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Viele zieht es an heißen Tagen ins Wasser: Überhitzt sollte man trotzdem nicht ins kühle Nass steigen. (Symbolbild) Bildrechte: Colourbox

Der Redakteur | 19.05.2022Baderegeln: Welche Warnungen stimmen und was steckt dahinter?

19. Mai 2022, 16:36 Uhr

Gerade an heißen Tagen zieht es viele ins Freibad oder an den Badesee. Welche Mythen rund ums Schwimmen stimmen und welche Baderegeln Sie unbedingt beachten sollten, lesen Sie hier.

Natürlich hat die Oma Recht. Aber nicht immer. Der volle Magen ist allerdings aus verschiedenen Gründen ein Ausschlusskriterium für das direkte Badengehen. Das hat verschiedene Gründe. Zum Verdauen bezieht der Magen ordentlich Blut vom Kreislauf.

Dieses Blut wird aber gleichzeitig benötigt, um den Körper auf Temperatur zu halten, wenn er in das in unseren Breiten deutlich kältere Badewasser eintaucht. Dann kommt noch der Bedarf für die sportlichen Bewegungen hinzu. Deshalb gilt: Je nach Art der Völlerei ein oder zwei Stündchen warten mit dem Baden.

Und gerade wer nach dem Genuss von Schweinshaxe und Co. direkt ins Wasser steigen will, bekommt nicht nur von Oma den warnenden Zeigefinger gezeigt - sondern auch vom Mannschaftsarzt der Nationalmannschaft der Freiwasserschwimmer.

Denen werden auf ihren langen Strecken (bis zu 25 Kilometer) aus guten Gründen auch keine Schweinshaxen gereicht, sondern leicht verdauliche und flüssige Kohlenhydrate. Und um fettige Mahlzeiten zu verdauen, reicht auch die eine Stunde nicht, die man laut Oma und DLRG nach dem Essen bis zum Baden warten sollte.

Die Fettverdauung im Magen dauert sechs bis acht Stunden und wenn der Magen sehr viel Energie und Blut braucht, wird diese dem restlichen Körper entzogen und da kann es passieren, dass jemand kollabiert.

Professor Alexander Beck | Mannschaftsarzt der Nationalmannschaft der Freiwasserschwimmer

Der volle Magen ist auch bei Kindern nicht gut

Es gibt noch einen Aspekt, der gerade bei Kindern dagegen spricht, mit vollem Magen ins Wasser zu gehen. Beim Schlucken gelangt auch Luft in den Bauch. Die will natürlich wieder raus. Der Wasserdruck auf den Bauch - gerade beim Tauchen - unterstützt das Bestreben. Bei Kindern ist - sie sind noch klein - der Rückweg für die Nahrung naturgemäß etwas kürzer.

Und die schnellen Bewegungen beim Toben mit dem Kopf nach unten, Wasserschlucken und der folgende Würgereiz sind eine ungünstige Kombination, die durchaus dazu führen kann, dass Fremdkörper in die Luftröhre gelangen. Und das ist etwas, das im Wasser lebensgefährlich ist, gerade, wenn der Boden unter den Füßen fehlt.

Ein leerer Magen ist genauso falsch

Nüchtern wie zum Labortermin sollte man auch nicht ins Wasser gehen. Dass wir beim Baden ordentlich Energie brauchen, haben wir ja schon erläutert, und eine Unterzuckerung draußen an der Boje ist nun auch nicht gerade erstrebenswert.

En Eis vorm Planschen ist durchaus sinnvoll. Bildrechte: imago images / Westend61

Etwas Obst, ein paar Kekse oder gar ein Eis vor dem Baden sind deutlich besser als ein leerer Magen, sagt Notarzt Raik Schäfer. Also etwas, das die benötigte Energie (= Kohlenhydrate) auch schnell liefern kann. Die DLRG verweist in diesem Zusammenhang darauf, dass das Baden mit leerem Magen regelmäßig zu Notarzteinsätzen führt.

Ein Eis würde schon helfen, dann hast du etwas Energie und es badet sich ungefährlicher.

Raik Schäfer | Notarzt und Rettungsschwimmer bei der DLRG

Warum sollten wir nicht überhitzt ins Wasser?

