Volle Rente und volles Gehalt Geldsegen für ältere Arbeitnehmer
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Wer vorzeitig in Ruhestand gehen könnte, aber noch arbeitet, hat in diesem Jahr die einmalige Gelegenheit, Lohn und Rente ganz legal gleichzeitig zu beziehen. Das bringt 10.000 Euro und mehr – wenn man sich jetzt beeilt!

Sie sind 63, 64 oder 65 Jahre alt, haben einen Job und wollen auch weiter arbeiten wie bisher? Sie haben aber auch genügend Versicherungsjahre, um vor der gesetzlichen Altersgrenze Rente zu beziehen? Dann kassieren Sie doch beides: vollen Lohn oder Gehalt und die volle Rente dazu! Dank des Corona-Sozialschutzpaketes ist das 2020 möglich. Es winken 10.000 bis 20.000 Euro zusätzlich! Wer bis zum 30. Juni handelt, bekommt die Rente sogar rückwirkend ab 1. Januar.
Worum es geht
Die aktuelle Regelaltersgrenze liegt derzeit bei etwa 66 Jahren (abhängig vom Geburtsjahrgang der Versicherten). Wer so alt ist, wird ein sogenannter Regelaltersrentner und darf unbegrenzt hinzuverdienen. Dafür muss in der Regel eine neue Tätigkeit gesucht werden, denn viele Arbeitsverhältnisse enden automatisch mit dem Erreichen der Regelaltersgrenze. Arbeiten trotz Ruhestand machen aber nur einige, zum Beispiel, wenn die Rente zum Leben nicht reicht. Die meisten genießen den Ruhestand ohne Job.
Es gibt jedoch zahlreiche ältere Arbeitnehmer, die 63, 64 oder 65 Jahre alt sind und gern schon Rente beziehen würden, aber gleichzeitig noch etwas arbeiten wollen. Bislang lohnte sich das oft nicht. Denn wer vor der Regelaltersgrenze in Rente geht, darf nur bis zu einer bestimmten Höhe hinzuverdienen. Das gilt zum Beispiel, wenn jemand besonders langjährig rentenversichert war (45 Jahre) und ohne Abschläge in Rente gehen konnte. Bei weniger als 45 Jahren ist zwar auch eine frühere Altersrente möglich, aber nur mit Rentenabschlägen. Für diese Rentner lag die Hinzuverdienstgrenze bisher bei 6.300 Euro im Jahr, umgerechnet also bei 525 Euro im Monat. Wer mehr verdiente, dem wurde die Rente gekürzt. Das heißt dann Teilrente und das gesamte Modell von Arbeit und Frührente nennt man Flexirente.
Sozialschutzpaket bringt Geldsegen für "Flexirentner"
Am 25. März beschloss der Deutsche Bundestag ein Sozialschutzpaket zur Linderung der wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise. Es ging um Kurzarbeitergeld, den vereinfachten Zugang zur Grundsicherung und zum Kinderzuschlag oder um Lohnersatzleistungen im Zusammenhang mit Kita-Schließungen.
Mit diesem Sozialschutzpaket beschloss der Bundestag aber auch eine Regelung speziell für "Flexirentner", die bisher wenig Beachtung fand. So wurde die Hinzuverdienstgrenze von 6.300 Euro auf 44.590 erhöht. Dies ist jedoch befristet: Die höhere Hinzuverdienstgrenze gilt nur vom 1. Januar bis zum 31. Dezember 2020.
Gedacht war diese Maßnahme eigentlich, um in der Corona-Krise Personal aus systemrelevanten Berufen, die schon in Rente sind, leichter rekrutieren zu können, etwa Krankenschwestern, Altenpfleger oder Verkäuferinnen.
Wer profitiert?
Doch nicht nur sie profitieren von der neuen Hinzuverdienstgrenze, sondern alle sogenannten Flexirentner, die noch nicht die gesetzliche Altersgrenze erreicht haben und die weiter arbeiten wollen. Sie können jetzt viel mehr verdienen und können dabei die volle Rente beziehen. Der Hinzuverdienst darf im Jahr dabei nur nicht 44.590 Euro übersteigen, was mehr als der ostdeutsche Durchschnittslohn ist.
Besonders interessant wird es aber für Arbeitnehmer der Jahrgänge 1955 und 1956, die in einem festen Arbeitsverhältnis stehen und noch gar keine Rente beziehen. Sie arbeiten wie bisher weiter, beziehen Lohn oder Gehalt, können aber bei genügend Versicherungsjahren ihre Rente beantragen und diese dank der neuen Hinzuverdienstgrenze meist in voller Höhe beziehen. Selbst da, wo der Lohn oder das Gehalt die Hinzuverdienstgrenze übersteigt, lohnt sich der Rentenbezug, weil die Rente viel weniger gekürzt wird als nach der alten Regel. Wenn 2021 wieder die frühere Hinzuverdienstgrenze von 6.300 Euro gilt, wird die Rente dann entsprechend gekürzt oder fällt weg. Ein Nachteil entsteht aber nicht.
