Verbraucher-FrageWoran erkenne ich "Fairtrade"- Schokolade?Der Redakteur | 12.04.2022
Silke Büchner aus Erfurt möchte wissen: "Woran erkenne ich eigentlich, ob der Schokoladen-Osterhase oder die Schokolade grundsätzlich "fairtrade" ist und zum Beispiel die Kakaobauern auch vernünftig bezahlt werden?" Und wie gehen Thüringer Produzenten damit um? Unser Redakteur für Hörerfragen, Thomas Becker, hat dazu recherchiert.
Egal in welcher Form die Schokolade bei uns in den Supermarktregalen ankommt, am Anfang der Lieferkette steht immer der Kakaobauer. Um ein Bild zu zeichnen: Von den 24 Stück einer 100-Gramm-Tafel zum Preis von 99 Cent bekommt der Erzeuger ein Stück ab. Das sind umgerechnet gut vier Cent, rechnet Dieter Overath vor, der vor 30 Jahren Fairtrade gegründet hat und bis heute der Vorstandschef ist.
Selbst bei einer Verdreifachung dieser vier Cent bliebe die Tafel für uns locker bezahlbar, während sich in den Erzeugerländern die Welt verändert. Auch wenn das irgendwie immer noch nicht wirklich fair klingt. Da nicht jeder Hersteller mit seiner guten Tat hausieren geht und das Logo auf sein Produkt druckt, bleibt nur der Blick in die Fairtrade-Datenbank.
Am Anfang war der Kaffee
Geburtsstätte von Fairtrade war ausnahmsweise einmal keine Garage, sondern das Wohnzimmer von Dieter Overath. Entwickelt hat sich die Idee fairer Löhne für Kaffeebauern in 30 Jahren zu einer Lebensaufgabe, die heute über Kakao und Textilien schon vieles umfasst, aber noch längst nicht alle Branchen erreicht hat. Das nun auf den Weg gebrachte EU-Lieferkettengesetz soll per Gesetz für weitere Verbesserungen sorgen und Ausbeutung, Kinderarbeit und Umweltzerstörung verhindern.
Aber beim Lohn klemmt es weiter, bedauert Overath. Selbst die größten Egoisten hierzulande werden die Folgen in nicht allzu ferner Zukunft spüren, prognostiziert er, weil die aufgeklärte nachwachsende Generation der Bauernfamilien in Westafrika oder Südamerika nicht mehr bereit ist, uns für einstellige Dollarsummen am Tag Kakao- oder Kaffeebohnen zu pflücken oder Bananenstauden von den Bäumen zu schneiden. Die "Generation Handy" dort hat nämlich mitbekommen, dass es anderswo ein schöneres Leben gibt.
Salopp gesagt haben die keinen Bock mehr darauf. Alleine die Hoffnung auf etwas Besseres ist lukrativer, als eine Realität, die mit Ansage nicht ausreicht.
Dieter Overath, Gründer und Vorstandschef von Fairtrade
Was zahlt Fairtrade den Bauern?
Es geht letztlich um weit mehr als nur um mehr Geld für die Arbeiter, es geht um eine nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung in der Anbauregion und letztlich auch um einen Beitrag zur Klimarettung. Um das Siegel benutzen zu dürfen, müssen die Süßwarenhersteller den Kooperativen der Bauern - denn so sind sie organisiert - pro Tonne mindestens 2.400 Dollar zahlen. Es gibt dann noch Zusatzprämien für Investitionen oder zum Beispiel für Bio-Anbau.
Die Kooperative vor Ort entscheidet am Ende auch, in welche Projekte investiert wird. Die Menschen dort sollen ja nicht entmündigt werden, im Gegenteil. Es werden zum Beispiel auch Programme unterstützt, die Frauen vom Feld ins Management holen. Auch ist die Weiterverarbeitung, also Wertschöpfung vor Ort, ein großes Thema, das beim Kaffee mit örtlichen Röstereien schon gut angelaufen ist.
