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Ab Januar 2024 erhalten Pflegebedürftige fünf Prozent mehr Pflegegeld. Bildrechte: MDR/imago/epd

PflegereformMehr Pflegegeld ab 2024: Wer bekommt es und wie viel?

24. August 2023, 09:00 Uhr

Es gibt immer mehr alte Menschen, die pflegebedürftig werden - und immer weniger junge Menschen, die in die Pflegeversicherung einzahlen. Pflegepersonal ist knapp. Plätze in Pflegeheimen sind mit rund 2.400 Euro pro Monat für viele zu teuer. Das neue "Pflegeunterstützungs- und Entlastungsgesetz" soll Abhilfe schaffen. Rechtsexperte Gilbert Häfner erklärt, wer wie viel Pflegegeld bekommt und welche weiteren Leistungen und Ansprüche Pflegebedürftige und Pflegende geltend machen können.

Was ist Pflegegeld, wer bekommt es und wie viel?

Laut Koalitionsvertrag soll es zukünftig Lohnersatz für Menschen geben, die sich eine Auszeit nehmen, um sich um Angehörige zu kümmern. Bildrechte: IMAGO / Daniel Scharinger

Mit dem neuen Gesetz soll die Pflegeversicherung vorerst bis 2025 finanziell abgesichert werden. Unter anderem beinhaltet es eine Steigerung des Pflegegelds für pflegende Angehörige um fünf Prozent im kommenden Jahr. Außerdem wird es einfacher, Hilfe für eine Auszeit bei der häuslichen Pflege zu erhalten. Zur Finanzierung des Mehrbedarfs von gut sechs Milliarden Euro sind die Beiträge zum 1. Juli 2023 angehoben worden.

Pflegegeld dient dazu, die pflegebedürftige Person von den Aufwendungen zu entlasten, die ihr durch die Inanspruchnahme von häuslichen Pflegeleistungen entstehen. Es wird von der Pflegeversicherung an die pflegebedürftige Person gezahlt. Diese kann über die Geldleistung frei verfügen, also etwa Angehörigen, Freunden oder Bekannten zuwenden, die sie persönlich pflegen, oder zur Bezahlung einer entgeltlichen Haushaltshilfe verwenden. Nachweise über die zweckgerechte Verwendung muss die pflegebedürftige Person bei der Pflegekasse nicht einreichen.

Monatliches Pflegegeld
Grad der PflegeGeldbetrag
Pflegegrad 2316 Euro
Pflegegrad 3545 Euro
Pflegegrad 4728 Euro
Pflegegrad 5901 Euro

Mit Wirkung zum 1. Januar 2024 werden die vorgenannten Sätze um jeweils 5 Prozent ansteigen. Eine weitere Anhebung findet zum 1. Januar 2025 statt, und zwar um 4,5 Prozent. Diese Steigerung hat der Bundesgesetzgeber bereits beschlossen. Eine weitere Erhöhung ist für den Zeitraum ab dem 1. Januar 2028 geplant. Sie soll sich am Anstieg der Kerninflationsrate in den drei vorangegangenen Kalenderjahren orientieren.

Welche Leistungen gibt es noch?

Neben dem Pflegegeld können Pflegebedürftige auch einen sogenannten Entlastungsbetrag bis zu 125 Euro monatlich beantragen. Bildrechte: Colourbox.de

Pflegebedürftige in häuslicher Pflege haben Anspruch auf einen Entlastungsbetrag, der bis zu 125 Euro monatlich – somit höchstens 1.500 Euro im Jahr – beträgt. Diese Geldleistung steht pflegebedürftigen Personen ab dem Pflegegrad 1 zu. Sie ist zweckgebunden zu verwenden für qualitätsgesicherte Leistungen, die der Entlastung pflegender Angehöriger und vergleichbar Nahestehender in ihrer Eigenschaft als Pflegepersonen dienen. Wenn der gezahlte Entlastungsbetrag in einem Kalendermonat nicht (vollständig) ausgeschöpft worden ist, wird der verbliebene Rest in den darauffolgenden Kalendermonat übertragen. Was auf diese Weise bis zum Ende des Kalenderjahres noch nicht verbraucht worden ist, kann in das folgende Kalenderhalbjahr übertragen werden.

