Pauschalreisen Reisesicherungsfonds springt bei Anbieter-Pleite ein
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Ab November gebuchte Pauschalreisen werden im Falle der Insolvenz des Anbieters durch den Deutschen Reisesicherungsfonds entschädigt. Claudia Neumerkel von der Verbraucherzentrale Sachsen erklärt, was sich damit ändert.
Auf dieser Seite:
- Wieso gibt es eine Neuregelung der Insolvenzsicherung für Pauschalreisen?
- Die Neuregelung gilt nun verbindlich für alle Pauschalreise-Buchungen ab dem 1. November?
- Sind dann alle Posten des Reisepreises im Insolvenzfall abgesichert?
- Ist es egal, wo ich gebucht habe? Oder gibt es hier Unterschiede?
- Was passiert, wenn die Gelder im Fonds nicht ausreichen?
- Wie werden Reiseunternehmen die Kosten für den Sicherungsfonds kompensieren? Wird das die Reisepreise verteuern?
- Was müsste noch verbessert werden, um Kunden im Falle einer Insolvenz des Reiseunternehmens abzusichern?
Wieso gibt es eine Neuregelung der Insolvenzsicherung für Pauschalreisen?
Claudia Neumerkel: Die Insolvenz von Thomas Cook hatte 2019 gezeigt, dass das bisherige System bedeutsame Schwachstellen hatte. Der Bund musste mit Zahlungen von mehreren Millionen für Kunden einspringen, die nur einen Bruchteil ihrer Zahlungen vom Insolvenzversicherer erhalten hatten.
Die Neuregelung gilt nun verbindlich für alle Pauschalreise-Buchungen ab dem 1. November?
Claudia Neumerkel: Die Neuregelung gilt für alle Pauschalreisen und Reisen mit verbundenen Reiseleistungen. Die Reiseveranstalter müssen sich ab diesem Datum über einen Reisesicherungsfonds absichern. Ausgenommen sind kleinere Anbieter mit einem Umsatz von weniger als zehn Millionen Euro pro Jahr. Sie haben ein Wahlrecht, ob sie Mitglied im Fonds werden oder sich weiter wie nach bisherigem Recht absichern möchten.
Was gilt als "verbundene Reiseleistung"?
Verbundene Reiseleistungen liegen vor, wenn mindestens zwei verschiedene Arten von Reiseleistungen bei ein und derselben Reise erbracht werden sollen und der Kunde diese in einer einzigen Vertriebsstelle des Unternehmers im Rahmen desselben Buchungsvorgangs auswählt, bevor er sich zur Zahlung verpflichtet oder der Unternehmer die Reiseleistungen zu einem Gesamtpreis anbietet oder zu verschaffen verspricht oder in Rechnung stellt oder der Unternehmer die Reiseleistungen unter der Bezeichnung "Pauschalreise" oder unter einer ähnlichen Bezeichnung bewirbt oder auf diese Weise zu verschaffen verspricht.
Sind dann alle Posten des Reisepreises im Insolvenzfall abgesichert?
Claudia Neumerkel: Der Reisesicherungsfonds bzw. der Versicherer sind verpflichtet, im Insolvenzfall des Reiseveranstalters dem Reisenden Anzahlungen und Zahlungen für nicht erbrachte Reiseleistungen zu erstatten – sowie für seine Rückbeförderung und die Beherbergung des Reisenden bis zur Rückreise zu sorgen, falls sich die Insolvenz während der Reise ereignet.
Nicht abgesichert sind die Fälle, in welchem Anbieter keinen wirksamen Absicherungsvertrag geschlossen haben. Das Problem soll zwar durch verschiedene Mechanismen ausgehebelt werden. Theoretisch können Missbrauchsfälle jedoch bei allen Sicherungssystemen existieren, welche sich eben leider auch nicht im Zweifelsfall für die Verbraucher ohne weiteres erkennen lassen.
Ist es egal, wo ich gebucht habe? Oder gibt es hier Unterschiede?
Claudia Neumerkel: Es ist grundsätzlich egal, wo gebucht wurde. Es kommt nur darauf an, ob eine Pauschalreise oder eine Reise mit verbundenen Reiseleistungen gebucht wurde.
Was passiert, wenn die Gelder im Fonds nicht ausreichen?
Claudia Neumerkel: Nach dem neuen Recht haftet der Reisesicherungsfonds ohne Haftungsbegrenzung. Während der Aufbauphase des Fonds bis 2027 wird der Staat mit einer Garantie für womögliche Ausfälle haften. Das Zielkapital soll nach der Übergangsphase am 31. Oktober 2027 750 Millionen Euro betragen.
In den Fällen, in denen sich ein Reiseveranstalter mit einem Jahresumsatz von maximal zehn Millionen Euro bei einem Versicherer absichert, gilt jedoch eine differenzierte Lösung. Hier kann der Absicherer seine Haftung bei Reiseveranstaltern mit einem Jahresumsatz von weniger als drei Millionen Euro auf eine Million Euro für jeden einzelnen Veranstalter begrenzen.
In einem Absicherungsvertrag mit einem Veranstalter, der einen Umsatz von mehr als drei Millionen Euro, aber maximal zehn Millionen Euro hat, darf eine derartige Haftungsbeschränkung jedoch nicht vereinbart werden. Der Versicherer muss also unbeschränkt haften.
Was bedeutet, dass der Fonds noch im Aufbau ist? Birgt das Risiken für Verbraucher?
Claudia Neumerkel: Nein, das birgt aufgrund der staatlichen Absicherung keine Risiken für die Verbraucher.
Was muss der Verbraucher tun, um im Falle der Insolvenz des Reiseunternehmens sein Geld zurückzubekommen? Gibt es da jetzt Neues zu beachten?
Claudia Neumerkel: Grundsätzlich hat der Deutsche Reisesicherungsfonds (DRSF) im Insolvenzfall alle notwendigen Daten bereits vom Anbieter für die Reise erhalten. Um Schadensfälle darüber hinaus bearbeiten zu können, kann der Reisende eine Meldung über dessen Homepage tätigen.
Wie werden Reiseunternehmen die Kosten für den Sicherungsfonds kompensieren? Wird das die Reisepreise verteuern?
Claudia Neumerkel: Wir vermuten grundsätzlich aufgrund verschiedener Hintergründe eine mittel- bis langfristige Verteuerung von Reisen. Eine merkliche Preissteigerung aufgrund der neuen Insolvenzregelungen ist flächendeckend jedoch nicht zu erwarten.
Was müsste noch verbessert werden, um Kunden im Falle einer Insolvenz des Reiseunternehmens abzusichern?
Claudia Neumerkel: Die Verbraucherzentralen fordern seit Jahren eine Insolvenzabsicherung für Teilbereiche von Individualreisen, im insbesonderen hier für Flüge. Hier kann sich der Kunde gegenwärtig nur umständlich selbst für den Insolvenzfall und den Ausfall seiner Ticketkosten versichern.
Quelle: Verbraucherzentrale Sachsen/cb
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR AKTUELL | 30. Oktober 2021 | 19:30 Uhr