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Chronische Fehlhaltungen beim Atmen können auch zu Luftnot führen. Bildrechte: IMAGO / Panthermedia

AtemtherapieBesser atmen können und mehr Luft bekommen

04. September 2024, 19:14 Uhr

Bis zu 16 Mal pro Minute atmen wir Erwachsenen ein und aus – und das oft ohne darüber nachzudenken. Doch die meisten von uns atmen zu schnell und zu flach. Die Folgen: Muskeln verspannen, wir sind gestresst, unkonzentriert und müde. Zum Glück lässt sich dagegen etwas tun: mit einem Atemtraining. Tipps dafür gibt es hier.

von Beate Splett und Annett Böhm, Redaktion Wirtschaft und Verbraucher

Wer einmal unter Luftnot gelitten hat, weiß, wie beklemmend sich das anfühlen kann. Die Ursachen können Lungenerkrankungen wie Asthma, COPD und die Folge von Covid-19 sein, aber auch chronische Fehlhaltungen und muskuläre Verspannungen.

Doch so dramatisch muss es gar nicht immer sein. "Hauptproblem ist eigentlich, dass wir in der heutigen Zeit alle zu kurzatmig sind durch Stress, durch Beruf, durch zu viel Sitzen und Bewegungsmangel. Das führt bei vielen dazu, dass auch die Atmung zu kurz kommt und dass man einfach vergisst, wirklich mal lang auszuatmen. Und für die Sauerstoffsättigung im Blut brauchen wir natürlich eine lange Ein-, aber auch eine sehr lange Ausatmung“, sagt der Leipziger Atemtherapeut Mathias Hempel.

Verspannungen und Müdigkeit durch eingeschränkte Atmung

Häufig bemerken wir selbst gar nichts von der eingeschränkten Atmung und ihren Folgen. Wir fühlen uns einfach müde und schlapp, sind unkonzentriert, schlafen schlecht und haben schmerzhaft verspannte Muskeln im Oberkörper. Doch mit einer bewussten Atmung lässt sich das oft schon nach kurzer Zeit deutlich bessern.

Anleitung für eine gesunde Atemhaltung

Beste Voraussetzung für einen tiefen Atemzug ist eine aufrechte Körperhaltung. Und die lässt sich ganz leicht selbst testen und trainieren: Dazu im Stehen oder Sitzen den Zeigefinger der einen Hand auf den Bauchnabel legen, den Zeigefinger der anderen Hand auf das Brustbein.

Der Abstand zwischen beiden Zeigefingern sollte so groß wie möglich sein. Stehen oder sitzen wir zu sehr nach vorn gebeugt, ist der Abstand nur klein. Richten wir den Oberkörper auf, ziehen die Schultern nach hinten und den Brustkorb nach oben, verlängert sich dieser Abstand spürbar. Das bedeutet: Die Lunge hat viel mehr Platz im Brustkorb, wir können merklich tiefer einatmen. Außerdem werden wichtige Muskeln des Halteapparates angesprochen. Um die Übung zu steigern, beide Arme zur Hilfe nehmen und nach oben Richtung Decke strecken – eine wunderbare Dehnübung für lange Bürotage!

Atemtechniken: Brust, Bauch oder Flanke?

Die Lunge selbst lässt sich mit ihren Bronchien und Lungenbläschen leider nicht trainieren. Beim Einatmen dehnt sie sich aus, damit sie Sauerstoff aus der Luft aufnehmen kann und beim Ausatmen zieht sie sich wieder zusammen, sauerstoffarme Luft entweicht. Damit das richtig funktionieren kann, müssen wichtige Muskeln mithelfen.

