Der Redakteur | 25.03.2022Corona-Pandemie: Wie kommen die Gesundheitsämter hinterher?
Die Infektionszahlen sind so hoch wie noch nie. Werner Lippmann aus dem Wartburgkreis fragt deshalb: "Bei einer Inzidenz von über 3.000 ist es doch völlig ausgeschlossen, dass die Gesundheitsämter mit ihren Bescheiden hinterherkommen. Und was passiert eigentlich jetzt mit den Fällen wegen der einrichtungsbezogenen Impfpflicht? Bleiben die auch liegen?"
Die einrichtungsbezogene Impfpflicht flächendeckend durchzusetzen, wird an der Bürokratie scheitern. Das ist kein offizielles Statement, aber das Ergebnis simpler Mathematik. Zum Beispiel rechnen der Saale-Holzland-Kreis und der Kreis Nordhausen jeweils mit 1.000 Meldungen von Einrichtungen. Dahinter stecken 1.000 Einzelfälle, die eben auch einzeln, unter Abwägung medizinischer Aspekte und auch in persönlichen Gesprächen usw. abgearbeitet werden müssen.
Wenn solche Häufungen auftreten, dann steckt dort aber nicht nur viel Arbeit für das zuständige Gesundheitsamt dahinter, sondern jeder Einzelfall könnte auch zu einem Ausfall in den Einrichtungen führen. Deshalb hört man hinter vorgehaltener Hand auch Sätze wie: "Wir werden uns bei der Versorgung nicht selbst die Beine wegschlagen." Stichwort Ermessensspielraum. Denn diesen haben die Gesundheitsämter bei der Frage, ob Ungeimpfte Betretungsverbote für ihren Arbeitsplatz bekommen oder nicht.
Schlimm ist allerdings, dass das Impfen nicht überall als Segen für Medizin und Menschheit verstanden wird. Dabei ist es wissenschaftlicher Konsens, dass mit einer höheren Impfquote – wenn auch mit regelmäßigen Auffrischungen wie bei der Grippe oder Tetanus – Corona bei uns schon längst beherrschbar wäre.
Das hätte positiven Folgen nicht nur für uns und unser Gesundheitssystem, sondern auch bezogen auf die Gefahr der Entstehung neuer Virusvarianten. Denn es erkranken dann einfach weniger Leute und wenn, dann weniger schwer. Dadurch werden weniger Viren produziert und es sinkt die Wahrscheinlichkeit, dass durch "Gendefekte" neue – und vielleicht gefährlichere – Varianten entstehen. Das ist das 1x1 der Virologie.
Wie belastend ist die Impfpflicht für die Ämter?
Es ist im Moment meistens der Berg Arbeit, der täglich größer wird, weil er noch gar nicht abgearbeitet wird. Aber das Bild ist vielfältig in Thüringen. Erfurt hat eine Mitarbeiterin abgestellt, arbeitet den Berg also bereits ab. Für Weimar hat das Thema keine Priorität, für den Kreis Gotha auch nicht, Jena hat mit der Gesundheitsversorgung der Ukraine-Flüchtlinge mehr als genug zu tun und auch der Ilm-Kreis schreibt: "Aktuell wird das Thema nicht bearbeitet, da die Unternehmen vier Wochen Zeit haben, zu melden."
Der Kreis kündigt aber vorsichtshalber schon mal an, das alles nicht ohnehin fristgerecht schaffen zu können und ist damit nicht alleine. Das liegt auch daran, dass die in den meisten Kreisen schon zur Verfügung stehenden Online-Portale für die Meldung nicht von allen Arbeitsgebern genutzt werden. Viele vertrauen hier immer noch auf Stift und Papier, obwohl offenbar die Fähigkeit verlorengegangen ist, leserlich zu schreiben.
Hinzu kommt, dass einzelne Meldungen mutmaßlich bewusst so knapp und ungenau sind und in ihrer Form eher einem handschriftlichen Schmierzettel gleichen, so dass man davon ausgehen muss, dass in diesen Einzelfällen absichtlich provoziert wird.