Was wenn die Pflegenden im Urlaub oder krank sind?

Wenn die private Pflegeperson Urlaub macht oder wegen Erkrankung vorübergehend an der Pflege gehindert ist, übernimmt die Pflegeversicherung für Bedürftige der Pflegegrade 2 bis 5 die nachgewiesenen Kosten einer Ersatzpflege, der sogenannten Verhinderungspflege, für längstens sechs Wochen je Kalenderjahr. Parallel dazu wird die Hälfte des bisher bezogenen (anteiligen) Pflegegeldes weitergezahlt, so dass der Pflegebedürftige der pflegenden Person quasi ein Urlaubsgeld gewähren kann.

Die Ersatzpflege kann durch einen ambulanten Pflegedienst, durch Einzelpflegekräfte, ehrenamtlich Pflegende, aber auch durch nahe Angehörige geleistet werden. Auch im Falle der Ersatzpflege in einer stationären Einrichtung können die Leistungen für die Verhinderungspflege in Anspruch genommen werden. Verhinderungspflege wird aber erst und nur dann gewährt, nachdem die private Pflegeperson den Pflegebedürftigen mindestens sechs Monate in seiner häuslichen Umgebung gepflegt hat.

Wie bekommt man Leistungen aus der Pflegeversicherung?

Falsche Angaben gegenüber dem Gutachter können dazu führen, dass eine positive Entscheidung der Pflegekasse rückwirkend abgeändert wird. Bildrechte: picture alliance / dpa Themendienst | Markus Scholz

Die pflegebedürftige Person muss einen Antrag bei der Pflegekasse stellen. Der Pflegebedürftige kann auch Familienangehörige, Freunde oder Nachbarn bevollmächtigen, den Antrag für ihn zu stellen. Nach Eingang beauftragt die Pflegekasse den Medizinischen Dienst oder einen unabhängigen Sachverständigen mit der Begutachtung zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit.

Privat versicherte Personen müssen den Antrag bei ihrem privaten Versicherungsunternehmen einreichen. Die Begutachtung erfolgt dort durch einen Sachverständigen von Medicproof, bei dem es sich um ein Tochterunternehmen des Verbandes der privaten Kranken- und Pflegeversicherer handelt.

Die Begutachtung findet nach vorheriger Terminvereinbarung in der Wohnung des Antragstellers oder der Pflegeeinrichtung statt. Die Anwesenheit von Angehörigen oder des Betreuers oder Vorsorgebevollmächtigten ist ausdrücklich erwünscht.

Weitere Hinweise: Fristen bei der Pflegekasse: So schnell muss die Versicherung reagieren

Wer bekommt welchen Pflegegrad?

Es gibt fünf Pflegegrade, die von geringen Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit oder der Fähigkeiten (Pflegegrad 1) bis zu schwersten Beeinträchtigungen, die mit besonderen Anforderungen an die pflegerische Versorgung einhergehen (Pflegegrad 5), reichen. Sowohl das Verfahren der Begutachtung als auch die Kriterien für die Einstufung in die Pflegegrade ist durch bundesweit einheitliche Begutachtungs-Richtlinien geregelt.

Es werden die Selbständigkeit und Fähigkeiten in sechs Lebensbereichen ermittelt und jeweils mit Punkten bis 100 bewertet:

  1. Mobilität
  2. Geistige und kommunikative Fähigkeiten
  3. Verhaltensweisen und psychische Problemlagen
  4. Selbstversorgung
  5. Selbstständiger Umgang mit krankheits- oder therapiebedingten Anforderungen und Belastungen sowie deren Bewältigung
  6. Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte.


In die Gesamtbewertung fließen die Module prozentual gewichtet ein, und zwar:

  • Modul 1 mit 10 %
  • der höhere Wert aus Modul 2 und 3 mit 15 %
  • Modul 4 mit 40 %
  • Modul 5 mit 20 %
  • Modul 6 mit 15 %


Bei einer Gesamtpunktzahl von weniger als 12,5 sind die Einschränkungen aus pflegewissenschaftlicher Sicht so gering, dass keine Pflegebedürftigkeit im Sinne der sozialen Pflegeversicherung vorliegt. Darüber hinaus wird folgende Einstufung vorgenommen:

  • 12,5 bis unter 27,0 Punkte: Pflegegrad 1
  • 27,0 bis unter 47,5 Punkte: Pflegegrad 2
  • 47,5 bis unter 70,0 Punkte: Pflegegrad 3
  • 70,0 bis unter 90,0 Punkte: Pflegegrad 4
  • ab 90,0 Punkte: Pflegegrad 5

Wie kann man Einspruch gegen den Pflegegrad einlegen?   

