Finanzexperte gibt TippsWie Mobilität preiswerter werden könnte
Fast 50 Millionen Pkw sind in Deutschland zugelassen. Allerdings ist ein Auto nicht für jeden sinnvoll. Wann auf ein eigenes Auto verzichtet werden sollte und wie im Fall des Falles ein günstiger Pkw zu finden ist, erklärt Finanzexperte Hermann-Josef Tenhagen.
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Seit 20 Jahren verändert sich die private Mobilität rapide. War die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts davon geprägt, dass jede und jeder in Deutschland ein eigenes Auto haben wollte, werden seither immer stärker Modelle ohne eigenes Auto diskutiert. Auch wenn in Deutschland tatsächlich fast 50 Millionen Pkw herumfahren, davon über 43 Millionen Autos privat.
Umwelt, Wirtschaftlichkeit, Gesellschaft
Bei der Diskussion geht es einerseits um ökologische Fragen, denn weniger Autos sorgen für weniger Umweltverschmutzung.
Andererseits geht es um wirtschaftliche Fragen: Warum muss ich ein Auto besitzen, dass 23 Stunden doch nur herumsteht und bei dem ich Parkplatz oder Garage womöglich zusätzlich bezahlen muss?
Und es geht auch um gesellschaftliche Fragen: Wie viel Raum wollen wir in den Städten den Autos einräumen? Gibt es nicht auch andere Möglichkeiten von A nach B zu kommen? Und was kostet uns das Auto als Gesellschaft jenseits von Sprit und Verkehrstoten?
Aktuell tobt die Debatte wieder besonders heftig, weil
- Verbrenner-Autos nicht nur durch Abgase die Umwelt verschmutzen, sondern - wie wir immer stärker begreifen - auch das Klima massiv schädigen. 60 Prozent der CO2-Emissionen des Verkehrs stammen von Pkw.
- Autos teurer für den Einzelnen werden, weil zum steigenden Kaufpreis von Neu- und Gebrauchtwagen immer stärker andere Komponenten der Betriebskosten kommen – also zum Beispiel die Spritkosten.
- Autos unsere Abhängigkeit vom Kriegsherrn Putin oder den Despoten am Persischen Golf erhöhen.
- Und der Kampf um den Platz in den Städten gerade erst begonnen hat. Wem gehören die Straßen und Wege: den Autos, den Kindern oder den Ruheständlern? Ein Drittel der Verkehrstoten sind heute Senioren. Mehr als die Hälfte davon stirbt zu Fuß oder auf dem Rad.
Angesichts der heftigen Debatten stellen sich immer mehr Menschen die Frage, ob ein eigenes Auto die richtige Antwort auf ihre Mobilitätsbedürfnisse ist. Und wenn doch, welches?
Drei Fragen zum eigenen Auto
Die Frage können Sie in drei Schritten prüfen:
- Brauche ich ein Auto? Das heißt, kann ich die notwendigen Wege nur mit einem motorisierten fahrbaren Untersatz bewältigen?
- Wenn ja, muss es ein Auto mit Verbrennungsmotor sein oder ist für mich auch ein richtiges E-Auto denkbar? Gibt es Ladestationen dort, wo ich sie brauche?
- Muss es ein eigenes Auto sein oder könnte es funktionieren, ein privates Auto zu teilen? Funktioniert für mich kommerzielles Carsharing oder auch Leasing und gibt es das am Wohnort?
CarsharingCarsharing wird mittlerweile in 950 Kommunen in Deutschland angeboten, darunter auch in vielen Städten in Mitteldeutschland. Fast die Hälfte aller Städte mit 20.000 bis 50.000 Einwohner hat inzwischen ein Carsharing-Angebot. Auch Modelle des nicht professionellen Auto-Teilens von Bürgern sind in mitteldeutschen Städten wie Dresden und Leipzig sogar vergleichsweise populär.
Ein Auto kostet
Zur Beantwortung der Frage gehört zentral die wirtschaftliche Komponente. Die Kosten eines Autos bestehen aus Anschaffungskosten, Fixkosten - etwa für Versicherung und Steuer - und Betriebskosten für Benzin, Reifen und Wartung.
Weil die Anschaffungskosten mehr als die Hälfte der Gesamtkosten ausmachen, sollte man sich die Anschaffung des nächsten Autos genau überlegen. Der ADAC rechnet, dass wegen der Anschaffungskosten die Kosten pro gefahrenem Kilometer bei Neuwagen schnell bei mehr als 70 Cent liegen, bei Gebrauchtwagen eher bei 40 Cent.
