Immobilienmarkt Eigene Immobilie für junge Menschen kaum bezahlbar

11. November 2022, 05:00 Uhr

Hohe Immobilienpreise, Baukosten und steigende Bauzinsen machen gerade für junge Familien eigene vier Wände unerschwinglich. Fachleute sprechen schon von einem "Intergenerationenproblem".

Steigende Zinsen – hohe Kreditraten

Binnen weniger Monaten haben sich die Zinsen für Immobilienkredite vervierfacht. Waren für ein Immobiliendarlehen von z.B. 300.000 Euro mit zehnjähriger Zinsbindung noch Anfang des Jahres gerade 1% Zinsen fällig, so sind es aktuell 3,88%. Die Folge: Die Kreditrate zur Abzahlung der Darlehenssumme erhöht sich bei z.B. 2% Tilgung von 750 Euro im Monat auf 1.447,50 Euro, also auf fast das Doppelte. Das bringt viele Bauwillige, die jetzt den Kauf oder den Bau einer eigenen Immobilie planen, in arge Bedrängnis.

"Das heißt zunächst einmal, dass viele von den Käufern, die sich vor wenigen Monaten noch einfach hätten ein Eigenheim leisten können, jetzt als Käufer nicht mehr in Frage kommen, weil die Belastungen zu hoch sind, weil die Lebenskosten gestiegen sind. Selbst wenn sie kaufen wollten, würden sie von der Bank keinen Kredit mehr kriegen", sagt Prof. Steffen Sebastian, Lehrstuhlinhaber für Immobilienfinanzierung von der Universität Regensburg.

Verbraucherzentrale verzeichnet sinkende Beratungs-Nachfrage

Die Folgen spürt auch die Verbraucherzentrale Sachsen in ihren Baufinanzierungsberatungen: "Wir spüren deutlich, dass die Nachfrage gesunken ist. Das ist ja so, wenn Sie höhere Kredite aufnehmen, steigt die Kreditbelastung", so Martina Schröder, die bei der Verbraucherzentrale Sachsen für diesen Bereich zuständige Fachfrau.

Kreditinstitute, wie z.B. auch die Sparkassen, melden einen Einbruch des Baufinanzierungsgeschäftes. Doch noch würden viele Interessenten ihren Traum von den eigenen vier Wänden nicht gänzlich aufgeben, so Grit Kurth aus Zwenkau bei Leipzig, die für den Immobilienfinanzierer Dr. Klein tätig ist, einem der größten unabhängigen Baufinanzierer mit ca. 600 bundesweit tätigen Beratern: "Das, was 2021 noch realistisch war, ist jetzt meistens außer Reichweite. Und gerade für Normalverdiener, die ja auch die gestiegenen Lebenshaltungskosten stemmen müssen, wird es enger. Viele wollen sich dennoch den Wunsch nach der eigenen Immobilie erfüllen. Einige Kunden verschieben ihr Vorhaben erst einmal. Andere sind bereit, sich umzuorientieren: Oftmals sind die nötigen Kompromisse gar nicht so schlimm wie gedacht."

Viele Kaufwillige würden z.B. ihre Suchkriterien in Hinblick auf Lage oder Größe ändern oder entscheiden sich für eine Bestandsimmobilie statt für einen Neubau.

Immobilienerwerb für junge Leute kaum finanzierbar

Experten schlagen Alarm. Gerade für junge Familien würde der Erwerb einer eigenen Immobilie immer schwerer. Vor allem in Ballungszentren mit hohen Immobilienpreisen dürfte er sogar fast unmöglich werden, selbst für gut- und doppeltverdienende Akademikerhaushalte sei die Realisierung des Eigenheimtraumes nicht mehr selbstverständlich, so Prof. Thomas Mayer, Leiter des Flossbach von Storch Research Institute in Frankfurt am Main: "Es ist verdammt schwer, auch insbesondere für jüngere Leute, die ein gutes Einkommen haben und für Familien, die gut verdienen, in diesem Umfeld jetzt ein Eigenheim zu erwerben. Schon eine Eigentumswohnung ist verdammt schwer. Sie müssen erst mal die Hürde überwinden, genügend Eigenkapital zu haben. Jemand Mitte 30, der eine Familie hat, wie soll der mal 200.000 Euro kurz auf die Seite bringen in seinem Job? Auch wenn der Job gut läuft. Das ist ein Intergenerationsproblem, dass sich da gerade abspielt."

