Montage einer Solaranlage auf einem Hausdach
Montage einer Solaranlage auf einem Hausdach - aber lieber mieten statt kaufen? Bildrechte: IMAGO / Rolf Poss

Der Redakteur | 21.06.2022 Warum dauert der Anschluss einer Photovoltaik-Anlage ans Stromnetz so lange?

21. Juni 2022, 21:05 Uhr

Viele Thüringer haben seit Monaten eine voll funktionsfähige Photovoltaik-Anlage auf dem Dach, aber der Anschlussnetzbetreiber bekommt die Anlagen einfach nicht ans Netz. Woran liegt das? MDR THÜRINGEN Redakteur Thomas Becker hat nachgefragt.

Die Probleme sind bekannt. Übrigens auch schon lange im für Energie zuständigen Umweltministerium in Erfurt. Auch dort landen die Bürger-Beschwerden über die TEN Thüringer Energienetze GmbH & Co. KG, den hier entscheidenden Akteur, der laut Ministerium für rund 75 Prozent des Thüringer Stromnetzes verantwortlich ist. So habe das Ministerium zuletzt mehrfach Gespräche genutzt, "um Schritt für Schritt bessere Lösungen im Sinne der Bürgerinnen und Bürger anzustreben", so ein Ministeriumssprecher. Im Ergebnis wurden seit 2021 zumindest das Personal zur Bearbeitung von Anträgen aufgestockt und Prozesse gestrafft.

Das bestätigt auch TEN-Sprecher Martin Schreiber MDR THÜRINGEN. Allerdings liege derzeit bei kleineren Anlagen das Antragsvolumen beim Vierfachen, bei größeren Anlagen beim Zehnfachen des ursprünglichen Volumens, ohne dass analog dazu sofort ausreichend Mitarbeiter eingestellt werden konnten. Es sind ja nicht nur "Bürotätigkeiten", es müssen von den Experten die durch die neue Anlage entstehenden Auswirkungen auf das Netz simuliert werden, und am Ende müssen auch Techniker da sein, die zum Kunden fahren, den Zähler setzen, verplomben und die Anlagen in Betrieb nehmen. Wenn denn der passende Zähler überhaupt verfügbar ist.

TEN baut Antragsportal

Innerhalb der nächsten drei Monate will die TEN wegkommen vom Papierantrag und das über ein Webportal erledigen. Dann sind einerseits die Daten sofort für alle Beteiligten im Unternehmen einsehbar, aber auch der Kunde sieht – ohne nachfragen zu müssen – den Stand der Bearbeitung. Nebenbei bemerkt werden so hoffentlich auch die organisatorischen Probleme bewältigt, von denen die betroffenen Kunden immer wieder erzählen. Dass zum Beispiel Steuernummern und andere Angaben mehrfach abgefragt werden, weil die Antworten irgendwo im Papierstapel untergegangen sind. Wichtiger Hinweis für alle Antragsteller: Den Antrag beim Netzbetreiber so zeitig wie möglich stellen.

Die Beantragung kann auch sofort erfolgen, wenn die Anlage geplant ist und die Eckdaten feststehen. Man muss nicht warten, bis die Anlage fertig ist.

Martin Schreiber Sprecher Thüringer Energienetze GmbH & Co. KG

Somit kann man auf das OK des Anschlussnetzbetreibers, auf den Termin des Installateurs und ggf. fehlende Speicher o.ä. gleichzeitig warten.

Wem gehören die Netze in Thüringen?

Nun ist die TEN zwar der mit Abstand größte Anschlussnetzbetreiber in Thüringen, aber nicht der einzige. Es gibt noch 26 weitere, zumeist sind es Stadtwerke. Wer Glück hat und in einem Netzbereich wohnt, der nicht der TEN gehört, bei dem kann das Thema innerhalb von wenigen Wochen durch sein. Fairerweise muss man aber sagen, dass es manchmal auch bei der TEN schnell geht, wenn es keine Probleme gibt und vor Ort in der Region der Monteur Zeit hat, der den Zähler setzt. Diese Erfahrung hat zumindest Elektromeister Martin Förster im Raum Zeulenroda schon gemacht.

Wenn wir das Material da haben, ist es innerhalb von drei Wochen durch. Vom Antrag bis zur Inbetriebnahme.

Martin Förster Elektromeister EFG - Elektrotechnik GmbH Zeulenroda

Trotzdem ist es hinderlich, dass die Fachleute, die den Zähler setzen, oftmals die gleichen sind, die sich um die Ladesäulen kümmern, die aktuell ja ebenso wie Pilze aus dem Boden schießen. Und das Thema Fachkräftemangel ist ein riesiges Thema auch in dieser Branche. Die TEN bzw. deren "Mutter" TEAG bildet zwar selbst aus, aber dankbare Abnehmer der fertigen Azubis gibt es auch über Thüringen hinaus.

Wo sind die Flaschenhälse?

Es gibt eine ganze Reihe davon. Zunächst ist es viel Papier, das man ausfüllen muss. Die Daten müssen erfasst werden, es kommt zu Rückfragen, das sind Prozesse, die etwas aus der Zeit gefallen sind. Eine IT-Lösung über Web-Eingabe lohnt sich bei der TEN natürlich eher als bei kleinen Stadtwerken, bei denen ein oder zwei Bearbeiter den Antragsanfall aktuell noch gut bewältigen können.

