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Der Redakteur | 29.04.2022 Wieso darf für nutzlose Entgiftungspflaster für die Füße geworben werden?

27. April 2022, 17:51 Uhr

Klaus Burkhardt aus Rudolstadt hat ein "unmoralisches" Angebot bekommen - er sollte detoxen mit Hilfe von Entgiftungspflastern, die man auf die Fußsohlen klebt. Nur: Die Dinger bringen nix. Nun fragt er den Redakteur, wieso sie dennoch so beworben werden (dürfen)?

Abnehmen und Entschlacken sind Themen, die gern benutzt werden, um den Leuten das Geld aus der Tasche zu ziehen. Verbraucherschützer und Mediziner warnen seit Jahrzehnten, Gerichte verurteilen regelmäßig Firmen, die dann unter neuem Namen und mit umbenannten Produkten die gleiche Nummer erneut durchziehen.

Besonders gefährdet sind Menschen, die nach Alternativen zur herkömmlichen Medizin suchen. Nun ist bekannt, dass auch Placebos wirken können. Von daher mag es sein, dass sich Menschen besser fühlen, wenn sie sich Pflaster an die Füße kleben. Am meisten profitieren damit aber die Hintermänner, die diese Wundermittel verkaufen.

Eine Reinigung des Körpers von Schadstoffen ist aus wissenschaftlicher Sicht nicht nötig - zumal es keine Aussage dazu gibt, um welche Gifte oder Schadstoffe es sich dabei genau handelt. Und auch nicht darüber, wie diese dann abgebaut werden sollen.

Deutsche Gesellschaft für Ernährung

Ein gesunder menschlicher Körper "reinigt" sich selbst, indem er unerwünschte Stoffe über Leber, Nieren, Darm, Haut und die Atmung ausscheidet. Das ist jedenfalls der Stand der Wissenschaft. Davon unterscheiden muss man echte Vergiftungen, bei denen gezielte medizinische Maßnahmen erforderlich sind, Stichwort: die Gabe von Gegengiften, die allerdings definitiv nicht als Pflaster an die Füße geklebt werden.

Wer steckt hinter den Entgiftungspflastern zum Beispiel von Nutriform?

Im Impressum der Internet-Shops von Nutriform stehen eine Luxemburger Firma und ein Geschäftsführer namens Eddy Nenni. Mit ihm hatte der Anwalt für Wettbewerbsrecht Ralf Welzel aus Berlin auch schon zu tun, der im Auftrag von Mandanten bereits drei Verfahren gegen Nutriform geführt hat. Irgendwelche Nahrungsergänzungsmittel und heilenden Gele waren die strittigen Wundermittel. Die Verfahren waren alle erfolgreich, die Firma wurde zur Unterlassung verurteilt.

Das Problem ist allerdings, dass es sich häufig um Werbeverstöße handelt, die schnell verjähren. Und diese Firmen haben schlicht eingepreist, dass die Produkte vom Markt genommen werden müssen und ggf. auch mal ein Bußgeld fällig wird.

Dann wird das Produkt umbenannt, oder eine andere Gesellschaft betreibt das Ganze. Die Hintermänner sind die gleichen und dann geht das Spiel von vorne los.

Ralf Welzel Anwalt für Wettbewerbsrecht aus Berlin

Im Fall von Nutriform bzw. dem Umfeld der Firma führten die Spuren bis in die USA: Ein Briefkasten im Bundesstaat Delaware wurde zu Verschleierung eingesetzt. Denn je versteckter man agiert, umso schwerer ist man aufzuspüren. Luxemburg als Firmensitz ist da aber auch schon ganz hilfreich. Und wenn der Shop in Deutschland dann auch noch Produkte enthält, die man auch in der Drogerie zu kaufen bekommt, fallen die wirklich geldbringenden Wundermittel gar nicht negativ auf.

Anders ausgedrückt: Das seriöse Produkt färbt quasi auf das unseriöse ab. Das ist ein bisschen Verkaufspsychologie. Und das gilt auch für die Inhaltsstoffe.

