Chemtrails über Dresden
Chemtrails über Dresden Bildrechte: Imago-Stock

Der Redakteur | 26.06.2023 Was hinterlassen Flugzeuge am Abendhimmel für Spuren?

26. Juni 2023, 16:40 Uhr

Kondensstreifen von Flugzeugen am Abendhimmel besorgen mehrere MDR-Nutzer. Sie fragen, ob sie sich wegen der "Chemtrails" Sorgen machen müssen.

Zunächst: Dass wir aktuell mehr Kondensstreifen am Himmel sehen, das hat tatsächlich mit dem Ukraine-Krieg zu tun, bzw. mit den gesperrten Lufträumen. Weil Russland seinen Luftraum für mehr als 35 unliebsam gewordene Staaten gesperrt hat, müssen sich alle Flugzeuge auf asiatischen Routen, die früher über Russland geflogen sind, andere Routen suchen. Diese gehen auch über deutschen Luftraum und verlaufen nun nicht mehr in Ost-West, sondern z.B. in Nord-Süd-Richtung.

Dass wir davon auch einiges abbekommen, kann jeder über Flightradar24 in Echtzeit verfolgen. Dass diese Flugzeuge auch für eine zahlenmäßige Zunahme von Kondensstreifen sorgen, ist auch logisch und wenn der Himmel wie zuletzt besonders blau ist, nehmen wir diese auch wahr. Allerdings nur dann, wenn das Wetter mitspielt. Die gute Sicht wird laut Deutschem Wetterdienst DWD etwa durch Hochdrucklagen beschert.

Auf dem Bild sieht man eine Löwenzahnwiese und einen wolkigen Himmel.
Manche Wolken bekommen Hilfe von Flugzeugen Bildrechte: IMAGO / Rene Traut

Wie entstehen Kondensstreifen?

Ob Kondensstreifen entstehen und wie lange die sich oben am Himmel halten, das ist abhängig von der Luftfeuchtigkeit in den Höhen zwischen neun und zwölf Kilometer, wo die meisten Flugzeuge unterwegs sind.

Eine hohe Luftfeuchtigkeit macht die Streifen sichtbar: Wenn sich die warme und ebenso feuchte Luft aus den Strahltriebwerken abkühlt, können Cirruswolken entstehen, denn nichts anderes sind letztlich die Kondensstreifen auch. Ist das Flugzeug alleiniger "Wasserlieferant", dann sind die Kondensstreifen nur ganz kurz. Ist die Luftfeuchtigkeit rund um das Flugzeug hoch, ist die Wolkenbildung entsprechend umfangreicher.

In Abhängigkeit von den Windverhältnissen werden diese Wolken bauschig und bekommen Türmchen, aber entscheidend sind die Feuchteverhältnisse.

Meteorologe Andreas Friedrich, Deutscher Wetterdienst

Flugzeuflügel vor blauem Himmel über der Erde und den Wolken, aus Flugzeugfenster gesehen.
Über den Wolken, muss die Freiheit wohl grenzenlos sein.... Bildrechte: imago images / CHROMORANGE

Triebwerke stoßen Partikel aus

Und je mehr Flugzeuge in einem Abschnitt unterwegs sind, umso mehr Wolken bilden sich dort. Und die ablaufenden Prozesse sind die gleichen wie bei jeder anderen Wolkenbildung auch. Es braucht einen Kondensationskeim, also kleine Partikel, die bekanntlich von den Flugzeugtriebwerken gleich mit ausgestoßen werden. Diese wirken eben dann als Kondensationskeime für kleine unterkühlte Wassertropfen, die zu Eiskristallen gefrieren und als Kondensstreifen am Himmel sichtbar werden.

Dass weniger Partikel nicht nur zu weniger Wolken führen, sondern dass emissionsfreieres Fliegen auch weniger klimaschädlich ist, das ist wissenschaftlich belegt. Was man von den Chemtrails nicht gerade behaupten kann, auch dazu erhalten wir regelmäßig Fragen, auf die wir wirklich nur dieses eine Mal eingehen wollen.

