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Die Bescheide des Finanzamtes sollten genau geprüft werden, entweder persönlich oder von einem Steuerberater. (Symbolbild) Bildrechte: imago images/Shotshop

Der Redakteur | 26.01.2023Steuer: Wieso überweist mir das Finanzamt plötzlich unaufgefordert Zinsen?

26. Januar 2023, 17:27 Uhr

Finanzämter stehen auf Pünktlichkeit. Davon kann der Steuerpflichtige profitieren oder die Finanzbehörde. Sechs Prozent waren da über Jahre fällig. Deutlich zu viel, sagten die Richter des Bundesverfassungsgerichts und legten rückwirkend bis 2019 eine Korrektur fest. Das sorgt für viele Fragen und für viel Arbeit bei Finanzämtern, Steuerberatern und der Post.

Das Bundesverfassungsgericht hat den Gesetzgeber 2021 aufgefordert, statt der sechs Prozent doch bitte realistische Zinsen anzusetzen in diesen Niedrigzinszeiten. Herausgekommen sind nun 1,8 Prozent.

Mehrere Bescheide für verschiedene Jahre und Steuerarten

Und weil das eben rückwirkend gilt, verschicken die Thüringer Finanzämter in diesen Tagen 350.000 Zins-Bescheide, die entweder direkt an die Steuerzahler gehen oder an deren Berater, wenn das so vereinbart ist.

Weil mehrere Jahre und Steuerarten betroffen sind, kommen häufig auch mehrere Bescheide, die alle sorgfältig zu prüfen sind. Von einer Branche, die gerade ohnehin am Limit läuft. Stichwort Grundsteuer.

Muss ich auch Zinsen zurückzahlen?

Wer von sechs Prozent Guthabenzinsen profitiert hat, weil sich das Finanzamt irgendwann einmal zu viel Geld genommen hatte, der muss diese Zinsen nicht zurückzahlen. Hier greift der sogenannte Vertrauensschutz. Trotzdem kann es passieren, dass Nachzahlungen fällig werden. Das passiert immer dann, wenn zum Beispiel die Zinsfestsetzung wegen des laufenden Verfahrens ausgesetzt wurde.

Diese Festsetzung wird jetzt eben zum neuen Zinssatz von 1,8 Prozent nachgeholt. Wichtig ist: Es muss niemand einen Antrag stellen, um die Neuberechnung der Zinsen zu veranlassen. Das geschieht automatisch. Und überwiesen wird auch automatisch, wenn Sie beim Finanzamt Ihre Kontonummer hinterlegt haben.

Dafür waren insbesondere umfangreichen Programmierarbeiten notwendig. In den kommenden Tagen erhalten Bürgerinnen und Bürger ihre Änderungsbescheide von Amts wegen. Die betroffenen Zinsbescheide sind auf den 19. Januar datiert.

Heike Taubert (SPD) | Thüringer Finanzministerin

Wann bekomme ich einen Bescheid?

Einen Zinsbescheid wird es immer dann geben, wenn sich im Rahmen der Neuberechnung im betreffenden Jahr die Höhe der festzusetzenden Zinsen ändert. Entsteht aber bei einer Neuberechnung ein Betrag von weniger als zehn Euro, wird dieser aus verwaltungs­ökonomischen Gründen nicht festgesetzt. Das klingt vernünftig, ist es aber nur zum Teil.

Die Finanzämter verschicken in diesen Tagen viele Tausend Bescheide wegen der Zinskorrektur. (Archivbild) Bildrechte: imago/Bild13

Denn Sie bekommen trotzdem einen Bescheid, in dem Ihnen aber dann zum Beispiel mitgeteilt wird, dass Ihnen theoretisch 90 Cent zustehen, aber diese werden - weil eben unter zehn Euro - auf null Euro abgerundet und nicht ausgezahlt.

In der Regel geht es aber bei den Betroffenen um höhere Beträge, was aber bei vielen leider auch nur eine kurze Freude auslöst. Nicht nur, weil Zinserträge zu versteuern sind, Stichwort Einkommensteuer. Auch ein Steuerberater arbeitet nicht kostenlos.

Warum sollte ein Steuerberater die Bescheide prüfen?

Auf den ersten Blick macht es wenig Sinn, den Steuerberater einzubinden, wenn das Finanzamt eine Erstattung von 20 Euro überweist und der Steuerberater seinem Mandanten für die Prüfung des dazugehörigen Bescheids am Ende 30 Euro in Rechnung stellt. Doch leider wird genau das häufig vorkommen.

Denn solche nachträglichen Zinsberichtigungen ziehen einen ganzen Rattenschwanz hinter sich her. Das Finanzamt verrechnet nämlich Guthaben und Außenstände miteinander.

Auf dem Konto landet nicht zwingend die volle Zinsberichtigung

Das heißt: Wenn Ihnen 20 Euro überwiesen werden, dann müssen das nicht zwingend die Zinsen sein, die Sie laut Bescheid bekommen sollen. Sondern: Da wurden bestehende Forderungen oder Guthaben verrechnet. Und das muss der Steuerberater natürlich wissen, besonders bei Firmen und Freiberuflern. Und hier wird die Freude über die Erstattung noch mehr getrübt.

Eine Firma muss wegen der paar Euro nämlich am Ende sogar die (noch offenen) Jahresabschlüsse erneut anfassen lassen, schließlich müssen die am Ende korrekt sein. Und auch da ist der Steuerberater wieder im Boot und wird eine Rechnung schreiben. Und am Ende ist aus der schönen Steuererstattung vielleicht sogar ein Minusgeschäft geworden.

Ist die Zinsberichtigung überhaupt etwas wert?

Zunächst sollte man die Frage stellen, wer eigentlich auf die Idee gekommen ist, sechs Prozent Zinsen zu verlangen. Und dass das Bundesverfassungsgericht (BVG) in dem vorliegenden Fall den Klägern - und wegen der Grundsätzlichkeit eines BVG-Urteils am Ende allen - auch rückwirkend die Zinsen zugesteht, ist ja eigentlich logisch.

Grundsätzlichkeit des BVG-Urteils verursacht Bürokratiewelle

Man klagt schließlich, um sein Recht zu bekommen. Die Grundsätzlichkeit verursacht aber eben nun diese unglaubliche Bürokratiewelle. In die Zukunft gedacht sind solche exorbitanten Zinsen aber immerhin vom Tisch.

Die 1,8 Prozent gelten für drei Jahre und müssen dann immer wieder an die Wirklichkeit angepasst werden. Und dann ist nicht nur der Zinssatz im erträglichen Rahmen, sondern hoffentlich auch der Aufwand.

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MDR (jw)

Dieses Thema im Programm:MDR THÜRINGEN - Das Radio | Ramm am Nachmittag | 26. Januar 2023 | 16:40 Uhr