Grund ist ein Reflexmechanismus, den uns die Evolution mitgegeben hat. Dieser Eintauchreflex sorgt dafür, dass sich die Herzfrequenz verlangsamt, wenn es kalt wird. Das kann man selbst ausprobieren: Schüssel Wasser mit einigen Eiswürfeln anrichten, Puls fühlen und zählen, dann ab mit dem Gesicht in die Schüssel und dann sollte das Herz deutlich langsamer schlagen.

Passiert dieses Eintauchen mit dem ganzen Körper und ganz plötzlich, dann kann es in unglücklichen Konstellationen zu Herzrhythmusstörungen oder sogar zum Herzstillstand kommen.

Muskeln vor dem Schwimmen warmmachen

Deshalb ist das Nassmachen von Bauch und Herzgegend und das langsame Eintauchen ein guter Rat von Oma. Trotzdem rät der Sportmediziner dazu, das Warmmachen der Muskeln vor dem Schwimmen nicht zu vernachlässigen. Auch seine Freiwasserschwimmer erwärmen sich vorher, etwas Gymnastik ist also empfehlenswert vor dem Bahnenziehen. Einen Motor fährt man schließlich auch erst warm, bevor man Vollgas gibt. Und da geht es nicht nur um Zerrungen.

Gerade im kalten Wasser kann es bei einem kalten Muskel viel schneller zu Muskelkrämpfen kommen.

Prof. Alexander Beck | Mannschaftsarzt der Nationalmannschaft der Freiwasserschwimmer

Warum man nicht alleine schwimmen sollte

Nicht nur Kinder, auch ältere Menschen mit Vorerkrankungen sollten nicht alleine baden. So gesund das Schwimmen auch ist, schon der Temperaturunterschied ist eine Belastung, an die sich der Körper erst gewöhnen muss. Diese Reize könnten einerseits den letzten "Impuls" geben, andererseits ist das Wasser schlicht der ungünstigste Ort, einen der alltäglichen medizinischen Notfälle zu erleiden, sagt Notarzt Raik Schäfer.

Denn bei einem Herzinfarkt, einem Schlaganfall, einer Unterzuckerung oder auch bei Krämpfen ist an Land nur deshalb schnelle Hilfe möglich, weil der Vorfall bemerkt wird. Im Wasser ist das anders. Ein Notfall im Wasser geschieht oft unbemerkt und leise und da ist es gut, wenn jemand in der Nähe ist. Auch der wild winkende und um Hilfe rufende Ertrinkende kommt in der Praxis nicht vor. Ertrinken ist ein stiller Tod.

Nicht nur Kinder sollten nicht unbeaufsichtigt schwimmen gehen. Auch Erwachsende sollten nur an bewachten Stellen ins kühle Nass. Bildrechte: colourbox.com

Buhnen, Brücken, Strömungen meiden!

Die Hinweisschilder und Ratschläge von Rettungsschwimmern sollten durchaus zum kurzen Innehalten anregen. Gewässer folgen den Gesetzen der Physik und der Strömungslehre und nicht immer ist an der Oberfläche erkennbar, was sich unten tut. Raik Schäfer nennt die Buhnen als Beispiel und empfiehlt dringend, Abstand zu halten. Die Strömungsverhältnisse dort werden gern unterschätzt und es geht auch nicht nur darum, dass man meerwärts abtreibt.

Wer Hinweisschilder, wie dieses sieht, sollte woanders baden gehen. (Archivbild) Bildrechte: imago images/Geisser

Die Kette der unglücklichen Umstände sieht in der Praxis so aus: Wegen der veränderten Strömungsverhältnisse kommt es zu einem unsanften Kontakt mit den Buhnen, die oft nur oberhalb der Wasserlinie so schön moosig-geschmeidig aussehen. Unten sind die Baumstämme gern mit sehr scharfkantigen Muscheln bewachsen, die zu tiefen Schnittwunden führen können. Das alleine ist schon nicht erstrebenswert. Hinzu kommt: Blutverlust sieht im Wasser noch einmal viel schlimmer aus, als es vielleicht ist, Panik folgt und die ist im Wasser selten gut.

