Privat oder gesetzlich?Welche Krankenversicherung passt zu mir?
Wenn das Gehalt steigt oder der Beitrag teurer wird, schauen sich viele die Tarife der privaten Krankenversicherung an, weil die günstiger scheinen. Wir vergleichen Leistungen und Kosten. Doch kann man sich die Beiträge auch im Alter noch leisten? Wie gelingt ein Wechsel in die private Krankenversicherung und wieder zurück? Was muss man dabei beachten? Und lohnt sich auch ein Wechsel zwischen den verschiedenen, gesetzlichen Krankenkassen? Wir fragen den Finanzexperten Hermann-Josef Tenhagen.
Doch was macht eine gute Krankenversicherung aus? Sicherlich der Schutz im Krankheitsfall. Dabei sind die Basisleistungen der gesetzlichen Krankenkassen ganz ordentlich und zudem gleich. Das heißt, so schlecht kann man in der gesetzlichen Krankenkasse nicht versichert sein. Doch auch hier geht es natürlich besser.
Die Kosten der Krankenkassen richten sich ja normalerweise nach dem Bruttogehalt. Alle gesetzlichen Krankenkassen verlangen mindestens 14,6 Prozent vom Bruttogehalt von ihren Mitgliedern. Hinzu kommt inzwischen in allen Bundesländern, also auch in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen immer ein Zusatzbeitrag. Dessen Höhe ist aber von Kasse zu Kasse unterschiedlich. Beitrag und Zusatzbeitrag trägt zur Hälfte der Arbeitgeber mit.
Die preiswerteste Kasse, die HKK verlangt 0,39 Prozent Zusatzbeitrag, macht dann insgesamt einen Beitragssatz von 14,99 Prozent, grob gerechnet 15 Prozent. Die teuersten Kassen in den Bundesländern verlangen bis zu 16,4 Prozent.
Beispielrechnungen:
- Für den Rentner mit 1.000 Euro Rente macht das 14 Euro Unterschied im Monat, die Hälfte trägt die Rentenkasse. Der Rentner hat also im schlimmsten Fall 12 mal 7 Euro in der Tasche. Übers Jahr macht das immerhin 84 Euro.
- Bei 2.000 Euro Brutto verdoppelt sich der Betrag. Und Gutverdiener mit 4.800 Euro Brutto zahlen übers Jahr 336 Euro drauf, der Chef noch einmal genauso viel. Bei Finanztip aktualisieren wir regelmäßig eine Liste der preiswertesten Kassen je Bundesland.
- Der Blick auf die Kosten der Kasse lohnt sich also. Und wenn die größte deutschen Krankenkasse, die Techniker, den Beitrag um ein halbes Prozent erhöht, fehlen in der Kasse des Gutverdieners am Jahresende 120 Euro, genau so viel zahlt sein Arbeitgeber drauf.
- Die AOK Sachsen-Anhalt, über Jahre die preiswerteste Kasse der Republik, hat den Beitrag sogar um 0,6 Prozent erhöhen müssen auf insgesamt immer noch günstige 15,2 Prozent. Aber für den Gutverdiener sind das 144 Euro mehr.
Die Beiträge vieler Kassen steigen wegen Corona – zum einen wegen der Leistungen für die Pandemie, vor allem aber, weil Menschen, die arbeitslos oder in Kurzarbeit sind, weniger Beiträge zahlen. Schon bei gleichen Kosten müssen dann alle Mitglieder höhere Beitragssätze zahlen.
Mehr Leistung fürs gleiche Geld: Die besten bundesweit offenen Kassen
Auf den Beitrag allein kommt es aber nicht an. Wer Wert auf eine regelmäßige Zahnreinigung legt und die zweimal im Jahr von seiner Kasse bezahlt bekommt – das tun mache Kassen – der spart auf die Art weit über 100 Euro im Jahr.
Wer schwanger ist und die Hebammenrufbereitschaft schätzt, wird nicht auf ein paar Zehntelprozent vom Beitrag gucken, wenn die eigene Kasse das leistet.