Nächstes Problem: Die Installationsfirmen sind auch noch nicht alle auf der Höhe der Zeit. Besonders neue Anbieter am Markt, die wegen der großen Nachfrage natürlich eine wirtschaftliche Zukunft sehen, machen oft Fehler. Die Netzbetreiber müssen dann nachfragen, gehen auch zu den Firmen um die Kollegen dort zu schulen, damit die Anträge letztlich überhaupt bearbeitungsfähig sind, sagt Hans Ulrich Nager, Geschäftsführer des Netzbetreibers WerraEnergie GmbH.

Das nächste Problem sind die Zähler. Je nach Modell können da auch Monate vergehen von der Bestellung bis zur Lieferung. Und eine Photovoltaikanlage besteht aus verschiedenen Komponenten, nicht nur aus den Solarzellen und ein paar Metern Kabel. Bei den Speichern gibt es Probleme und was es gibt, ist teuer. Bei so mancher Anlage, die von außen einen fertigen Eindruck vermittelt, fehlt aktuell auch noch der Wechselrichter.  

Wir bauen die Module dann schon aufs Dach und die Wechselrichter eben im Winter ein.

Klaus-Peter Gruhner Fachverband Elektro- und Informationstechnik Sachsen/Thüringen

Ist Netz gleich Netz?

Früher war es mitunter üblich, den Stecker des Fernsehers nicht direkt in die Steckdose zu stecken, sondern einen sogenannten Spannungssteller, also einen Transformator dazwischenzuschalten. Damit wurde die Netzeingangsspannung an das Gerät angepasst. Heute sind unsere Netze stabil genug. Wären sie es nicht, würde sich gerade unsere empfindliche IT regelmäßig verabschieden. Die Netzstabilität ist auch der Grund dafür, dass die Netzbetreiber vorher simulieren müssen, welche Auswirkungen eine neue PV-Anlage auf dem Dach auf das Netz in der Umgebung hat. Und zwar wenn die Sonne scheint und auch, wenn nicht.

Wir nutzen Berechnungsprogramme. Mit den Daten der PV-Anlage berechnen wir die Netzverträglichkeit, ob also das Netz die Leistung aufnehmen kann.

Benjamin Kotte Ingenieur Netzbetrieb Strom WerraEnergie GmbH

Hinzu kommt, dass wir in Thüringen mit dem Netzausbau noch deutlich hinter den alten Ländern hinterherhängen. Bayern zum Beispiel hat ein stetig und organisch gewachsenes Netz. Bei uns haben sich z.B. die großen Abnehmer verlagert, zum Beispiel von den Kaligruben zum Erfurter Kreuz, die Elektro-Infrastruktur kann aber nicht mit umziehen, es sind ja nicht nur ein paar Kabel, da hängt noch ein bisschen mehr dran.

Und jetzt steht die nächste Herausforderung an. Das Gaskraftwerk steht nämlich künftig auch nicht mehr an einem Standort, da es künftig auf viele Dächer verteilt ist, und es kann auch nicht mehr so leicht rauf und runtergeregelt werden. Und abhängig von den örtlichen Gegebenheiten gibt es auch ganz unterschiedliche Probleme.

In den ländlich geprägten Netzen habe ich eher Probleme mit der Spannungshaltung an langen Netzausläufern und in den Städten ein Problem mit der großen Leistungsdichte.

Mirko Eisenacher Abteilungsleiter Stromnetze WerraEnergie GmbH

Es ist nämlich physikalisch ein großer Unterschied, ob das nächste Umspannwerk um die Ecke steht oder in zwanzig Kilometern Entfernung. Zwar kommt es nicht oft vor, aber es gibt auch Situationen, da können die nächsten PV-Anlagen nicht so einfach angeschlossen werden. "Bei der Simulation und der Berechnung kommt eben immer mal heraus, dass man etwas tun muss", sagt Martin Schreiber von der TEN. Dabei habe man schon die Investitionskosten ins Netz um 40 Prozent erhöht, um die erneuerbaren Energien auch aufnehmen zu können. Und dazu gehören letztlich auch die Speichermöglichkeiten, die unerlässlich sind für das Gelingen des Umbaus unserer gesamten Energiewirtschaft.

Und da trifft dann plötzlich auch der Strom auf das Gas. Mit Hilfe von "grünem" Wasserstoff, der eben z.B. durch Wind und Sonne und Elektrolyse in Nordthüringen entsteht, in unterirdischen vorhandenen Gasspeichern zwischengelagert wird und in Erfurt dann die Wohnungen heizt. Diese Pilotanlage soll 2025 ans Netz gehen und nur der Anfang sein. Denn die Gas-Infrastruktur kann mit wenigen Anpassungen auch sehr gut für Wasserstoff genutzt werden, einschließlich der meisten Heizungen in unseren Häusern. Wasserstoff wird zum Speichermedium der Zukunft werden, damit unsere Photovoltaik-Anlagen und Windräder immer unter Volllast laufen können. Wenn sie es denn ans Netz geschafft haben.

MDR

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Ramm am Nachmittag | 21. Juni 2022 | 16:40 Uhr

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