches Zeitkontingent fest, das sie sich selber einteilen können.
  • Sie können diese Regel als Orientierung nutzen: Limitieren Sie die Medienzeit um zehn Minuten pro Lebensjahr am Tag oder um 1 Stunde pro Lebensjahr in der Woche.
  • Suchen Sie gemeinsam eine passende Sendung aus. Vereinbaren Sie mit Ihrem Kind, dass es den Fernseher danach von allein ausschaltet.
  • Bieten Sie in Ihrer Familie Alternativen zum Fernsehprogramm an, wie Gesellschaftsspiele, Gespräche und Vorlesen.
  • Regeln für Handy und Co.: Bitten Sie Ihre Kinder die Geräte bei gemeinsamen Treffen mit Freunden, beim Essen, bei den Hausaufgaben und vor dem Schlafengehen beiseite zu legen.
  • Seien Sie Vorbild mit Ihrer eigenen Mediennutzung.

Wie erklären Sie Ihrem Kind einfühlsam, dass es zu dick ist?

Gewalt auf dem Schulhof - Schülergruppe tritt einen wehrlos am Boden liegenden Jungen
Sollte ihr Kind gemobbt werden, nehmen Sie sich Zeit, mit ihm darüber zu sprechen. Bildrechte: imago/bonn-sequenz

  • Akzeptieren Sie Ihr Kind, wie es ist.
  • Leben Sie dem Kind vor, liebevoll mit dem Körper umzugehen, auch wenn er nicht perfekt ist, und unterstützen Sie Ihr Kind dabei, sich selbst zu mögen.
  • Sagen Sie ihm, dass sie es gerne haben.
  • Heben Sie regelmäßig die guten Eigenschaften Ihres Kindes hervor und die Dinge, die es gut macht.
  • Ermutigen Sie ihr Kind zur Teilnahme an Aktivitäten, die ihm Spaß machen und bei denen es sich wohlfühlt.
  • Messen Sie der äußeren Erscheinung nicht zu viel Bedeutung bei.
  • Dulden Sie keine unschönen Bemerkungen oder Witze über Gewicht oder körperliche Erscheinung.
  • Kritik motiviert nicht. Verzichten Sie darauf.
  • Wenn Ihr Kind Hänseleien ausgesetzt ist, braucht es Ihre Unterstützung. Nehmen Sie sich Zeit, mit ihm darüber zu sprechen.
  • Haben Sie ein offenes Ohr für das Leiden Ihres Kindes.

Was, wenn alle Maßnahmen nicht helfen?

Frau sitzt im Hintergrund am Boden. Im Vordergrund ein Apfel, eine Flasche Wasser und ein Maßband.
Viele Kinder machen bereits mit neun oder zehn Jahren ihre erste Diät. Das kann gefährlich werden. Bildrechte: IMAGO / Panthermedia

Keinesfalls sollten stark übergewichtige Kinder und Jugendliche mit einer Diät versuchen, ihre überflüssigen Pfunde loszuwerden. Denn das kann gefährlich werden. Viele machen bereits mit neun oder zehn Jahren ihre erste Diät. Crash-Diäten können zudem zu Essstörungen führen. Studien mit übergewichtigen Kindern zeigen, dass viele dieser Kinder Essstörungen, wie etwa Bulimie oder Binge-Eating und Adipositas entwickeln.

Bekannt ist auch, dass Diäten oft in Depressionen münden. Die absolute Kontrolle des Hungers, die eine strenge Diät mit sich bringt, und der Misserfolg nach der Diät stellen eine massive psychische Belastung dar.

Ein Kind legt seinen Kopf zwischen die Arme.
Diäten sind für Kinder nicht zu empfehlen, da sie zu Essstörungen oder Depressionen führen können. Bildrechte: IMAGO / Kirchner-Media

Sinnvoll dagegen ist für adipöse Kinder eine Kur mit speziellem Bewegungstraining, Ernährungsunterricht und psychischer Unterstützung unter Einbeziehung der Eltern, damit sich ihr Lebensstil auf Dauer ändert und der Kurerfolg erhalten bleibt.

Wie können Kinderärzte mit Therapien unterstützen?

