Tipps gegen innere Leere Einsamkeit überwinden: Was hilft, wenn man sich einsam fühlt
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Sich allein zu fühlen ist mehr als nur ein unangenehmes Gefühl: Jeder Dritte fühlt sich zeitweise einsam und längst ist Einsamkeit nicht mehr nur ein Problem des Alters. Gerade junge Menschen fürchten sich davor zu vereinsamen. Was gegen Einsamkeit hilft, erklärt Expertin Prof. Sonia Lippke.

Warum viele junge Menschen unter Einsamkeit leiden
Das ist der moderne Mensch: mobil, digital und praktisch mit der ganzen Welt vernetzt. Und dennoch fühlt er sich einsam. Einsamkeit betrifft längst nicht mehr nur ältere Menschen. Eine aktuelle Studie zeigt: gerade junge Menschen fürchten sich davor zu vereinsamen. Jeder zehnte Deutsche beklagt den Mangel an sozialen Beziehungen.
Psychologin Prof. Sonia Lippke spricht im Interview über mögliche Gründe für Einsamkeit und warum gerade viele junge Menschen darunter leiden.
Welche Rolle spielen soziale Beziehungen für unsere Gesundheit?
Prof. Sonia Lippke: Soziale Beziehungen sind das, was uns ausmacht und uns Menschen zusammenhält, insbesondere wenn Familien kleiner werden und es prozentual mehr Wahlbeziehungen gibt. Sie sind die Grundlage für soziale Unterstützung, denn diese nimmt direkt und indirekt Einfluss auf die körperliche und psychische Gesundheit. Soziale Unterstützung kann vor allem Stress abpuffern: Wenn Menschen belastet sind, helfen Freunde, dass mit Stress besser umgegangen beziehungsweise Stressoren überwunden werden können. Dadurch kann die Gesundheit wiederhergestellt beziehungsweise gar nicht erst so sehr belastet werden.
Wichtig dabei ist aber, nicht einfach nur generell soziale Beziehungen zu haben: Ja, die sind wichtig, aber sie allein reichen nicht. Man muss Freunde, Bekannte, Familie und Nachbarn haben und diese auch regelmäßig treffen. Es ist aber vor allem entscheidend, sich auch gut zu verstehen, sich miteinander wohl zu fühlen und gut miteinander zu kommunizieren. Dazu führen wir gerade ein Projekt durch und würden uns freuen, wenn noch viele Bürger und Bürgerinnen uns dazu ihre Meinung sagen.
Ist die Welt mit der Digitalisierung egoistischer geworden?
Prof. Sonia Lippke: Soziale Beziehungen sind nach wie vor sehr wichtig und stehen hoch im Kurs. Die bisherigen wissenschaftlichen Daten über die Zeit geben uns keinen Anlass zur Annahme, dass die Menschen egoistischer oder einsamer geworden sind. Der Wandel, den wir gerade beobachten, vollzieht sich in den Bereichen Digitalisierung, Mobilisierung und Demografie. Das hängt natürlich auch mit Veränderungen bei Wohnformen zusammen, zum Beispiel gibt es mehr Menschen, die alleine wohnen. Aber erfüllte soziale Beziehungen sind auch im digitalen Zeitalter zentral wichtig für uns Menschen.
Sehen Sie Unterschiede in der Wahrnehmung zwischen den Geschlechtern?
Prof. Sonia Lippke: Frauen fühlen sich tendenziell eher einsam, aber statistisch abgesichert zeigt sich das nur, wenn Menschen in Partnerschaft betrachtet werden. Werden Singles befragt, dann gibt es kaum Unterschiede zwischen Frauen und Männern.
Sind vor allem ältere Menschen oft einsam?
Prof. Sonia Lippke: Einsamkeit betrifft nicht nur Senioren, sondern vor allem, wie auch die aktuelle Weleda Trendforschung gezeigt hat, jüngere Menschen. Bei Jüngeren ist das die Phase, wenn sie nach der Schule für eine Ausbildung oder ein Studium ihre vertraute Umgebung verlassen, für eine Arbeit den Wohnort wechseln oder ins Ausland gehen. Ist alles fremd und anders, fällt es erst mal schwer, sich neue Freunde und Vertraute zu suchen. Bei Menschen Mitte 40 beginnt ein neuer Lebensabschnitt, sobald die Kinder aus dem Haus sind oder unabhängiger werden. Das bisherige Leben und die Partnerschaft verändern sich, die eigene Bedürfnisse und neue Herausforderungen werden spürbar. Einsamkeit ist dann ein Gefühl, dass diesen Zustand beschreiben kann und einen Impuls auslöst, mal wieder neue Leute kennenzulernen und vielleicht alte Freundschaften aufzufrischen.
Bei Menschen über 80 Jahren werden soziale Kontakte häufig aufgrund von eingeschränkter Gesundheit und Mobilität weniger, Gleichaltrige versterben oftmals altersbedingt. Damit gilt es, angemessen damit umzugehen und mehr auf Qualität als Quantität zu setzen. Viele ältere Menschen schaffen das schon gut, aber vor allem jüngere Menschen scheinen Angst zu haben, dass sie das später nicht so gut bewerkstelligen oder sie haben ein falsches Bild vom Alter beziehungsweise älteren Menschen.
Aktiv gegen Einsamkeit: Tipps gegen das Alleinsein
Expertin Prof. Sonia Lippke empfiehlt, Einsamkeit frühzeitig ernst zu nehmen und etwas dagegen zu tun, lange bevor es zu einer ernsthaften Erkrankung kommt.
Die Wege aus der Einsamkeit sind vielfältig. Am Anfang ist es nicht immer leicht. Offenheit ist dafür besonders wichtig. Es lohnt sich, selbst aktiv zu werden. Folgende Tipps des amerikanischen Psychologen John Cacioppo können dabei helfen, sich weniger einsam zu fühlen.
- 1. Den Aktionsradius erweitern: in kleinen Schritten wieder auf Menschen zugehen. Mit einfachen Gesprächen am Gartenzaun, einem Lächeln an der Supermarktkasse. Positive Reaktionen spüren und daraus Mut schöpfen.
- 2. Aktiv werden: sich einen Verein suchen, ein Ehrenamt übernehmen und erleben, dass man gebraucht wird und etwas bewegen kann.
- 3. Selektieren: lieber wenige, aber dafür wichtige und intensivere Kontakte pflegen. Dranbleiben und auch mal wieder etwas investieren.
- 4. Das Beste erwarten: positiv denken, Hoffnung haben, Wertschätzung erleben.
Die Nummer gegen Einsamkeit
Manchmal reicht es schon, sich den Kummer von der Seele zu reden. Wer sich einem Menschen mitteilen möchte, für den ist die Telefonseelsorge ein guter Anlaufpunkt.
Die Telefonseelsorge ist rund um die Uhr erreichbar. Die Telefonnummern sind 0800 1110111 und 0800 1110222. Der Anruf bei der Telefonseelsorge ist nicht nur kostenfrei, er taucht auch nicht auf der Telefonrechnung auf, ebenso nicht im Einzelverbindungsnachweis. Die Mitarbeiter der Telefonseelsorge sind außerdem via Chat oder E-Mail erreichbar.
Quellen
- Experteninterview, Weleda Trendforschung 2019 – Soziale Beziehungen und Gesundheit, Interview mit Frau Prof. Dr. Sonia Lippke, gekürzt
- EASE Stufenprogramm des amerikanischen Psychologen John Cacioppo
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR um 4 | 16. Dezember 2019 | 17:00 Uhr