Flugzeug mit Kondensstreifen und Schriftzug CO2 am Himmel
Emissionsfreies Fliegen ist besser fürs Klima - aber "Chemtrails" sind nicht so schlimm, wie manche fürchten. Bildrechte: imago images/Christian Ohde

Was sind denn diese Chemtrails?

Der Betriff "Chemtrails" ist ein Kofferwort, zusammengesetzt aus chemical, also chemisch und contrails für Kondensstreifen. Das Märchen, dass da absichtlich irgendwelche Chemikalien versprüht werden, hält sich seit den 1990er-Jahren hartnäckig. Auch Bill Gates gehört mal wieder zu den angeführten Hintermännern, wenngleich sich die Verfechter der These nicht so ganz einig sind, was da genau versprüht wird und mit welchem Ziel.

Krude Verschwörungserzählungen über Chemtrails

Wahlweise sollen es Extradüsen an den Tragflächen sein, die an Flugzeugen wie einst an unseren gelben Agrarfliegern verbaut sind, aber noch mehr verfängt die Theorie, dass auch normale Flugzeuge direkt über Kerosinzusätze oder Extradüsen in den Triebwerken ihr (hirn?)tötendes Gemisch ausbringen.

Schlimmstenfalls soll so die ganze Menschheit vernichtet werden, aber auch das Impfen durch die Kopfhaut ist aus zwölf Kilometern Höhe angeblich möglich. Der Aluhut schützt aber sicher zuverlässig, nicht aber gegen die Strichcodes auf unseren Verpackungen, die auch Teil des Systems sind. Diese senden nämlich Gifte und Strahlen ab (Vorsicht, die Striche sollen angeblich Antennen sein!) und die Schnittmenge der verstrahlten Glaubensbrüder beider Theorien ist groß und mitunter kauffreudig.

Einen bei Verschwörungstheoretikern beliebten und oft ironisierten «Aluhut» trägt die Teilnehmerin an einer Kundgebung
Soll vor Blödsinn schützen: Der Aluhut. Bildrechte: picture alliance/dpa | Boris Roessler

Chemtrails - ein einträgliches Geschäft

Es gibt nicht nur Bücher und Websites, die sich mit den "bösen Mächten" auseinandersetzen, die Strichcodes und Chemieregen auf uns loslassen. Während die Strichcodes mit einem Stift zuverlässig deaktiviert werden können oder noch besser durch das Auflegen auf teure "Spezialtabletts", helfen gegen Chemtrails zum Beispiel "Cloudbuster", die - wie der Name schon sagt - die Wolken vertreiben.

Es gibt da zum Beispiel sogenannte "Orgonite", also Klumpen aus Kunstharz mit einem Anschein von Restmüll, der aus Edelsteinen, Halbedelsteinen und Metallen bestehen soll. Für Innenräume sind diese "Katalysatoren", die negative Energie (DOR) anziehen, sogar schon für unter 100 Euro zu haben. Die ganz großen Wolkenbrecher für den kompletten Garten kosten allerdings mehrere tausend (!) Euro und müssen ihres Gewichts wegen per Spedition geliefert werden. Das Kunstwerk sieht dann aus wie ein Kupferrohr im Blumentopf. Dass sie hier abgezockt werden, ist den begeisterten Kunden noch nicht aufgefallen, auch nicht, dass das Konsortium der Aussprühenden auffällig groß und schweigsam ist. Es sind ja auch nur ein paar Millionen von Mitarbeitern der Triebwerks- und Flugzeugbauer, Airlines, Wartungsfirmen, Kraftstoffproduzenten und Flughäfen auf der ganzen Welt und diejenigen, die in großen Höhen Messungen vornehmen.  

Wir messen dort oben mit Sonden die Luftqualität. Weder wir noch andere Forschungsinstitute, die sich mit der Zusammensetzung der Luft in höheren Schichten beschäftigen, haben irgendwas von dem gefunden, was von den Verschwörungstheoretikern immer beschrieben wird.

 Andreas Friedrich, Deutscher Wetterdienst

Quelle: MDR THÜRINGEN

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Ramm am Nachmittag | 26. Juni 2023 | 16:40 Uhr

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