Wer die Zweigstelle der Krankenkasse im Ort gern persönlich aufsucht, um mit den dortigen Sozialversicherungsfachangestellten komplizierte Leistungsfragen zu klären, der braucht auch bei der neuen Kasse ein solches Büro vor Ort.
Und wer beruflich oder privat hin und wieder in die Tropen reist, schätzt eine Kasse, die die teuren Impfungen vor den Reisen bezahlt.
Weil in der Krankenkasse häufig Kinder oder Ehepartner kostenlos mitversichert sind, sollten Mitglieder vor dem Wechsel auch deren Vor- oder auch Nachteile im Auge behalten.
Finanztip vergleicht jedes Jahr die Leistungen der überregionalen Kassen, besonders leistungsstark sind 2021 die IKK Classik, die HEK, die BKK24 und die Siemens Betriebskrankenkasse SBK. Details zum Leistungsvergleich finden Sie hier.
Vorm Wechsel kann man schließlich die ins Auge gefasste neue Kasse einfach fragen, ob sie die gewünschten Leistungen auch im gewünschten Umfang bietet.
Wie funktioniert ein Wechsel der Kasse?
Das Wechseln selbst ist seit diesem Jahr ganz einfach, so einfach wie beim Stromvertrag. Sie sagen einfach der neuen Kasse: "Ich will zu Ihnen". Die erledigt dann den ganzen Formkram, inklusive der Kündigung bei der alten Kasse und der Benachrichtigung des Arbeitgebers.
Wenn Sie sich beeilen und das noch im Januar erledigen, können Sie zum 1. April in der neuen Kasse sein.
Wenn es Ihnen dort dann nicht gefällt, können Sie nach 12 Monaten wieder wechseln ohne irgendwelche Gründe angeben zu müssen.
Ist es günstiger, sich privat zu versichern?
Wenn die Beiträge steigen, schaut manches Kassenmitglied, ob eine private Krankenversicherung nicht günstiger ist. Das kann sie sein, vor allem für jüngere Gutverdiener. Denn die Beiträge der privaten Krankenversicherung richten sich nicht nach dem Einkommen, sondern nach geschätzten Kosten für ihre künftigen Gesundheitskosten. Deshalb sind auch bei weitem nicht alle privaten Krankenversicherungen leistungsstark, oft gibt es große Lücken bei den Leistungen. Bevor Sie einen solchen Vertrag abschließen, prüfen Sie die Leistungen genau.
Genauso wie die Kostenkalkulation dazu führt, dass jüngere Gutverdiener zeitweise sparen, bedeutet es, dass Ältere auch und gerade in der Rente trotzdem sehr hohe Beiträge zahlen müssen, die manchen Rentner überfordern. Und anders als bei der Krankenkasse muss einen nicht jede Krankenversicherung nehmen, ist der Wechsel der Krankenversicherung vor dem 55. Geburtstag oft teuer und nach dem 55. Geburtstag rechtlich unmöglich.
Wichtiger HinweisIn der privaten Krankenversicherung gibt es keine Familienversicherung. Für jedes Familienmitglied muss ein eigener Vertrag abgeschlossen werden und auch eigens bezahlt werden, auch für Kinder.
Trotzdem ist nicht zu bestreiten: Es gibt sehr gute Verträge in der privaten Krankenversicherung mit Leistungen, die über das hinausgehen, was die gesetzliche Krankenkasse zahlt. Sie müssen sich einen solchen Vertrag nur ein Leben lang leisten können.
Wirtschaftlich attraktiv sind private Krankenversicherungen nur für Beamte und ihre Angehörigen. Das liegt daran, dass der Staat schon vorher einen großen Teil der Arztrechnungen bezahlt, das heißt Beihilfe. Die Krankenversicherung muss nur noch für den Rest aufkommen und kann dementsprechend preiswerter kalkulieren.
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Dieses Thema im Programm:MDR FERNSEHEN | MDR um 4 | 26. Januar 2021 | 17:00 Uhr