Schmerzen im Knie Probleme mit dem Meniskus: Wann operiert werden muss
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Ein Meniskus funktioniert wie ein Stoßdämpfer im Knie. Ist er beschädigt oder gar gerissen, sind oft starke Schmerzen die Folge. Ein Minuskusschaden kann aber auch lange unentdeckt bleiben, sagt Professor Pierre Hepp. Er ist Gelenkspezialist am Universitätsklinikum Leipzig und erklärt mögliche Symptome und welche Diagnose- und Behandlungsmöglichkeiten es gibt.

Sie haben beim Operieren schon hunderte menschlicher Knie von innen betrachten können: Was ist der Meniskus und warum ist er so verletzlich?
Prof. Dr. Pierre Hepp: Genau genommen haben wir mehrere Menisken, zwei in jedem Knie, innen und außen. Sie haben jeweils eine sichelartige Form und liegen wie pralle Kissen zwischen den Knochen der Ober- und Unterschenkel. Ihre Füllung besteht aus Collagen, einem stabilen Eiweiß, das auch anderswo im Körper als "Baumaterial" dient, zum Beispiel in Bändern und Sehnen. Menisken haben eine Pufferfunktion. Sie dämpfen jeden Sprung und jeden Schritt, den wir tun. Darum unterliegen sie starken Kräften. Werden sie lediglich zusammen gedrückt, ist ein Schaden eher selten. Wenn beim Auftreten das Bein aber gleichzeitig gedreht wird, wirken neben den Druckkräften starke Scherkräfte auf diese Collagenkissen ein. So etwas kann in vielen Lebenslagen passieren: Wenn der Bus plötzlich bremst und wir uns mit dem Fuß abstützen wollen, beim Sport natürlich oder aber auch bei einem achtlosen Schritt auf unebenem Boden. Wir selbst müssen dabei nicht unbedingt merken, dass sich unser Bein bei der Bewegung auch gedreht hat. Jedenfalls ist die Kombination aus Druck- und Scherkräften der häufigste Grund für akute Verletzungen des Meniskus. Außerdem verliert der Meniskus über die Jahre an Flüssigkeit und damit an Elastizität. Vielleicht hat er Vorschädigungen, die sich bislang nicht bemerkbar gemacht hatten. Dann reicht unter Umständen bereits ein leichter Unfall aus, um ihn deutlich zu verletzen.
Welche typischen Schmerzen macht ein Meniskusschaden?
Prof. Dr. Pierre Hepp: Im Akutfall ist es ein stechender Schmerz bei jeder Bewegung. Da möchte man nicht mehr weiter laufen. Aber es muss nicht immer ein plötzlicher Schmerz sein, der vorher nicht vorhanden war. Es kann ein schleichender Prozess sein, der mit einem leichten Zwicken beginnt, das sich erst allmählich zu einem deutlichen Schmerz entwickelt. Nicht jeder Meniskusschaden macht Beschwerden. Die Verletzung selbst muss keine Schmerzen auslösen. Das liegt daran, dass der Meniskus wenig Schmerzfasern hat. Es sind eher die Begleitumstände, die man bei einem Schaden merkt, also die Reibung der Knorpel aneinander oder wenn Anteile des Meniskus nicht mehr an Ort und Stelle sind und Bewegungen einschränken.
Gibt es neue Diagnose- und Behandlungsverfahren?
Prof. Dr. Pierre Hepp: In den letzten 20 Jahren hat sich viel getan. Ein Knie wird in aller Regel nicht mehr aufgeschnitten, sondern minimalinvasiv operiert (Arthroskopie). Bei solchen Schlüssellochoperationen kann ich mithilfe einer speziellen Kamera, die durch ein nadeldünnes Endoskop eingeführt wird und ein stark vergrößertes Bild liefert, das Gelenk von innen sehen. Durch zwei weitere kleine Zugänge führen wir die Arbeitsinstrumente ein. Die Instrumente wurden wesentlich verfeinert und verbessert. Sie sind heute so präzise, dass ich Risse an einem Meniskus sogar nähen kann. Das wäre so vor einigen Jahren noch nicht möglich gewesen. Auch bei der Diagnose gehen wir in Corona-Zeiten neue Wege. Ich treffe meine Patienten neuerdings in einer Videosprechstunde. Jeder Patient erhält dafür einen Termin und einen individuellen Link, mit dem er auf ein abgeschirmtes Internetportal geleitet wird. In der heutigen Zeit ist es ein großer Vorteil, sich ohne Maske gegenüber sitzen zu können. Das Gespräch unterscheidet sich ansonsten kaum von einer Face-to-Face-Situation. Durch gezielte Fragen kann ich die Art der Verletzung eingrenzen. Liegen mir Befunde und MRT-Bilder vor, kann ich mit dem Patienten gemeinsam einen Therapieplan erstellen. Natürlich kann man das nicht in allen Bereichen machen, aber für die Orthopädie und Unfallchirurgie sind Videosprechstunden bestens geeignet.
Es wird viel weniger operiert, als früher. Stattdessen empfehlen Sie oft Physiotherapie. Können Übungen einen Schaden am Meniskus wirklich beheben?
Prof. Dr. Pierre Hepp: Sie zielen darauf ab, durch manuelle Therapie einerseits Gewebe zu lockern und andere Gewebestrukturen zu stärken. Von bestimmten Muskeln weiß man, dass sie wichtig sind für die Empfindung des Kniegelenks. Sie werden ganz gezielt aufgebaut, so dass Patienten lernen, die Knie bewusster und deutlicher wahrzunehmen. Das alles kann dazu führen, dass der empfundene Schmerz nicht mehr so stark ist oder ganz nachlässt, obwohl der Meniskus beschädigt ist. Ob der Schaden operiert werden muss oder nicht, hängt von der Verletzung selbst ab. Bei einfachen Rissen ist eine OP erfolgversprechender, als bei komplizierten Rissen.
Sie haben daran mitgewirkt, eine sogenannte Reha-App zu entwickeln. Damit können Patienten nach einem Knieschaden zuhause üben. Was kann diese App?
Prof. Dr. Pierre Hepp: Sie heißt "eCovery", begleitet Patienten während der Physiotherapie und sorgt dafür, dass sie zwischen den Behandlungsterminen sich nicht selbst überlassen sind. Sozusagen die Physio in der Hosentasche. Nach jeder physiotherapeutischen Behandlung wird der weitere Trainingsplan für Zuhause besprochen. Alle zwei Tage stellt die App ein individuelles 30-minütiges Trainingsprogramm zusammen. Erklärvideos helfen, dass sich während der Übungen zuhause keine Fehler einschleichen. Nach jeder Übung werden die Patienten befragt, z.B. ob keine Schmerzen aufgetreten sind. Die Ergebnisse haben jeweils Einfluss auf die folgenden Trainingseinheiten und werden beim nächsten Termin in der Physiotherapie ausgewertet. Das komplette Reha-Programm umfasst 24 Wochen, ist von Ärzten und Physiotherapeuten entwickelt worden und als Medizinprodukt zertifiziert. Das unterscheidet die App von anderen Angeboten aus dem Internet. Sie soll und wird den Heilungsprozess deutlich beschleunigen.
Quelle: Hauptsache gesund
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | Hauptsache gesund | 08. April 2021 | 21:00 Uhr