Mitteilung des Saale-Orla-Kreises
Der Landkreis Eichsfeld verweist auch dringend auf die Möglichkeit der Online-Meldung. Denn die Meldungen, die auf dem Postweg kommen, müssen mit den elektronischen Meldungen abgeglichen werden, um Doppelungen auszuschließen. Grundsätzlich bitten die Ämter ohnehin dringend darum, nicht zweimal zu melden, also digital und per Post, das erschwert wegen des Abgleichs die Arbeit unnötig.
Was ist mit dem Quarantänebescheid?
Dass es bei einer Inzidenz jenseits der 2.000 oder gar 3.000 unmöglich ist, die Fälle zeitnah abzuarbeiten, ist logisch. Einige Gesundheitsämter versuchen es trotzdem tapfer, priorisieren zum Beispiel die Fälle aus Krankenhäusern oder Pflegeeinrichtungen und wissen offenbar gar nicht, dass sie sich mehr Mühe machen, als sie müssten.
Im Verordnungsdschungel untergegangen ist vielerorts die Thüringer Corona-Schutzverordnung in ihrer aktuellen Fassung, auf die zum Beispiel der Landkreis Schmalkalden-Meiningen hingewiesen hat und dies auch so handhabt:
Ein separater Quarantänebescheid wird für Personen mit positiven PCR-Befund nicht mehr erstellt, sondern nur noch für Kontaktpersonen.
Mitteilung des Landkreises Schmalkalden-Meiningen
Beide Personengruppen müssen sich über das Online-Portal ihres jeweiligen Landkreises melden, dort gibt es die entsprechenden Formulare für positiv Getestete und auch für Kontaktpersonen. Letztere lösen dann auf diesem Weg auch ihren Bescheid aus, den sie für den Arbeitgeber brauchen. Wichtig: Geboosterte und Gleichgestellte müssen nicht in Quarantäne.
Positiv Getestete weisen die Absonderungsverpflichtung mit dem Testergebnis nach und auch die Personen des eigenen Haushalts, dafür sind keine Bescheide mehr notwendig. Auch ist das Testdatum bindend für die sofortige Pflicht zur Absonderung und daraus folgen dann auch die Regeln und Fristen für das Freitesten. In der Regel ist dem positiven Testnachweis auch ein QR-Code beigefügt, um das Ergebnis in der Corona-WarnApp zu hinterlegen.
Das muss ein Test einer offiziellen Teststelle sein, ein kommunales Bürgerzentrum, eine Apotheke oder Arztpraxis oder ein Labor. Wir wissen, dass Arbeitgeber oder Behörden auf einen Bescheid bestehen, das ist nicht rechtmäßig.
Silke Fließ | Sprecherin Thüringer Gesundheitsministerium
Was ist mit der Kontaktnachverfolgung?
Hier beschränken sich viele Thüringer Gesundheitsämter auf vulnerable Gruppen, also auf "Alten- und Pflegeheime, Behinderteneinrichtungen, Krankenhäuser", wie der Landkreis Greiz schreibt. Anders ist es schlicht und einfach nicht mehr zu stemmen. Einige Kreise verzichten aus Kapazitätsgründen sogar komplett auf die Nachverfolgung und verweisen auf den hohen Krankenstand in den Ämtern, der die Situation zusätzlich verschärft.
Die Nachverfolgung wurde eingestellt.
Mitteilung des Landkreises Saalfeld-Rudolstadt
Damit ist Saalfeld-Rudolstadt schon weiter als die Gesundheitsministerkonferenz. Zwar haben schon mehrere Länder Vorstöße gemacht, die Kontaktverfolgung neu zu denken, aber bisher hat das noch nicht zu einer neuen Regelung geführt. Und wenn, dann werden die betroffenen Ämter hoffentlich auch davon erfahren.
Dieses Thema im Programm:MDR THÜRINGEN - Das Radio | Ramm am Nachmittag | 25. März 2022 | 17:10 Uhr