E-Autos im Test Bis zu über 40 Prozent weniger Reichweite als versprochen
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Mit bis zu 500 Kilometern Reichweite werben Händler für ihre Elektroautos. In unserem Test haben einige Modelle die Versprechen der Hersteller um über 40 Prozent unterboten. Dafür gibt es einfache Gründe. Eine Rolle spielt beispielsweise das Wetter.
Vier Modelle im "MDR Umschau"-Test
Bei vier Elektroauto-Modellen hat die "Umschau" im Dezember getestet, welche Reichweiten die Händler versprechen und wie weit die fahrbaren Untersätze dann tatsächlich kommen. Das Ergebnis: Kein Modell fuhr bis zur beworbenen Reichweite. Die größte Abweichung lag bei über 40 Prozent.
Alle Fahrzeuge wurden unter denselben Bedingungen auf die Strecke geschickt: bei eingeschalteter Heizung, mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 120 km/h über eine 180 Kilometer lange Strecke. Bei Zielankunft wurde die jeweilige Akku-Restlaufzeit sowie die noch verfügbare Entfernungsdauer erfasst. Im Anschluss wurden diese zur versprochenen Reichweite der Hersteller ins Verhältnis gesetzt. Getestet wurden von der "Umschau": der U5 von Aiways (kleine Batterie), der Hyundai Ioniq 5, der Volkswagen ID.4 und das Model 3 Long Range von Tesla (große Batterie).
Testergebnisse von 12/2021
Marke | pro Batterieladung versprochen | Testergebnis | Ergebnis |
---|---|---|---|
U5 Aiways | 410 km | 220 km | 53,6% |
Model 3 Long Range Tesla | 614 km | 370 km | 60% |
Hyundai Ioniq 5 | 481 km | 320 km | 67% |
Volkswagen ID.4 | 520 km | 310 km | 59% |
Alle Modelle konnten die versprochenen Reichweiten der Hersteller nicht erreichen. Dabei gibt es jedoch Unterschiede zu verzeichnen. Automobil- Experte Matthias Vogt vom ADAC ist von den Ergebnissen nicht überrascht: "Gerade im Winter empfehlen wir für eine realistische Reichweiteneinschätzung, den WLTP-Wert um cirka 30 bis 40 Prozent zu reduzieren.“
Das bedeutet: Bei vielen Kleinwagen mit Verbrennungsmotor wird ein 35 Liter-Tank verbaut, der bei einem angenommenen innerstädtischen Kraftstoffverbrauch von sechs Litern auf 100 Kilometer also eine theoretische Reichweite von etwa 550 Kilometern erlaubt. Zieht man hier 30 Prozent ab, würde die Reichweite nur noch 385 Kilometer betragen.
Geschaffte Reichweiten im Sommer
Unter vergleichbaren Bedingungen wie 12/2021 hatte die "Umschau" auch die Reichweite von Elektroautos im Sommer getestet. Der Aiways U5 kam damals auf 75 Prozent der vom Hersteller versprochenen Reichweite, der Ioniq 5 auf fast 71 Prozent, der VW auf 65 Prozent und der Tesla auf nur 58 Prozent, wobei damals das Model 3 von Tesla mit kleiner Batterie verwendet wurde.
Erhöhter Energiebedarf im Winter
Kraftfahrzeuge haben im Winter einen erhöhten Energiebedarf. Bei Elektroautos fällt dieser noch wesentlich höher aus als bei Verbrennungsmotoren: 95 Prozent der Energie eines E-Autos fließt in den Antrieb des Fahrzeugs. Da das Fahrzeug im Winter erst noch auf Betriebstemperatur geheizt werden muss, wirkt sich das natürlich negativ auf diese Antriebsenergie aus. Bei "Verbrennern" gehen nur etwa 60 Prozent der erzeugten Energie in den Antrieb. Da die Restenergie ohnehin Abwärme produziert, die im Winter das Fahrzeug schnell auf Betriebstemperatur bringt, ist der Reichweitenverlust bei Verbrennern im Winter deutlich geringer als bei E-Autos.
Faktor: Ladeleistung der Batterie
Die Batterie hat mit den kälteren Temperaturen im Winter zu kämpfen: Ihr Wohlfühlbereich liegt bei 20 bis 40 Grad. Bei niedrigen Temperaturen kann die Batterie beim Schnellladen nicht die hohen Leistungen aufnehmen und muss sich erst selber erwärmen. Vor dem Ladevorgang sollte sie daher idealerweise bereits auf Betriebstemperatur sein.
Die Ladeleistung ist jedoch noch von zahlreichen anderen Faktoren abhängig, erklärt ADAC-Experte Matthias Vogt: "Dazu zählen Batterietechnologie, LCM- oder LFP-Akku und Batterietemperatur. Die genaue Kalkulation dieser Faktoren geschieht nach Algorithmen des Fahrzeugherstellers-Managementsystems. Das bedeutet auch: Das E-Auto sagt der Ladesäule, welche Ladeleistung gerade möglich ist, nicht umgekehrt.“
Sicher sagen kann man aber, dass E-Autos mit 800-Volt-Batterien (statt 360 bis 500 Volt) schneller laden – durch die doppelt anliegende Spannung. Das erhöht auch die Leistung. Viele Autohersteller setzen daher bei ihren neuen Modellen auf Batterien mit hoher Spannung.
Auch Autobahnfahrten kosten mehr Energie
Wie weit das E-Auto mit einer Batterieladung kommt, hängt auch von der Verkehrslage ab. Laut Informationen des ADAC beruhen die Reichweiten-Angaben der Hersteller (nach WLTP-Norm) vor allem auf Stadt- und Überlandfahrten. Nutzt man jedoch für seine Fahrten vermehrt die Autobahn, kann die Batterieladung schneller aufgebraucht sein.
Die Fahrzeuge waren im Test der MDR-Umschau mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 120 km/h unterwegs. Ein Großteil der Strecke wurde dabei auf der Autobahn zurückgelegt. Ulrich Schubert, von der Friedrich-Schiller-Universität in Jena sieht darin den Hauptgrund für den hohen Verlust: "Wenn ich nicht mehr als 100 km/h fahre, kann ich die Reichweite halbwegs halten. Und schon, wenn ich 130 oder 140 fahre, geht der Zeiger ständig runter."
Quelle: MDR Umschau
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | Umschau extra | 04. Januar 2022 | 20:15 Uhr