Zukunftsforscher rät Umgang mit Krisen? Lassen Sie sich nicht verrückt machen!
Hauptinhalt
01. September 2022, 13:00 Uhr
Grund, sich Sorgen zu machen, haben wir im Moment genug: Corona, Krieg, Inflation, Energiekrise, Klimawandel. Und dann läuft vielleicht auch privat nicht alles rund. Was kann man machen, um nicht in all den Sorgen zu versinken? Der Publizist und Zukunftsforscher Matthias Horx befasst sich seit Jahren mit Krisen, wie sie auf uns wirken und wie wir darauf reagieren können.
- Was tun, um nicht in Sorgen zu versinken?
- Auf Nachrichten verzichten - eine Lösung?
- Im Schlechten das Gute sehen - geht das?
- Wie können Rückzugsorte aussehen?
- Stark sein und positiv bleiben trotz Krise?
- Wie schaltet man negative Gedanken aus?
Was können wir tun, um nicht in unseren Sorgen zu versinken?
Matthias Horx: Die Antwort darauf ist, so glaube ich, eher paradox. Man muss erst einmal durch diese Weltuntergangsstimmung durchgehen. Dazu muss man wissen, der Mensch hat zwei Hirne. Das eine ist das Großhirn. Damit kann er nachdenken und auch vernünftig nachdenken. Und das Stammhirn ist quasi das Angsthirn. Angst ist etwas, was uns die Evolution mitgegeben hat. Angst will uns wachrütteln, will uns auf etwas hinweisen, das gefährlich werden könnte.
Das ist der wichtige Punkt, dass wir das unterscheiden lernen. Im Zustand der Angst bekommt man ja Herzklopfen. Das geht auch wieder vorbei. Die Frage ist, was danach ist. Und dann gibt es glaube ich, den Ratschlag, sich nicht verrückt machen zu lassen. Dass man auch weiß, dass ein Teil der Angst-Szenarien eben auch aus verschiedenen Medien stammt. Ich glaube, das ist wichtig zu wissen.
Könnte man auf Nachrichten auch mal ganz bewusst verzichten oder weicht man damit Problemen aus?
Nein, ich glaube, das ist eine ganz, ganz wichtige Therapie. Das erleben wir immer bei Menschen, die so in die Röhre starren, wie man das nennt, die sehr viel ins Internet oder ins Fernsehen schauen, die richtig abhängig von negativen Botschaften sind. Dann werden sie auch oft aggressiv, ärgerlich und suchen nach Feindbildern.
Es ist einfach eine Erlösung, mal zu sagen, mich interessiert die große Welt gar nicht. Dann sieht man die Welt mit anderen Augen. Es geht nicht darum, etwas zu beschönigen. Ich bin gegen Optimismus-Propaganda, nach dem Motto: Alles wird gut. Das ist ja auch ignorant.
Es ist einfach auch eine Erlösung, mal zu sagen, mich interessiert die große Welt gar nicht.
Kann man nicht dem Schlechten auch noch etwas Gutes abgewinnen?
Ja. Denken Sie mal an die Gasabhängigkeit. Durch diese Krise lernen wir gerade, dass wir in einer Abhängigkeit sind, die einfach nicht gut ist. Da gibt es zwei Möglichkeiten: Zum einen lernen wir daraus, eben anders mit Energie umzugehen. Das heißt nicht immer nur sparen, sondern das heißt vielleicht auch mehr erneuerbare Energien zu nutzen. Und wir lernen, unsere Welt zu gestalten. Das können wir natürlich nur, wenn wir auch Räume und Bereiche haben, in denen wir uns sicher fühlen können.
Zukunftsängste gehören zum Leben dazu. Rückzugsorte können Nachbarn und Familie sein. Aber Einigeln ist auch keine Lösung. Was tun?
Die schlimmste Form ist ja, das eben ganz viele verängstigte Menschen vereinsamt nebeneinander her leben. Aber wenn man gemeinsam Solidarität erfährt, da erfährt man auch, dass man etwas gestalten kann. Und wenn es nur der Umbau des Dorfgasthofs ist.
Wie schafft man es auch in Zeiten der Krise stark und positiv zu bleiben?
Früher war es der religiöse Glaube: Wenn Menschen verzweifelt waren, haben sie sich in die Transzendenz, in das Göttliche, geflüchtet oder eben Kirchenchoräle gesungen. Das wirkt immer noch. Chorsingen zum Beispiel hat eine unfassbare Wirkung auf die Seele, eine beruhigende Wirkung. Natürlich gibt es jetzt inzwischen ganz viele gute Techniken, die aus anderen Kulturen und Nationen zu uns kommen, wie Meditation und Yoga.
Chorsingen zum Beispiel hat eine unfassbare Wirkung auf die Seele, eine beruhigende Wirkung.
Wie schaltet man die negativen Gedanken im Kopf aus?
Ganz wichtig ist, dass man im Bewusstsein vorankommt und dass man seinen Frieden damit macht, dass die Welt eben nicht immer nur Heil sein kann. Dass wir Zuversicht dadurch üben können, dass wir nicht glauben, alles müsse unbedingt immer sofort heil werden. Und wenn nicht, dann werden wir ganz verzweifelt und wütend. Zuversicht heißt, dass uns auch in schwierigen Zeiten etwas einfällt. In dem Moment, in dem man aus der Welt heraus gefallen ist und keine wirklichen Beziehungen hat, überwiegt eben die Angst.
Das andere ist wirkliche Aufklärungsarbeit. Dass wir uns den Sinn der Krisen vor Augen führen. Auch die Liebe steigt oft in schwierigen Situationen. Dann kann man natürlich sein Medienverhalten ändern. Es gibt inzwischen auch so etwas wie konstruktiven Journalismus. Es gibt Medien in Deutschland, die eben nicht nur negativ berichten und sensationell die Dinge aufputschen. Im Prinzip hat man es selbst in der Hand.
Zuversicht heißt, dass uns auch in schwierigen Zeiten etwas einfällt.
MDR (in,th)
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Der Tag | 31. August 2022 | 10:20 Uhr