Besonders betroffen: junge Menschen im Osten

Vor allem junge Menschen in den neuen Bundesländern seien von dieser Entwicklung betroffen, so Martina Schröder von der Verbraucherzentrale Sachsen: "Wenn man im Osten die geringen Einkommens- und Vermögenswerte berücksichtigt, dann wird es im Osten noch schwieriger, sich den Traum von den eigenen vier Wänden zu erfüllen."

Doch woran liegt es genau, dass der Erwerb immer schwerer wird? Es liegt am Zusammenspiel der steigenden Zinsen mit drei weiteren Gründen:

  • hohe Immobilienpreise
  • hohe Baupreise
  • geringes Eigenkapital 

Um diese Gemengelage zu verdeutlichen, blicken wir zurück in den Osten der 1990er-Jahre. Endlich konnten Ostdeutsche ihren Traum vom Eigenheim verwirklichen, ohne Zuweisung sogenannter Baubilanzen, mit denen Familien in der DDR der Bezug von Baumaterialien ermöglicht wurde, die es dann in der Regel doch nicht gab. Und bauen musste man ohnehin in Eigenleistung. Baufirmen, die Eigenheime errichteten, gab es in der DDR de facto nicht.

Nach der Wende erfolgte dann ein starker Bauboom. Städte und Gemeinden wiesen Baugebiete aus, Baufirmen schossen aus dem Boden, endlich konnte gebaut werden – und es wurde gebaut.

Steigende Immobilienpreise

Unmittelbar nach der Wende stiegen zwar auch im Osten die Immobilienpreise, vor allem in ostdeutschen Ballungszentren. Dennoch lagen sie selbst hier relativ günstig, nimmt man West-Städte mit vergleichbarer Größe zum Maßstab.

Das galt bis zur Finanzkrise 2007/2008 und sogar noch darüber hinaus, ehe auch im Osten die Immobilienpreise explodierten, vor allem für Bauland. Ein Beispiel dafür sind die Leipziger Ortsteile Lindenthal, Wiederitzsch und Mockau. Hier lagen die Preise für Eigenheimbauland noch im Jahr 2010 zwischen 75 und 100 Euro pro Quadratmeter, aus heutiger Sicht ein günstiger Preis. Denn aktuell sind etwa 350 Euro fällig, eine Verdrei- bis Vervierfachung innerhalb von nur zwölf Jahren. Während sich die ostdeutschen Löhne in diesem Zeitraum (2010 bis 2022) nur um 40% erhöhten, stiegen also in bestimmten Hotspots die Baulandpreise um 250 bis 350%.   

  

Steigende Baupreise

In den 1990er-Jahren waren insbesondere die Preise für Bauleistungen, also für Handwerker, vergleichsweise günstig. Das lag auch an der Arbeitsmarktlage und den geringen Löhnen im Osten. Trotz Bauboom stiegen die Baupreise von 1990 bis 1995 laut Statistischem Bundesamt um etwa 17%, während sie von 1995 bis 2005 sogar nahezu stagnierten. Von 2005 bis 2010 stiegen die Baupreise um etwa 15%, so die offizielle Statistik.  

Man könnte auch sagen: Von 1990 bis 2010 stiegen die Baupreise moderat, während sie ab 2010 rasant nach oben gingen, insbesondere in den letzten beiden Jahren. So beträgt der Anstieg von 2010 bis heute 69%, allein von August 2021 bis August 2022 stiegen die Baupreise um 16,5% und damit mehr als in den Jahren 1995 bis 2010 zusammengenommen.   

