Erziehung Pubertät: Wie Eltern ihre Kinder unterstützen können

Nora Imlau
Bildrechte: Maria Herzog

Gefühlschaos, der erste Liebeskummer, Probleme mit dem eigenen Körper: In der Pubertät braucht es neue Wege für ein Miteinander in der Familie, denn Erziehung wie in Kindertagen nützt nichts mehr. Doch wie kommen alle gut durch diese nervenaufreibende Zeit? Erziehungsratgeberin Nora Imlau klärt die wichtigsten Fragen rund um die wilde Zeit der Pubertät.

Ein Mädchen mit Pickeln im gesicht runzelt die Stirn.
Wenn das Leben in der Pubertät aus den Fugen gerät, leiden auch die Eltern darunter. Bildrechte: IMAGO / YAY Images

Pubertät – und alles ist doof

Die Eltern sind doof, die Schule nervt, und das Leben ist fürchterlich anstrengend – das ist die Zeit zwischen elf und 18 Jahren, auch Pubertät genannt. Für die Jungs und Mädchen gleicht das Leben dann einer Baustelle. Die Pubertät ist für Heranwachsende eine Zeit des Zweifelns und der Unsicherheit. Die Pubertierenden fühlen sich nicht mehr als Kind, sind aber auch noch nicht erwachsen.

"Achtung Teenager" steht auf einem Schild an einer Tür.
Die Tür zum "Kinderzimmer" bleibt in der Pubertät oft zu. Bildrechte: IMAGO / MiS

In dieser Zeit kommt einiges zusammen: Gefühlschaos, der erste Liebeskummer, Probleme mit dem eigenen Körper, Sinnkrisen. Viele Eltern stehen dann auf einmal ratlos bis verzweifelt vor ihren einst so süßen Kindern.

Was im Gehirn passiert

Wegen Umbau geschlossen, das trifft den Zustand pubertierender Kinder wohl am besten. Das Gehirn ist während der Pubertät eine Großbaustelle. Da das Gehirn von hinten nach vorne, also vom Kleinhirn zum Stirnlappen reift, ist der vordere Bereich, in dem sich die Areale für Vernunft befinden, viel später fertig. Und dieses für Gefühle zuständige limbische System, der Mandelkern, wirkt in der Pubertät viel stärker und ist für manche Entscheidung wider besseres Wissen gut.

Für manche Eltern ist es entlastend, zu wissen: Sie sind nicht schuld, wenn alles schiefläuft. Es ist der Umbau im Gehirn.

Nora Imlau, Erziehungsexpertin

Warum sich Eltern überfordert und hilflos fühlen

Manche Eltern glauben, sie haben in der Erziehung versagt und zweifeln an sich. Vielen Eltern fehlt in erster Linie der Respekt. "Spießer", "Zicke", "Arschloch" gehört in manchen Familien noch zu den harmlosen Beschimpfungen. Eltern sollten das jedoch nicht einfach überhören, sondern ganz klar "Stopp" sagen. Eltern müssen ihren Kindern klar machen: So reden wir nicht miteinander. Und wenn das nicht ausreicht, sollten sie das Kind aus dem Raum verweisen.

Beginnt die Pubertät immer früher?

Man geht heute davon aus, dass die Pubertät im Schnitt zwei Jahre früher beginnt als noch vor 40 Jahren. Es gibt Mädchen, die schon in der Grundschule ihre Periode bekommen. Auch Jungen können dann schon ihren ersten Samenerguss haben. Folgende Faustregel gilt: Die Vorpubertät dauert von zehn bis zwölf, die Pubertät von zwölf bis 16, die Nachpubertät bis 18.

Wie Eltern den Zugang zum Kind behalten

Ganz wichtig ist es, mit dem Heranwachsenden in Kontakt zu bleiben. Denn die Konflikte haben nichts mit den Eltern zu tun – es ist eben die Pubertät.

Eltern sollten einen klaren Standpunkt beziehen und gleichzeitig loslassen. Sie sollten es ruhig mal aushalten, richtig blöd gefunden zu werden. Auf keinen Fall sollten Mama und Papa ständig fragen: Hast du deine Hausaufgaben gemacht? Kannst du nicht endlich dein Handy ausmachen? Das erzeugt Widerstand und die Kinder machen erst recht zu.

Wann professionelle Hilfe wichtig ist

Sich bei Unsicherheit und Überforderung Hilfe zu holen, ist keine Schwäche. Im Gegenteil: Es zeigt, dass man alles daran setzt, der Verantwortung als Eltern gerecht zu werden.

