Rückrufe der Autoindustrie Wenn der Hersteller das Auto zurück ruft
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07. September 2022, 09:11 Uhr
Die Zahl der Rückrufe ist in den letzten Jahren stark gestiegen – von allen Autoherstellern. Woran es liegt, dass sich die sicherheitsrelevanten Rückrufe so stark erhöht haben und was Betroffene tun sollten, erklärt Auto-Experte Andreas Keßler.
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Die Automobilindustrie ist durch den hohen Kostendruck auf die Zulieferer verwundbarer geworden. Rund zwei Drittel aller Komponenten kommen mittlerweile von externen Lieferanten. Zum Sparen werden identische Bauteile quer durch alle Modellreihen verwendet – so kann schon eine vergleichsweise kleine Panne zu Rückrufen im Millionenbereich führen.
Hinzu kommen verstärkt Software-Probleme, die erst auf der Straße erkannt werden und oft sehr ernste Sicherheitsprobleme darstellen.
Es geht ums Geld
Da ein Autohersteller mit seinen Produkten Geld verdienen will, steht vor dem Rückruf oft eine "Risikobewertung", die die zu erwartenden Rückrufkosten mit möglichen Schadenersatz-Forderungen vergleicht. Im Extremfall könnte ein Unternehmen dann entscheiden, lieber eine relativ geringe Summe für Schadenersatzzahlungen zu opfern, als einen viel teureren Rückruf durchzuführen. In der Vergangenheit gab es durch diese Vorgehensweise bei betroffenen Unternehmen aber schwere Imageschäden, wodurch die "betriebswirtschaftliche" Lösung von ernsten Produktfehlern inzwischen nicht mehr angewendet wird.
Wie ein Rückruf abläuft
Wenn sich sicherheitsrelevante Probleme häufen, kann bei Untätigkeit oder zu großer Trägheit des Herstellers das Kraftfahrtbundesamt (KBA) in Flensburg einen Rückruf anordnen. Das KBA unterstützt die Hersteller dann dabei, indem sie die Daten der Halter der betroffenen Modelle zur Verfügung stellt.
Oft erregen solche Rückrufe kaum öffentliches Aufsehen und der Imageschaden für den Hersteller lässt sich geringhalten. Sind nur kleinere, nicht sicherheitsrelevante Mängel am Auto vorhanden, werden alternativ zur "richtigen" Rückrufaktion so genannte "stille Rückrufe" durchgeführt. Das geschieht meistens ohne Wissen des Kunden, etwa im Rahmen einer ohnehin fälligen Inspektion des Autos in der Vertragswerkstatt.
Bei Rückrufaktionen wird über die Medien der Besuch eines Vertragshändlers empfohlen, der das Problem des Autos dann kostenlos behebt. Inzwischen befassen sich auch einige Internetportale mit der Veröffentlichung von Produktrückrufen. Die Idee ist, dem Verbraucher eine feste Anlaufstelle im Internet zu bieten, wo wesentliche Daten zu einer Rückrufaktion auch dauerhaft verfügbar sind.
Achtung bei Gebrauchtwagen
Für Gebrauchtwagenkäufer ist die Kenntnis zurückliegender Rückrufaktionen wichtig, damit bei einem Gebrauchtwagenkauf die erfolgte Durchführung der Verbesserung am Auto überprüft werden kann. Welches Fahrzeugmodell zu welcher Zeit an einer Rückrufaktion beteiligt war, hat auch der ADAC in seiner "Rückruf-Datenbank" zusammengestellt. In ihr sind alle Rückrufaktionen seit 1995 aufgeführt.
Wie sich Fahrzeughalter verhalten sollten
Ordnet das Kraftfahrtbundesamt einen Rückruf an, weil es Bedenken gegen den weiteren Betrieb eines Kfz hat, muss der Fahrzeughalter diesem Folge leisten. Das Amt kann sonst die Betriebserlaubnis eines nicht nachgebesserten Fahrzeugs entziehen, welches dann nicht mehr gefahren werden darf.
Zuletzt gab es einige solcher Fälle im Zusammenhang mit unzulässigen Abschalteinrichtungen in der Abgasreinigungsanlage von Autos mit Dieselmotor.
In letzter Zeit deuten Autohersteller und -importeure die häufigen Rückrufaktionen gerne zum Kundenbindungsinstrument um und beteiligen ihre Marketing- und PR-Abteilungen an der Abwicklung.
Eine Rückrufaktion hat nämlich einen Nebeneffekt, den der Autofahrer gar nicht bemerkt: Ist er mit seinem Auto erst einmal in der Werkstatt (in die er ohne Rückruf gar nicht gefahren wäre), kann er mit Hilfe der dort arbeitenden Verkäufer zu weiteren Arbeiten am Fahrzeug oder zum Kauf von Zubehör wie Winterreifen, Alufelgen etc. überredet werden.
Achtung: Teilweise wurde die Vokabel "Rückruf" auch schon für Verkaufsaktionen lokaler Händler verwendet. Das ist aus Sicherheitsgründen höchst bedenklich: Wenn man nämlich drei "Rückrufe" im Briefkasten findet, mit deren Hilfe Standheizungen oder Nanobeschichtungen vermarktet werden, könnte der nächste, echte Rückruf im Mülleimer landen.
Quelle: MDR um 4
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR um 4 | 07. September 2022 | 17:00 Uhr