Stichwort Eigenkapital

Das Problem für die meisten Menschen: das Geld. Um eine Immobilie erwerben zu können, sind in der Regel 20 bis 30% Eigenkapital nötig. Das heißt, 20 bis 30% der Gesamtkosten sollten durch eigene Mittel, sprich Sparguthaben, finanziert werden. Es war schon immer für junge Familien schwer, diese Summen anzusparen, verdienen sie doch in den ersten Berufsjahren vergleichsweise wenig. Außerdem fällt in diese Zeit meist auch noch die Familiengründung mit der Geburt und Betreuung von Kindern.

Das nötige Eigenkapital anzusparen war in den letzten Jahren viel schwieriger als noch in den 1990er-Jahren. Denn wegen der extrem niedrigen Zinsen (Nullzinspolitik der EZB) gab es für Sparguthaben de facto keine Sparzinsen. Durch die rasant steigenden Immobilienpreise kamen zudem viele Familie mit dem Ansparen gar nicht hinterher. Es wurden immer höhere Summen für das nötige Eigenkapital fällig.

In den 1990er-Jahren war die Lage noch günstiger. Zwar waren damals die Bauzinsen mit ca. 8% noch viel höher als heute, sanken aber gegen Ende der 1990er-Jahre massiv auf etwa die Hälfte. Gleichzeitig gab es noch hohe Sparzinsen von 5% bis 7%. So konnten auch junge Familien, die meist weniger von Arbeitslosigkeit betroffen waren als die Ü-50-Generation, fürs Häuschen im Grünen oder für eine Eigentumswohnung sparen.

Zwar haben sich die durchschnittlichen Einkommen im Osten deutlich erhöht, von 21.031 Euro im Jahr 1995 auf 37.333 Euro im Jahr 2022, gleichzeitig stiegen die Preise für Immobilien, Handwerker oder Baumaterialien in einem viel größerem Maße.

Schlechtere Vorzeichen als vor 15 Jahren

Von 1995 bis 2005 waren die Bedingungen für den Bau eines Eigenheims gänzlich anders als aktuell. In diesem Zeitraum stiegen die Löhne im Osten zwar nur um 17%, gleichzeitig waren die Sparzinsen hoch, die Bauzinsen halbierten sich von acht auf etwa 4% und die Baupreise stagnierten.

Heute verfügen Bauherren zwar über höhere Einkommen, gleichzeitig aber sind die Sparmöglichkeiten zur Bildung von Eigenkapital gering, Bau- und Immobilienpreise sind geradezu explodiert und die gestiegenen Bauzinsen von 1 auf über 4% binnen eines Jahres machen viele Bauvorhaben unbezahlbar. 

Martina Schröder von der Verbraucherzentrale rät deshalb zu einem realistischen Blick auf die eigenen Pläne: "Wer nicht genügend Eigenkapital besitzt und wenn die Bonität nicht passt, dann sollte man Abstand vom Vorhaben nehmen."

Banken agieren strenger

Trotz der schlechten Aussichten nennt Grit Kurth von Dr. Klein auch zwei Punkte, die heute besser seien als früher. Zum einen sind die Interessenten besser informiert und zum anderen achten auch die Banken besser darauf, ob eine Baufinanzierung langfristig überhaupt tragbar ist: "Wir stellen fest, dass die Banken genauer hinsehen, vor allem beim Immobilienwert. Mitunter ziehen sie die Maximalgrenze, zu der sie die Immobilie beleihen, schon etwas niedriger als früher. Das heißt, dass sie nicht jeden Kaufpreis für gerechtfertigt halten. Das ist bereits seit der Corona-Krise der Fall. Aktuell berechnen die Banken die Lebenshaltungskosten anders als vor der hohen Inflation und setzen höhere Pauschalen an. Das ist keine Schikane, im Gegenteil: Damit stellen sie sicher, dass die Kreditnehmer nicht wegen hoher Energie- oder Lebensmittelpreise ins Straucheln geraten und die Finanzierung solide ist."

MDR Wirtschaftsredaktion

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | Umschau | 26. Oktober 2022 | 20:15 Uhr

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