Zunächst versucht der Arzt herauszufinden, ob eine bestimmte Krankheit das Übergewicht verursacht. Dann stellt er fest, welche Krankheiten körperlicher oder seelischer Art bereits infolge des Übergewichts entstanden sind. In der Regel untersucht er dazu das Kind körperlich und stellt ihm und den Eltern eine Reihe von Fragen.

Möglicherweise stellt der Arzt fest, dass das Kind entwicklungs- oder verhaltensgestört ist oder dass sogar eine Essstörung vorliegt. Im Anschluss wird er mit den Eltern und dem Kind über eine Therapie dieser seelischen Leiden reden. Erst später steht dann die Behandlung des Übergewichts an.

Damit die Therapie Erfolg hat, müssen die Eltern und das Kind wirklich etwas ändern wollen. Ohne diesen Willen ist eine Behandlung sinnlos. Sie haben die Wahl zwischen einer Einzel- oder einer Gruppentherapie oder einer Behandlung im Krankenhaus.

Die meisten Therapien kombinieren Verhaltens-, Bewegungs- und Ernährungstherapien. Weil das Gelernte mit deren Hilfe der Eltern zu Hause fortgeführt werden soll, müssen sie mitarbeiten. Oft werden sie zu gemeinsamen Treffen mit den Kindern, zu Elternabenden und Diskussionsrunden eingeladen.

Die Kinder lernen in der Therapie unter anderem, sich gesünder zu ernähren. Ernährungsspezialisten kochen mit ihnen, begleiten sie beim Einkauf oder inspizieren gemeinsam den heimischen Kühlschrank. Die Kinder lernen und trainieren ein neues Essverhalten, indem sie langsamer und mehrfach kauen.

Sporttherapeuten zeigen einfache Übungen und spannende Spiele. Psychologinnen stärken die Seele der Kinder und üben mit ihnen, wie sie den Hänseleien der anderen begegnen können. Alle Spezialisten gemeinsam bemühen sich darum, den Kindern eine neue Einstellung zu Ernährung und Gewicht zu vermitteln.

Warum eine Therapie helfen kann

Erfolgreiche Therapieverläufe werden vor allem bei Kindern beobachtet, die von Vater und Mutter unterstützt werden. Bewährt haben sich Modelle, in denen die Kinder zunächst ihre Motivation beweisen müssen, beispielsweise durch die Teilnahme an einer wöchentlichen Sportstunde.

Ein Junge läuft beim Hindernislauftraining über Reifen.
Große Schritte können Kinder machen, wenn Sie beim Abnehmen von ihren Eltern unterstützt werden. Bildrechte: IMAGO / Panthermedia

Langfristige Programme bis zu einem Jahr sind erfolgreicher als kurzfristige. Grundsätzlich sollten Verhaltens-, Bewegungs- und Ernährungstherapien miteinander kombiniert sein.

Eltern haben eine starke Vorbildwirkung: Wenn Eltern Sport machen, sich viel draußen bewegen und zum Mittag Mineralwasser statt Cola trinken - warum sollte das Kind dies alles anders machen?

 Fazit

In Deutschland gelten rund zwei Millionen Kinder als übergewichtig, 800.000 von ihnen als adipös. "Corona" habe die Lage noch verschärft, warnen Kinder- und Jugendärzte. Stundenlanges Sitzen vor Computer, Fernseher oder Smartphone, fehlender Sport, kein Treffen mit Freunden – all das schlägt sich auf der Waage nieder.

Eltern sollten hier frühzeitig gegensteuern. Denn betroffene Kinder und Jugendliche kämpfen nicht nur mit ihren Pfunden, sondern auch mit Diskriminierung und Mobbing. Mehr Sportangebote, Ernährungskompetenz, Steuern auf Süßgetränke und Werbeverbote für ungesunde Kinderlebensmittel sind einige Vorschläge zur Prävention.

Gehen Eltern mit einem guten Beispiel und guter Laune voran, haben auch die Kinder und Jugendliche mehr Spaß an der Bewegung.

MDR (jba,fd)

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR um 4 | 16. Mai 2023 | 17:00 Uhr

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