Der Redakteur | 28.09.2023Warum lassen sich die Deckel von Getränkeflaschen nicht mehr abschrauben?
Nora Weichert aus dem Fränkischen fragt sich: Warum gehen bei immer mehr Getränkeflaschen die Deckel nicht mehr ab? Das ist total unpraktisch, denn beim Trinken und Eingießen geht dadurch häufig etwas daneben. Grund ist eine EU-Umweltschutzrichtlinie.
- Recycelbare Kunststoffabfälle verschmutzen Umwelt
- Hohe Recyclingquote in Deutschland
- EU-Richtlinie regelt Auswirkungen von Kunststoffprodukten auf die Umwelt
Der Trend wird zunehmen: Ab 2024 werden laut EU-Richtlinie 2019/904 über die Verringerung der Auswirkungen bestimmter Kunststoffprodukte auf die Umwelt Einweg-Kunststoffflaschen und andere Getränkeverpackungen wie Tetra Paks mit ihren Deckeln verheiratet. Zum Schutz der Umwelt.
Dadurch soll verhindert werden, dass immer mehr Kunststoffabfälle den Wertstoffkreislauf verlassen und wahlweise in Wald, Flur oder im Meer landen. Besonders letzteres ist quasi voll, auch wenn wir das an unseren Traumstränden nicht direkt sehen.
Müll findet sich selbst in entlegensten Gegenden
Wissenschaftler, die in entlegenen Südseeregionen forschen, sprechen von unfassbaren Müllteppichen, die durch die weltweiten Strömungen zusammengetrieben werden.
Wer die zweite Staffel des YouTube-Formats "7 vs. Wild" gesehen hat, dürfte erschüttert gewesen sein, mit welchen Müllbergen die Abenteurer konfrontiert wurden, die auf einer zu Panama gehörenden Insel sieben Tage ohne menschlichen Kontakt ausharren mussten. Den hatten sie nämlich dann doch, indem sie vom Meer mit Kleidungsstücken, Flaschen, Schuhen, Planen und anderen Alltagsgegenständen versorgt wurden.
Aber der ganze Müll ist nicht nur ein optisches Problem, die Produkte zerfallen langsam, Mikropartikel gelangen in die Nahrungskette und für die Tiere im Wasser ist der Müll ohnehin eine Todesfalle. Viele verfangen sich in den Netzresten oder verenden qualvoll, weil sie irgendwelche Plasteteile mit Leckerlis verwechselt haben. Was in den Mägen verendeter Tiere gefunden wird, gehört eigentlich in den Gelben Sack.
Hohe Recyclingquote in Deutschland
Deutschland hat eine hohe Recyclingquote. PET-Einwegflaschen kommen in 98 Prozent der Fälle wieder in den Wertstoffkreislauf zurück. Das sind jedenfalls die Zahlen der Gesellschaft für Verpackungsmarktforschung, die der Kunststoffverpackungsindustrie nahe steht.
Auch andere Zahlen der vergangenen Jahre attestieren einen Rücklaufwert von deutlich über 90 Prozent. Die 25 Cent Pfand zeigen Wirkung und dass der Deckel dran bleibt, haben wir einerseits durch die Pfandflaschen gelernt, andererseits wird es von Verbrauchern als positiv wahrgenommen, wenn die Cola-Reste nicht in den Kofferraum tröpfeln. So gesehen sind wir auch nicht zwingend die ersten Adressaten der EU, wenn es darum geht, den Deckel samt Flasche zu entsorgen und zurückzubringen.
Niederländische Strände als Deckel-Halde
Eine Aktion der Bewegung "Seas At Risk" ("Meere in Gefahr"), einer Vereinigung internationaler Umweltschutzorganisationen, hat 2016 an niederländischen Nordseestränden systematisch Strandspaziergänge unternommen und Müll eingesammelt. Das Ergebnis: Mehr als 10.000 Flaschendeckel wurden eingesammelt, pro Strandkilometer zwischen 20 und 128 Stück.
In den letzten 30 Jahren wurden bei Strandreinigungsaktivitäten auf der ganzen Welt mehr als 20 Millionen Flaschenverschlüsse und -deckel gefunden.
Bewegung "Seas At Risk"
Viele hat das Meer ausgeworfen, das war an ihrem Zustand zu erkennen. 80 Prozent der Deckel wurden als Deckel von Getränke- und Lebensmittelverpackungen identifiziert. Teilweise war die Marke noch erkennbar. Die meisten Deckel waren aber "anonym" und in den Farben blau und weiß, typische Wasserflaschendeckelfarben eben.
"In den letzten 30 Jahren wurden bei Strandreinigungsaktivitäten auf der ganzen Welt mehr als 20 Millionen Flaschenverschlüsse und -deckel gefunden." heißt es in einem Statement von "Seas At Risk". Auch solche Erkenntnisse sind daher in die EU-Entscheidung eingeflossen. Etwa die Vorgabe, dass Deckel und Gefäß künftig fest verbunden sein sollen.
Was besagt die EU-Richtlinie genau?
Der Titel der Richtlinie ist eindeutig: "Verringerung der Auswirkungen bestimmter Kunststoffprodukte auf die Umwelt". Wir kennen bereits das berühmte Strohhalmverbot, das darin auch seine Begründung findet. Generell geht es um Abfallvermeidung und Recyclingkreisläufe, schließlich sollen die wertvollen Rohstoffe im Kreislauf gehalten werden. Mehrere hundert Euro ist eine Tonne PET-"Abfall" wert, denn da kann man etwas daraus machen. Im wahrsten Sinne des Wortes: Neue Flaschen, Folien, Planen, Kleidung und vieles mehr.
Was unsere Flaschen betrifft, sieht es ab 2024 so aus, dass gemäß Artikel 6 der Richtlinie die Mitgliedstaaten dafür Sorge tragen müssen, dass bestimmte Einwegkunststoffartikel nur in Verkehr gebracht werden dürfen, wenn Verschlüsse und Deckel an den Behältern befestigt bleiben. Und zwar während der Verwendung. Ausdrücklich genannt sind "Getränkebehälter mit einem Fassungsvermögen von bis zu drei Litern, das heißt Behältnisse, die zur Aufnahme von Flüssigkeiten verwendet werden, wie Getränkeflaschen, einschließlich ihrer Verschlüsse und Deckel und Verbundgetränkeverpackungen einschließlich ihrer Verschlüsse und Deckel."
Nicht betroffen sind Glas- oder Metallbehälter mit Kunststoffdeckeln und einige Getränkebehälter "für besondere medizinische Zwecke." Was die Einwegflaschen angeht, werden wir also ein paar gewohnte Bewegungen anpassen müssen und vielleicht auch das Trinken aus der Flasche ein stückweit neu erlernen.
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MDR THÜRINGEN (dgr)
Dieses Thema im Programm:MDR THÜRINGEN - Das Radio | Ramm am Nachmittag | 28. September 2023 | 16:40 Uhr