Gegen den Bescheid über den Pflegegrad kann man binnen eines Monats schriftlich Widerspruch einlegen. Bildrechte: Colourbox.de

Gegen den Bescheid der Pflegekasse kann der Antragsteller Widerspruch einlegen. Dieser muss bei der Kasse binnen eines Monats, gerechnet ab dem Tag des Zugangs des Bescheids, eingehen. Ist also der Bescheid dem Antragsteller am 1. August 2023 zugegangen, endet die Widerspruchsfrist mit Ablauf des 1. September 2023. Fällt das Ende der Frist auf einen Sonnabend, Sonntag oder gesetzlichen Feiertag, so verlängert sich die Frist bis zum Ablauf des nächsten Werktags. Der Widerspruch muss schriftlich eingelegt werden. Ein Telefax wahrt die Schriftform, nicht jedoch eine einfache E-Mail. Muster mit Formulierungsvorschlägen für einen schriftlichen Widerspruch finden sich im Internet.

Was tun, wenn der Pflegedienst Leistungen abrechnet, die nicht erbracht wurden?

Auch Rechnungen des Pflege- oder Betreuungsdienstes sollten zunächst durch den Leistungsempfänger geprüft und, soweit sachlich oder rechnerisch unrichtig, beanstandet werden. Ein Anspruch auf Bezahlung besteht grundsätzlich nur für solche Leistungen, die beauftragt und erbracht wurden. Um die Abrechnung zu erleichtern, lassen sich manche Pflege- oder Betreuungsdienste diese Leistungen tages-, wochen- oder monatsweise auf Tätigkeitsnachweisen vom Leistungsempfänger quittieren. Auch diese Nachweise sollten vor Erteilung der Unterschrift geprüft werden, denn sie dienen dem Pflege- oder Betreuungsdienst beim Streit über die Abrechnung – gegebenenfalls auch vor Gericht – als Beleg.

Hierbei werden wiederum sämtliche Leistungsbeträge der Geld- und Sachleistungen der Pflegeversicherung automatisch dynamisiert zur Verfügung gestellt und auf das Konto des Pflegebedürftigen überwiesen. Mit diesem Geld können Aufwendungen, die im Zusammenhang mit der Pflege zu Hause entstehen, bezahlt werden. Genauso gut kann das Geld auch für die Unterstützung bei der Reinigung der Wohnung eingesetzt werden. Vorteil vom Pflegegeld ist, dass jeden Monat ein fester Betrag (je nach Pflegegrad) zur Verfügung steht, für den bei der Pflegekasse keine Nachweise oder ähnliches eingereicht werden müssen.

Weitere Informationen zum Thema Pflege finden sich auf der Internetseite des Bundesministeriums für Gesundheit. Dort kann man auch die Broschüre "Ratgeber Pflege" herunterladen oder bestellen.

Hier finden Sie Beratungsangebote zur Pflege:

Die Kranken-/Pflegekassen müssen die Betroffenen und ihre Angehörigen umfassend beraten. Man kann sich jederzeit an sie wenden. Darüber hinaus gibt es zahlreiche weitere Beratungsstellen. Eine Übersicht findet man auf der Website des unabhängigen, gemeinnützigen und nicht gewinnorientierten Zentrums für Qualität in der Pflege (ZQP): Datenbank Beratung zur Pflege - Stiftung ZQP

Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend bietet neben einer Vielzahl von Informationen auf der Website auch eine telefonische Beratung über ein Pflegetelefon an: Telefonnummer 030 / 20 17 91 31, montags bis donnerstags von 9:00 bis 18:00 Uhr.

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Dieses Thema im Programm:MDR FERNSEHEN | MDR um 4 | 23. August 2023 | 17:00 Uhr