Grundsätzlich sind Strömungen besonders an Bauwerken - Stichwort Brückenpfeiler bei Flüssen - eine tödliche Gefahr und auch das Wasser, das vermeintlich friedlich auf den Ostseestrand zurollt, muss in Wirklichkeit unten wieder zurück ins Meer. Wenn wegen der Strömungsverhältnisse das Baden untersagt ist, sollte man sich auch dringend an das Verbot halten. Auch als erfahrener Schwimmer.

Einer meiner besten Freunde wäre letztes Jahr im Urlaub beinahe ertrunken, obwohl er ein guter Schwimmer ist. Er hatte eine Strömung völlig unterschätzt und wurde abgetrieben.

Prof. Alexander Beck | Mannschaftsarzt der Nationalmannschaft der Freiwasserschwimmer

Nicht überhitzt ins Wasser steigen

Dass man nicht überhitzt ins Wasser sollte, das ist amtlich. Aus gutem Grund steht beim Triathlon das Schwimmen an erster Stelle. Insoweit sind das langsame Einsteigen und die kurze Pause nach dem Ballspielen klug. Wichtig ist auch: Die Sonnencreme - auch die mit einem Lichtschutzfaktor von 50 - reicht nicht für den ganzen Tag, weil das ungeschützte Aufhalten in der Sonne als Berechnungsbasis besonders bei einem hohen UV-Index schon nach wenigen Minuten ungesund wird.

Im Laufe des Lebens macht es dann die Summe und natürlich auch der Hauttyp, wenn es um das Auftreten von Hautkrebs geht. Das empfohlene ungeschützte Aufhalten in der Sonne auch durchaus nur drei Minuten betragen, sagt Raik Schäfer. Mit LSF 30 wäre also mehr als ein Fußballspiel in der Sonne ungesund. Für den Kopf gelten besonders bei dünnem oder blondem Haar noch ganz andere Zeiten.

Ein Sonnenschirm und ein leichtes Mützchen können ein guter Schutz vor Überhitzung sein. (Symbolbild) Bildrechte: Colourbox.de

Dabei geht es nicht nur um die Kopfhaut, sondern auch um die tiefer liegenden Hirnhäute, die von der Sonnenstrahlung auch noch erreicht werden. Deshalb ist ein leichtes Mützchen immer eine gute Idee, ein Sonnenschirm ebenso und dann bitte auch aufpassen, dass der Strandkorb bei Windstille nicht zur Sauna wird. Auch deshalb gilt: Trinken nicht vergessen, Apfelschorle ist der Klassiker und ausreichend isotonisch, so Sportarzt Prof. Beck.

Wir messen jedes Jahr die Temperaturen in den Strandkörben, da kommen schnell 70 Grad zusammen.

Raik Schäfer | Notarzt und Rettungsschwimmer bei der DLRG

Bekannte Gewässer - unbekannter Inhalt

Das wilde Baden in wilden Gewässern und das auch noch von einer wilden Horde alkoholisierter Jugendlicher, das ist der Klassiker. Über die Gefahren eines Kopfsprungs sind wir auch alle hinlänglich aufgeklärt. Aber Raik Schäfer ergänzt aus seiner Praxiserfahrung einen Umstand, der auch vermeintlich vertraute und Gewässer doch wieder zu großen Unbekannten macht.

Und schuld an den tragischen Geschichten ist nicht einmal zwingend das Gewässer, von dessen Bootssteg man doch regelmäßig und auch noch an den Vortagen unbeschadet gesprungen ist. Trotzdem endet plötzlich ein Sprung mit einer Tragödie: Querschnittslähmung und Rollstuhl.   

Was war passiert? In der Nacht zuvor hatten Jugendliche an der Stelle eine Parkbank versenkt.

Raik Schäfer | Notarzt und Rettungsschwimmer bei der DLRG

Der Sprung ins Wasser will auch bei vermeintlich bekannte Gewässern wohl überlegt sein. (Symbolbild) Bildrechte: imago images / Westend61

Freibäder und Badeseen entdecken

Quelle: MDR THÜRINGEN (jw)

Dieses Thema im Programm:MDR THÜRINGEN - Das Radio | Ramm am Nachmittag | 19. Mai 2022 | 16:40 Uhr