Wann ein Auto unsinnig ist
Wenn Sie im Jahr weniger als 5.000 Kilometer fahren, ist das eigene Auto wirtschaftlich fast immer unsinnig. Und auch bei Kilometerleistungen zwischen 5.000 und 10.000 Kilometer kann es sein, dass Kombinationen von Carsharing, Taxi, Nahverkehr und Fahrrad die Transportaufgaben deutlich preiswerter erledigen.
Wenn Sie festgestellt haben, dass Sie ein eigenes Auto brauchen, weil Sie auf dem Land leben, der ÖPNV bei Ihnen nicht funktioniert und Sie jeden Tag hin und zurück 80 Kilometer zur Arbeit fahren – dann beschäftigen Sie sich mit der Modellfrage.
Darf es ein E-Auto sein?
Dieses Jahr gibt es noch bis zu 9.000 Euro Kaufprämie für ein neues E-Auto und bis zu 6.500 Euro für einen Plug-In-Hybrid.
Weitere bedenkenswerte Punkte: Haben Sie womöglich schon ein Solardach, mit dem Sie ein E-Auto zu Hause selbst aufladen können? Stellt Ihre Firma den Strom an der Ladestation auf dem Firmenparkplatz günstig oder kostenlos zur Verfügung? Bekommen Sie schon die 300 Euro Extra-Prämie, die Vermarkter jedes Jahr zahlen, weil Ihr Auto eben keine klimaschädlichen Gase ausstößt?
Welches Modell passen kann und wo es zu finden ist
Natürlich ist die Frage des Modells wichtig. Brauchen Sie einen Kombi oder ein innen geräumiges Auto? Oder tut es auch ein Kleinwagen? Ein großes E-SUV ist nur wegen des E und der Förderung keine ökologische Maßnahme, vom Preis ganz abgesehen.
Prüfen Sie mithilfe von Autoportalen, wo es in Deutschland günstige Modelle gibt, die Ihren Anforderungen gerecht werden. Preisunterschiede von 20 bis 30 Prozent für gleichwertige Autos sind möglich, Preisnachlässe bei Neuwagen auch.
Gebrauchtwagenhändler aufsuchen
Wenn ein E-Auto für Sie nicht sinnvoll ist oder Sie sich das Auto trotz der Prämie nicht leisten können, kaufen Sie einen gebrauchten Verbrenner. Vergleichen Sie auch hier auf den Vergleichsportalen. Wenn Sie Zeit haben, schauen Sie regional bei den Gebrauchtwagenhändlern, ob dort Modelle im Angebot sind und wie lange schon.
Konfrontieren Sie die Händler von Neu- und Gebrauchtwagen mit Angeboten aus dem Netz, das ist eine gute Verhandlungsgrundlage. Modelle, die nur aus Farb- oder Ausstattungsgründen schon lange auf dem Hof des Händlers stehen, bieten oft zusätzliche Chancen für ein Schnäppchen.
Barzahlung ist bei Händlern beliebt
Verhandeln Sie erst den Preis mit dem Händler, gehen Sie dabei von einer Barzahlerfiktion aus. Barzahlung ist dem Händler oft am liebsten und ergibt für den Käufer oft die besten Preise. Wenn Sie sich über den Preis geeinigt haben, können Sie mit dem Händler immer noch über alternative Finanzierungsmöglichkeiten reden. Oft genug haben Händler eine günstige Finanzierung mit im Angebot. Achten Sie aber unbedingt darauf, dass Ihnen im Rahmen der Finanzierung keine Restschuldversicherung (Kreditsicherheit, Kreditairbag etc.) untergeschoben wird. Solche Versicherungen sind oft sinnlos und viel zu teuer.
Bei der Kreditfinanzierung gibt es noch eine weitere Falle. Sie heißt Ballon-Finanzierung. Sie zahlen in den ersten Jahren nur kleine monatliche Raten und sollen dann am Ende eine hohe Schlussrate aufbringen. Das ist nur dann eine gute Idee, wenn Sie genau zu diesem Zeitpunkt über genug Extra-Geld verfügen, eine sichere Erbschaft oder andere Auszahlung.
Auch der Preis eines Auto-Abos (Leasing) kann ganz schön ins Kontor schlagen. Und: Das Auto gehört weiter dem Hersteller, Händler, dem Vermieter oder der Bank. Und wenn Sie nach drei Jahren Leasing das Anschlussmodell nicht beim gleichen Autoverkäufer wählen, hat es schon Händler gegeben, die bei der Abnahme des Leasing- oder Abofahrzeugs besonders viele kostenträchtige Mängel entdeckt haben.
Unser Experte
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Dieses Thema im Programm:MDR FERNSEHEN | MDR um 4 | 19. April 2022 | 17:00 Uhr