Beispiel 1
Frau Z. ist am 18. Juni 1955 geboren. Da sie 45 Versicherungsjahre nachweisen kann, hätte sie bereits mit 63 Jahren und sechs Monaten, also ab 1. Januar 2019, die abschlagsfreie Altersrente für besonders langjährig Versicherte in Anspruch nehmen können. Ihre Rente hätte dabei ca. 1.500 Euro brutto betragen. Sie hat einen Rentenbezug bisher aber abgelehnt, weil sie mit einem monatlichen Bruttoverdienst von aktuell 3.240,00 Euro noch bis zum 31.Dezember 2020 ihrer Beschäftigung nachgehen und erst ab 1. Januar 2021 in die Rente wechseln wollte.
Der Bezug einer Rente für langjährig Versicherte hätte sich für Frau Z. nach der bisherigen Rechtslage nicht gelohnt. Wegen der Höhe ihres Bruttoverdienstes hätte sie nur eine sehr geringe oder gar keine Rente bekommen. Dank der neuen Hinzuverdienstgrenze sieht es nun anders aus:
Da das Einkommen von Frau Z. mit 38.800 Euro die neue Hinzuverdienstgrenze nicht übersteigt, hat sie sofort Anspruch auf ungekürzte Altersrente, obwohl sie ihrer Beschäftigung weiterhin in vollem Umfang nachgeht. Stellt Frau Z. ihren Rentenantrag bis Ende Juni, erhält sie die Rente sogar rückwirkend ab Januar 2020 nachgezahlt. Bei späterer Antragstellung beginnt die Rente erst im Antragsmonat.
Arbeitet Frau Z. wie geplant bis zum 31.Dezember 2020 in ihrem bisherigen Job, kann sie im gesamten Jahr 2020 zusätzlich zu ihrem Bruttoeinkommen von 38.800 Euro noch 18.000 Euro (zwölf mal 1.500 Euro) Rente beziehen, was einer Einkommenssteigerung von sage und schreibe 46 Prozent entspräche.
Da für die während des Rentenbezugs weiterhin ausgeübte Beschäftigung von Frau Z. Beiträge zur Rentenversicherung gezahlt werden, erhöhen diese ihren Rentenanspruch zusätzlich. Mit dem Erreichen der Regelaltersgrenze von 65 Jahren und neun Monaten – bei Frau Z. ist das am 1. April 2021 – wird die Rente neu berechnet und erhöht sich dann monatlich um etwa 34 Euro.
Beispiel 2
Herr Y. ist ebenfalls im Juni 1955 geboren und könnte auch mit 63 Jahren und sechs Monaten, also ab 1. Januar 2019, die abschlagsfreie Altersrente für besonders langjährig Versicherte in Anspruch nehmen. Sein Rentenanspruch beträgt monatlich 1.800 Euro brutto. Auch er wollte in seinem bisherigen Job weiterarbeiten, der mit 5.000 Euro brutto im Monat gut bezahlt wird.
Nach der bisherigen Rechtslage hätte sich ein zusätzlicher Rentenbezug nicht gelohnt, weil wegen des hohen Bruttoverdienstes von 60.000 Euro im Jahr seine Rente komplett gekürzt, also wegfallen würde.
Geht Herr Y. wie bisher geplant seiner Beschäftigung weiter nach und bezieht dank der neuen Hinzuverdienstgrenze die vorgezogene Rente, dann wird zwar diese gekürzt, allerdings viel weniger als nach der alten Regelung: Von den 1.800 Euro brutto im Monat verblieben ihm ca. 1.285 Euro Rente, also 15.420 Euro im Jahr.
Achtung Stichtag!
Prinzipiell wird eine Rente ab Beginn des Antragsmonats gewährt. Der Bundesverband der Rentenberater weist aber darauf hin, dass es aufgrund der neuen Gesetzeslage möglich ist, innerhalb einer bestimmten Frist die Rente rückwirkend ab 1. Januar 2020 zu beziehen, sofern an diesem Tag bereits die Anspruchsvoraussetzungen für eine (vorgezogenen) Altersrente bestanden haben. Diese Antragsfrist endet am 30. Juni 2020. Wer also bis dahin einen Rentenantrag gestellt hat, könnte für die Monate Januar bis Juni die Rente nachgezahlt bekommen und so für das gesamte Jahr 2020 Lohn oder Gehalt plus Rente in voller Höhe beziehen.
Dank der Rentenzahlungen können sich so Einkommenssteigerungen von 10.000 bis 20.000 Euro im Jahr 2020 ergeben, erklärte der Dresdner Rentenberater Christian Lindner gegenüber dem MDR-Magazin "Umschau".
Ob aufgrund der neuen gesetzlichen Regelung eine Rente rückwirkend zum 1. Januar 2020 gezahlt wird, war bis vor wenigen Tagen nicht sicher. Nach Auskunft von Rentenberatern habe es Fälle gegeben, bei denen sich der Rentenversicherungsträger geweigert hätte, die beantragte Rente ab 1. Januar 2020 rückwirkend zu zahlen.