Die meisten von uns atmen in den Brustkorb. Das lässt sich ganz einfach überprüfen, indem man die Hand auf den Brustkorb legt und beobachtet, wie er sich hebt und senkt. Je stärker wir uns körperlich anstrengen oder je mehr die Lungenfunktion durch eine Erkrankung eingeschränkt ist, umso wichtiger wird die Atemhilfsmukulatur. Sie unterstützt dann zusätzlich: Muskeln an der Rückseite des Brustkorbes erleichtern das Einatmen, indem sie den Brustkorb anheben. Muskeln an der Vorderseite des Brustkorbes helfen, indem sie den Brustkorb beim Ausatmen zusammenziehen. 

Ein wichtiger Bestandteil der Atemtechniken ist aber auch die Bauchatmung. Sie beruhigt, entspannt und sorgt für ein beweglicheres Zwerchfell. Diese Muskel-Sehnen-Platte ist der wichtigste Atemmuskel. "Meistens verkümmert das Zwerchfell. Wenn man nur oben im Brustkorb atmet, ist im Zwerchfell zu wenig Bewegung", erklärt Atemtherapeut Mathias Hempel, was er häufig bei seinen Patienten beobachtet.

Doch man sollte nicht nur "oben" und "unten" atmen, sondern auch seitlich. Dazu einfach mal beide Hände an den Seiten auf die Rippen legen und schauen, ob sich da etwas bewegt. Auch diese sogenannte Flankenatmung lässt sich üben, indem man sie immer wieder bewusst ausprobiert. Auch die Zwischenrippenmuskeln sind ein wichtiger Teil der Atemhilfsmuskulatur. Klappt es mit der Flankenatmung nicht gleich auf Anhieb, sind meist verkürzte oder verspannte Muskeln zwischen den Rippen schuld. Diese lassen sich oft schon mit einfachen Dehnungsübungen beheben.

TippSind die Verspannungen besonders hartnäckig, lohnt auch der Gang zu einem Osteopathen oder Manualtherapeuten, der die verspannten Muskeln mit gezielten Griffen wieder aufdehnt.

Lippenbremse oder Strohhalm: Kräftiges Atmen kann man lernen

Eine gute Möglichkeit, um die Atemmuskeln zu stärken, ist es, gegen einen Widerstand auszuatmen. Das passiert verstärkt, wenn wir beim Ausatmen durch den Mund die Lippen leicht zusammenpressen und den Luftstrom damit etwas bremsen – die sogenannte Lippenbremse. Den gleichen Effekt hat man, wenn man mit einem dünnen Strohhalm in einem Wasserglas blubbert oder einen Luftballon aufpustet. Man merkt dabei förmlich, wie sich die Bauch- und Oberkörpermuskulatur anspannt – ein Trainingseffekt mit Spaßfaktor. 

Das Pusten durch einen Strohhalm in einem Wasserglas trainiert die Atemmuskeln. Bildrechte: IMAGO / Panthermedia

Ausatmen gegen Stress – und zur Entspannung

Wie wir atmen, hat auch Einfluss auf ein System, das wir sonst kaum bewusst steuern können: unser vegetatives Nervensystem. Es besteht aus dem Sympathikus und dem Parasympathikus und regelt Anspannung und Entspannung. Der Sympathikus wird aktiviert, wenn wir angespannt und gestresst sind. Er erhöht unsere Leistungsbereitschaft, Puls und Blutdruck steigen an, wir atmen schnell und flach.

Der Sympatikus wird vor allem beim Einatmen stimuliert. Der Parasympathikus ist sein Gegenspieler und zuständig für Ruhe und Erholung. Er wird vor allem beim Ausatmen aktiviert. Um bewusst zur Ruhe zu kommen und Stress abzubauen, kann es also helfen, ruhig einzuatmen und dann besonders lange auszuatmen. Schon ein paar solch bewusster Atemzüge programmieren den Körper auf "Entspannung". Erste Studien konnten außerdem zeigen, dass es Patienten nach einem seelischen Trauma mit anhaltenden psychischen Problemen so besser gelingt, kreisende, negative Gedanken abzustellen. 

MDR (cbr)

Dieses Thema im Programm:Das Erste | Mittagsmagazin | 03. September 2024 | 12:00 Uhr