Unsere köstliche Heimat - Brennessel-Eintopf
Brennessel entgiftet - zum Beispiel als preiswerter Tee Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Wenn Brennesselblätter teuer werden

Die Brennnesselblätter zusammen mit anderen Essenzen klingen doch sehr gesund. Nur ist Brennesseltee für wenig Geld im Supermarkt zu haben. Teuer und damit wertvoll für Betrüger wird es erst mit dem Aufdruck, dass der besondere Mix Giftstoffe rausschwemmt. "Detox" ist so ein Begriff, der es schon bis zum Bundesgerichtshof geschafft hat (Entgiftung = engl. Detoxifikation, kurz Detox), weshalb sich die Anbieter von Wundermitteln heute anderer Bezeichnungen bedienen.

"Bei der Bezeichnung "Detox" handele es sich um eine nach Art. 10 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 verbotene gesundheitsbezogene Angabe" Beschluss I ZR 71/16 Bundesgerichtshof

Anders im Ton, gleich in der Wirkungslosigkeit, was das Entgiften und Entschlacken betrifft. Die Verbraucherzentralen haben mittlerweile eine ganze Sammlung angelegt, "minus Tox", "antitox", "d-tox", "freetox" oder "de-tox" - die Branche ist erfinderisch.

Was kann man gegen Verkäufer von "Wundermitteln" unternehmen?

Anwalt Ralf Welzel hält es so: Erstmal bei allen Werbeversprechen davon ausgehen, dass sie nicht stimmen und dann schauen, ob nicht vielleicht doch etwas dran sein könnte. Heißt: Nicht gleich alles gedankenlos konsumieren. Wie bei den Nachrichten aus dem Netz gilt: Wer verkauft mir hier etwas und warum?

Und dann gibt es gerade in Deutschland genügend Möglichkeiten, solche Betrugsfälle diversen Organisationen auf den Schreibtisch zu legen. Die Verbraucherzentralen könnten Ansprechpartner sein, Polizei und andere Behörden, Wirtschaftsverbände und die Wettbewerbszentrale ebenso, auf deren Website man sehr schnell die notwendigen Angaben machen kann.

Dabei ist nicht nur wichtig, den Druck auf die Betrüger zu erhöhen, so Ralf Welzel. Auch die Gesetzgeber bis hin zu EU-Behörden sehen oft erst im Ergebnis von Gerichtsverfahren Handlungsbedarf. Ein Punkt ist die Beweislastumkehr, die es im EU-Recht in einigen Bereichen schon gibt, nämlich bei Nahrungsmitteln mit gesundheitsfördernder Wirkung. Hier ist es so, dass das Gericht nicht mehr nachweisen muss, dass die versprochene Heilung wissenschaftlich nicht haltbar ist, sondern für Lebensmittel darf man gesundheitsfördernde Angaben nur nutzen, wenn diese durch die EU zugelassen sind.

Du hast eine gesundheitsbezogene Aussage verwendet, das Mittel soll diese oder jene Krankheit verhindern, das belege mir und dann darfst du das verwenden. Vorher gilt ein Verbot.

Ralf Welzel Anwalt für Wettbewerbsrecht aus Berlin

Das Prinzip der Beweislastumkehr aber jetzt auf alle Bereiche des Lebens auszudehnen, würde die Überwachungsbehörden schlicht überforderen. Täglich kommen neue Produkte auf den Markt, werden Werbeslogans erdacht. Wenn diese dann alle eingereicht und bewertet werden müssten, käme niemand mehr hinterher. Ein stückweit müssen wir schon auf uns selbst aufpassen und es ist ja nicht so, dass wir nicht gewarnt hätten. "Google ist dein Freund" – ein bisschen was ist dran, an dem Satz und Auffälligkeiten fallen da sehr schnell auf.

Und so ganz nebenbei: In der Natur gibt es auch keine Behörden, die jeden Betrug verhindern. Wer aus seinen Fehlern nicht lernt, hat ein Problem.

Täuschblumen zum Beispiel locken Bestäuber an, indem sie mit falschen Versprechungen werben. Sie "verkleiden" sich als Futtersuch- oder Eiablageplatz oder gar als Sexualpartner. Der dusselige Insektenmann, der immer wieder auf vorgetäuschte Frauen hereinfällt, wird der letzte Ast seines Stammbaums sein…

Quelle: MDR THÜRINGEN

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Ramm am Nachmittag | 29. April 2022 | 15:50 Uhr

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