Der Redakteur | 20.01.2023Welche Möglichkeiten es gegen Falschfahrer gibt
Eine Hörerin beschäftigt die schweren Geisterfahrer-Unfälle zuletzt. Wir haben nachgefragt, was es für bauliche Möglichkeiten gegen Falschfahrer gibt, wie weit die Technik und was in Deutschland geplant ist.
Auf dieser Seite:
Auf der A4 bei Schmölln starben Anfang Januar zwei Menschen bei einem Unfall mit einem Geisterfahrer. Kurz vor Weihnachten fuhr auf der A38 ein 80-Jähriger falsch herum von einem Parkplatz auf die Autobahn auf und krachte in ein entgegenkommendes Auto - dabei starben drei Menschen. Wie lassen sich solche gefährlichen Fehler verhindern?
Weder Leuchtstreifen oder Reflektoren in Deutschland geplant
Die Antwort der Autobahn GmbH des Bundes lässt darauf schließen, dass Deutschland keine bauliche Revolution plant. Also: Keine größeren und auffälligeren Schilder, wie es sie es in Österreich gibt oder auch Reflektoren wie in den USA, die die Fahrbahnen zu Leuchtstreifen werden lassen, vergleichbar mit einer Startbahn auf den Flughäfen. Der Clou der Reflektorenlösung ist dabei: Fährt man in die richtige Richtung, leuchten diese gelb - fährt man in die falsche Richtung, wird man quasi von roten Lichterketten flankiert. Deutlicher geht’s kaum, zumindest bei Dunkelheit.
Ein ähnlicher Effekt ließe sich übrigens erzielen, wenn die Reflektoren an den Leitpfosten entgegen der Fahrtrichtung rot leuchten würden. Das würde zumindest nachts die Sicherheit deutlich erhöhen und wenn Unachtsamkeit die Ursache für das falsche Abbiegen ist.
Nicht geplant sind auf deutschen Autobahnen auch Lichtschranken oder Detektoren, die Alarm schlagen, wenn Fahrzeuge die falsche Richtung fahren. Auch rabiate Lösungen werden nicht kommen, also die reifenaufschlitzenden Haken an den Auffahrten. Die Gefahr ist zu groß, dass im Stau (etwa bei Gefälle) jemand einmal ein paar Meter zurückrollt. Zudem müssen Einsatz- und Rettungsfahrzeuge häufig in falscher Richtung zur Unfallstelle fahren - deshalb warnen Verantwortliche vor solchen Ideen.
Deutschland setzt also weiter auf das Einbahnstraßenschild und die blauen "Zwangspfeile" und darauf, dass Autofahrer auf Raststätten eigentlich schon in einem sehr spitzen Winkel abbiegen müssten, um in die falsche Richtung zu fahren.
Die zuständige Autobahn GmbH Ost verweist darauf, dass es regelmäßige Kontrollen gibt, ob alle Schilder noch erkennbar sind. Bei Baustellen werde sehr darauf geachtet, dass keine Situationen entstehen, die Verkehrsteilnehmer in die falsche Richtung abbiegen lassen könnten. Auf Autobahnen in Deutschland werden also auch in Zukunft keine zusätzlichen Geisterfahrer-Warnsysteme stehen, es sei denn, diese kommen von den Autos selbst und landen dann auf den modernen Hinweistafeln. Und diese Zukunft hat sogar schon begonnen.
Geisterfahrer: Die moderne Technik soll es richten
Dass so ziemlich jeder ein bereits funktionierendes Warnsystem in der Hand hat, das überrascht etwas: Es ist das Smartphone, verbunden mit den GPS-Satelliten und einer App, fertig ist das Warnsystem. Und zwar im wahrsten Sinne des Wortes. Das Kooperationsprojekt "Ghosthunter" zwischen dem Institut für Space Technology and Space Application (Ista) der Universität der Bundeswehr München, dem Institut für Ingenieurgeodäsie (IIGS) an der Universität Stuttgart und der Firma NavCert wird vom Zentrum für Luft- und Raumfahrt und dem Bundesministerium für Wirtschaft gefördert und ist bereits auf Vermarktersuche. Das heißt: Es wird jemand gesucht, der die fertig entwickelte Lösung nebst App unters Volk bringt.