In folgenden Fällen ergibt Hilfe von außen Sinn:

  • Wenn gar kein gegenseitiges Vertrauen mehr möglich und die Beziehung zum Kind in Gefahr ist. Es ist nun zentral, dass der Kontakt zum Kind nicht vollends abbricht.
  • Wenn Eltern im Umgang mit dem Jugendlichen längerfristig an eigene Grenzen stoßen und nicht mehr wissen, was sie tun können, um die Situation zu verbessern.
  • Wenn es um Kriminalität geht, das Kind also klaut oder anders kriminell ist. Wenn es sich unsozial anderen gegenüber verhält oder sogar gewalttätig wird. Hier muss die Sicherheit aller Beteiligten im Vordergrund stehen.
  • Wenn Eltern psychische Probleme vermuten oder Anzeichen von beispielsweise Essstörungen, Depressionen oder Sucht erkennen.

Wenn es Eltern möglich ist, sollten sie sich die Zeit nehmen und mit ihrem Kind einen Kinder- und Jugendpsychologen aufsuchen. Hilfe finden Eltern unter anderem auch bei den Beratungsstellen der Caritas, dem DRK oder profamilia.de.

Erste sexuelle Erfahrungen

Drei Teenager lachen.
Teenager sprechen lieber mit Freunden als mit ihren Eltern, vor allem beim Thema Sex. Bildrechte: IMAGO / Westend61

Der Zeitpunkt, wann sich Jugendliche für Sex zu interessieren beginnen, ist sehr unterschiedlich. Für Eltern ist es nicht einfach, genau mitzubekommen, ab wann Liebe und Sexualität für ihre Kinder wichtige Themen sind. Schließlich möchten sich die Jugendlichen auch abgrenzen. Sie wollen dann lieber mit anderen Menschen reden, wie z.B. Freunden.

Eltern sollten es also nicht persönlich nehmen, wenn Gesprächsangebote von ihren Kindern abgelehnt werden. Viele Jugendliche empfinden es als peinlich und unpassend, mit ihren Eltern über Sexualität zu sprechen. Es ist viel wichtiger, den Kindern das Gefühl zu vermitteln, dass die Eltern für Fragen und Sorgen zur Verfügung stehen. Das Thema Aufklärung sollte jedoch innerhalb der Familie nicht unter den Tisch fallen gelassen werden.

Corona und Pubertät

In Zeiten der Pandemie ist das Leben von Jugendlichen besonders schwer. Eigentlich wollen sich die Kinder von den Eltern abgrenzen und ihre eigenen Regeln entwickeln. Doch auf Grund der Coronaeinschränkungen müssen sie ständig mit ihren Eltern zusammen sein, obwohl sie sich eigentlich mit Freunden treffen wollen. Der Mangel an sozialen Kontakten macht es für Kinder, aber auch für Eltern und Lehrer schwierig. Die Tage veröden und das wiederum gibt den Kindern das Gefühl, einsam zu sein.

Ein Mädchen mit Laptop auf dem Schoß tippt auf einem Smartphone.
Smartphone und Computer ersetzen die persönlichen sozialen Kontakte. Bildrechte: IMAGO / Westend61

Eltern, die es in dieser Zeit sowieso schon schwer haben, müssen nun noch ihre Kinder dazu anhalten, die Coronaregeln einzuhalten. Hier macht sich ein zusätzliches Konfliktfeld auf. Viele Familien sind damit schlichtweg überfordert, viele Situationen eskalieren nun noch schneller. Hier kann Eltern nur geraten werden, verständnisvoll und möglichst gelassen zu bleiben. So können sie ihren Kindern helfen, möglichst gut durch diese Zeit zu kommen.

Null-Bock auf Schule – wie Eltern unterstützen können

Stures Auswendiglernen ist gerade in der Pubertät, in der das Gehirn neue Impulse braucht, oftmals nicht mehr ausreichend. Hier braucht es andere Lernmethoden. So könnten Jugendliche zum Beispiel zu Geschichts- und Geographiefragen ein Kreuzworträtsel entwickeln und die ganze Familie einbeziehen. Aber auch Spickzettel schreiben ist eine effektive Lernmethode. Fakten können kurz und bündig zusammengefasst werden und prägen sich besser ein. In Klassenarbeiten sollten die Spickzettel dann allerdings nicht mehr verwendet werden.

Es kommt darauf an, Erfolgserlebnisse für Kinder in der Pubertät zu schaffen – insbesondere wenn es in der Schule nicht so gut läuft und die Kinder immer lustloser werden. Erfolgserlebnisse zu sammeln und Anerkennung zu erhalten ist besonders wichtig. So können die Eltern das Selbstwertgefühl der Kinder, das durch schlechte Noten und Probleme in der Schule leidet, verbessern.

Unsere Expertin

Nora Imlau
Bildrechte: Maria Herzog

Leben Nora Imlau

Nora Imlau

Nora Imlau ist Bestsellerautorin (ihr neuestes Buch "Mein Familienkompass" ist im September 2020 im Ullstein Verlag erschienen) und Journalistin für Erziehungsratgeber. Sie bloggt übers Kinderkriegen und Kinderhaben, hält Vorträge und Workshops.

Foto: Maria Herzog

Quelle: Nora Imlau, MDR um 4

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR um 4 | 01. Februar 2022 | 17:00 Uhr

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