All das bringt letztlich verschiedenartige Arbeitsplätze und damit echte Zukunftsperspektiven für die Menschen in ihrer Heimat, die ohne eine faire Bezahlung schlicht nicht existieren. Auch Natur- und Klimaschutz sind große Themen, damit verbunden ist immer die Wasserfrage, von dem es wahlweise zu viel (Überschwemmungen) oder zu wenig (Dürren) geben kann und letztlich darf die Agrarwirtschaft den Menschen auch nicht das Wasser entziehen, das sie schließlich auch zum Leben brauchen.
Es muss Schluss sein mit der kolonialen Form der Ausbeutung, Motto: Ihr liefert die Rohstoffe - also Kakao- oder Kaffeebohnen - und wir machen den Preis und den Wert.
Dieter Overath, Gründer und Vorstandschef von Fairtrade
Denn der Wert der Ware entsteht erst durch Verarbeitung und leider zu einem übergroßen Teil durch die Marke, die sich der Rohstofflieferant oft gar nicht leisten kann.
Es geht nicht nur um Kaffee und Kakao
Klamotten, Fußbälle, Spielzeug, Elektroartikel - die Liste der Produkte, die wir gern billig einkaufen, ist endlos. Von der Rohstoffgewinnung über die Produktion und Montage bis zum Transport ergeben sich viele Gelegenheiten, die Kosten auf Kosten der Schwächsten zu reduzieren. Diese werden von den weltweit operierenden Konzernen auch gern wahrgenommen, trotzdem haben wir es als Kunden letztlich selbst in der Hand.
Dieter Overath will nicht fanatisch rüberkommen, achtet aber beim Einkauf sehr wohl darauf, was er auswählt. Wichtig dabei: Ein hoher Preis an der Kasse bedeutet nicht automatisch, dass wir es mit fair gehandelten Produkten zu tun haben. Umgekehrt zeigt gerade die Schokolade, dass hochpreisige Osterhasen sich durchaus auch als schwarze Schafe entpuppen können, während Eigenmarken der Handelsketten, die ja auch dem Preisdruck unterliegen, das Fairtrade-Label tragen (dürfen).
Nicht jeder tut an dieser Stelle Gutes und redet darüber. Dieter Overath vermutet, dass man eine Diskussion vermeiden will, die da lautet: Wenn diese Schokolade fair gehandelt wurde, was ist das mit den anderen Produkten, die das Logo nicht tragen? Geht es dort also unfair zu?
Was machen die Thüringer Schoko-Hersteller?
Lizenzpartner sind laut Fairtrade zum Beispiel die Hersteller Griesson und Berggold, Storck ebenso, allerdings nicht für Produkte unter eigener Marke. Die Firma Storck teilte auf Anfrage mit, sich auch an anderen Nachhaltigkeitsprogrammen zu beteiligen. Unter anderem als Mitglied im "Forum nachhaltiger Kakao e.V."
Auch habe man sich verpflichtet, bis zum Jahr 2025 mindestens 85 Prozent des Kakaos in den kakaohaltigen Endprodukten nach Nachhaltigkeitsstandards zu beziehen. Die Viba Gruppe will bis Ende 2022 auf 100 Prozent zertifizierte Rohware im Bereich Kakao umstellen, schrieb das Produktmanagement. Außerdem arbeite man mit dem "Cacao Trace"-Programm von Puratos zusammen und führe Gespräche mit einem weiteren Partner.
Aus Sicht der Verbraucherinnen und Verbraucher ist spätestens an dieser Stelle die Übersicht verloren gegangen. Welcher Hase ist jetzt gleich noch mal fair entstanden? Dass EU-Lieferkettengesetz, Fairness-Siegel und Weltverbesserungsvereine überhaupt nötig sind, das ist schon peinlich genug. Doch bevor jemand auf wen auch immer zeigt: Der Griff ins Regal ist immer noch eine Privatentscheidung, die jeder durchaus etwas vorbereiten kann.
Regional und saisonal sind moderne Begriffe und auch die Datenbank von Fairtrade ist am Ende recht hilfreich und ein kleiner erster Schritt, um ein Stück Welt zu retten. Dieter Overath hat schließlich auch mal ganz klein angefangen in seinem Wohnzimmer und blickt 30 Jahre später nicht ohne Stolz auf ein respektables Lebenswerk.
Dieses Thema im Programm:MDR THÜRINGEN - Das Radio | Ramm am Nachmittag | 12. April 2022 | 17:10 Uhr