Es kann mit Ghost losgehen, wenn es ein Betreiber übernimmt. Wir als Universität können nicht als Vermarkter auftreten.
Dr. Martin Metzner | IIGS Uni Stuttgart
Ein weiteres System, die Bosch-Falschfahrerwarnung, ist sogar schon auf der Straße, bzw. im Handy. Bosch wollte anfangs auch auf eine eigene App setzen, hat sich dann aber dafür entschieden, eine Anwendung zu entwickeln, die in bestehende Apps und in Autos integrierbar ist. Vorteil: Die größeren Verbreitungsmöglichkeiten. Die fertig programmierte Anwendung kann etwa Nachrichten-Apps mit wenig Aufwand um die Geisterfahrer-Warn-Funktion erweitern. Gewarnt wird der Geisterfahrer selbst und alle, die ihm entgegen kommen.
Das Problem bei beiden Lösungen: Der Geisterfahrer muss "mitspielen". Jedes ans System angeschlossene Handy sendet anonymisiert den Standort an eine cloudbasierte Software, die dann quasi die Fahrtrichtung mit der Vorgabe auf einer Karte abgleicht. Läuft hier etwas falsch, geht in Sekundenbruchteilen die Warnung an alle raus, das heißt: Der Falschfahrer befindet sich in den meisten Fällen sogar noch auf der Auffahrt.
Das Warnsystem im Auto: Der Deutsche und der Datenschutz
Noch besser als die Handy-Lösung ist die ebenso bereits fertige Variante in den Autos selbst. Skoda hat als erster Hersteller das Bosch-System an Bord. Das heißt: Die neuen Autos sind vorbereitet und könnten mitmachen, wenn der Nutzer es denn will. Im Falle eines Falles kommt dann die Warnmeldung direkt aufs Display im Armaturenbrett.
Aber wie bereit sind wir überhaupt für eine solche Lösung? Denn da ist ja immer noch die Geschichte mit dem Datenschutz. Und eine App, die dauerhaft auf meinen Standort zugreift und diesen auch noch in eine Internet-Cloud irgendwo sendet, die ist dem deutschen Michel häufig suspekt. Dann doch lieber der Geisterfahrer? Das kann es aber irgendwie auch nicht sein. Zumal die Entwickler beider Systeme darauf verweisen, dass sie nur anonymisierte Daten verarbeiten.
Das Ganze ist komplett anonymisiert.
Lars Mueller | Engineering Connected Safety Services Bosch
Vielleicht ist die Anonymität sogar der Grund dafür, dass die großen Dateninteressenten wie Google, Microsoft oder Apple noch nicht so direkt auf die deutschen Systeme abgefahren sind. Am Preis kann es nämlich auch nicht liegen. Bosch will von den App-Betreibern nicht einmal Geld für die Integration. Der Dienst ist also komplett kostenlos!
Nur die Autohersteller müssen im Falle einer Integration Lizenzgebühren bezahlen. Und die künftigen Betreiber des Stuttgarter Systems bekommen die technische Lösung auch auf dem Silbertablett serviert.
eCall System und Mowas: Was es bereits gibt
Und profitieren könnten am Ende wir alle. Denn beide Warnsysteme werden in der Lage sein, ihre gewonnenen Erkenntnisse in Echtzeit an sämtliche Multiplikatoren weiterzuleiten, also zum Beispiel an das europäische eCall System. Das System ist Pflicht in neuen Autos mit Typzulassung ab 1. April 2018 und sendet bei schweren Unfällen (solche mit Airbag-Auslösung) die Positionen direkt an die Leitzentralen.
Genauso können die Geisterfahrermeldungen aus dem Ghosthunter der Uni Stuttgart und dem Bosch-System über andere bereits funktionierende Systeme verbreitet werden, wie das Modulare Warnsystem (MowaS) des Bundes, sodass auch Warntafeln und Radiosender sofort über Geisterfahrer informieren können.
Derzeit kommen solche Warnungen zwar auch als Meldung im Auto-Display oder im Radio an, nur haben sie vorher den Umweg über die Polizei genommen. Also: Ein Autofahrer ruft die 110 an, die Polizei checkt und meldet weiter. Das kostet wertvolle Minuten, während die GPS-gesteuerten Systeme quasi in Echtzeit arbeiten. Aber eben nur, wenn alle mitmachen. Die Technik ist jedenfalls bereit dafür.
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