Inzwischen scheint es in diesem Punkt jedoch Klarheit zu geben. So erklärte Frank Rehbein, der zuständige Referatsleiter bei der Rentenversicherung Mitteldeutschland, gegenüber der "Umschau": "Ja, das ist richtig. Man kann diesen Antrag noch bis zum 30. Juni stellen. Wenn man also in der Zeit vom 1. Januar bis Ende März die Anspruchsvoraussetzungen für die Altersrente erfüllt, dann ist es einfach so, dass man – nachdem das Gesetz Ende März verkündet worden ist – drei Monate Zeit hat, den Antrag zu stellen, und da ist dann einfach der 30. Juni der Ablauf der Frist.".
Der Bundesverband der Rentenberater verweist auf eine interne Handlungsempfehlung der Deutschen Rentenversicherung, die dem Verband vorliegt. Darin heißt es: "Entsteht der Anspruch auf die Altersrente als Voll- oder Teilrente erstmalig infolge der Änderung des Hinzuverdienstrahmens für 2020, ist Zeitpunkt der Erfüllung der letzten Anspruchsvoraussetzung frühestens der Tag der Verkündung der Vorschrift (§ 302 Abs. 8 SGB VI), d.h. frühestens der 27.03.2020. Beantragt der Versicherte also einen Rentenbeginn am 01.01.2020, endet die Antragsfrist erst am 30.06.2020. In diesem Fall hätte der/die Versicherte aufgrund der geänderten Hinzuverdienstgrenze erstmalig einen Anspruch auf Vollrente. Somit geht die Antragsfrist bis zum 30.06.2020."
Formloser Antrag genügt zur Fristwahrung
Da bis zum Ablauf der Antragsfrist am 30. Juni 2020 nur noch wenige Tage verbleiben, dürfte es für Interessenten schwer sein, in den Beratungsstellen der Rentenversicherungsträger einen Antrag zu stellen. Aufgrund der Corona-Situation benötigt man dafür einen Termin.
Dennoch ist die Fristwahrung problemlos möglich. Denn dafür genügt dem Rentenberater Christian Lindner zufolge ein formloser Antrag, der zum Beispiel schriftlich beim Rentenversicherungsträger bis zum 30. Juni 2020 eingehen muss und in dem der Antragsteller lediglich seinen Willen bekundet, aufgrund der neuen Gesetzeslage rückwirkend zum 1. Januar 2020 die Rente beziehen zu wollen.
Frank Rehbein von der Deutschen Rentenversicherung Mitteldeutschland verweist darauf, dass es sogar möglich ist, den Antrag mündlich per Telefon zu stellen, wenn die Zeit knapp wird: "Deswegen ist es in diesem Fall ratsam, erst einmal anzurufen in den Beratungsstellen. Alleine der Anruf reicht dann auch schon bis zum 30.06., dann wird einfach schon mal entgegengenommen, dass ein Antrag gestellt worden ist und damit ist die Frist auf jeden Fall gewahrt."
Mit einem formlosen Antrag ist also die Frist gewahrt. Die eigentliche Antragstellung inklusive Beratung erfolge dann später.
Was ist zu beachten?
Man sollte sich auf alle Fälle beraten lassen und prüfen, ob ein vorzeitiger Rentenbezug zu Rentenabschlägen führt, der dann für die gesamte Rentenbezugsdauer bestehen bleiben würde. Dies gilt insbesondere für jene, die zwar einen Anspruch auf vorgezogene Altersrenten haben, jedoch noch nicht 45 Versicherungsjahre nachweisen können. Möglicherweise kann ein Rentenabzug (0,3 Prozent der Rente pro Monat vorzeitigen Rentenbeginns) aber auch durch die gleichzeitige Berufstätigkeit und damit weitere Zahlung von Rentenbeiträgen ausgeglichen werden.
Außerdem sollte man berücksichtigen, dass – wie allgemein üblich – für die Rentenzahlungen Steuern und Kranken- und Pflegekassenbeiträge fällig werden.
Darüber hinaus sollte man sich den eigenen Arbeitsvertrag genau anschauen und gegebenenfalls mit dem Arbeitgeber sprechen. Denn es gibt auch Arbeitsverträge, die mit dem Bezug einer Vollrente auch dann enden, wenn die Regelaltersgrenze noch nicht erreicht wurde.
In den meisten Fällen sollten Arbeitgeber aber kein Problem damit haben, wenn ihr Mitarbeiter zusätzlich zum Lohn oder Gehalt eine Rente bezieht.
Frank Rehbein von der Deutschen Rentenversicherung Mitteldeutschland verweist in diesem Zusammenhang darauf, dass ein formloser Antrag zur Fristwahrung für Betroffene völlig risikolos ist, weil der Antrag auch zurückgezogen werden kann, sollte sich der vorzeitige Rentenbezug doch nicht als vorteilhaft erweisen. Selbst wenn man bereits einen Rentenbescheid bekommen hat, ist es möglich, den Antrag zurückzuziehen, denn erst mit Ablauf der Widerspruchsfrist wird ein Rentenbescheid rechtlich bindend.
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | Umschau | 23. Juni 2020 | 20:15 Uhr