Arbeitsrecht Worauf sollten Arbeitnehmer in Zeiten von Corona achten?
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Seit Anfang November haben wir den zweiten Teil-Lockdown in Deutschland. Arbeitsrechtlich wirft diese Situation viele Fragen auf: Müssen Arbeitnehmer ihrem Chef zum Beispiel mitteilen, dass Sie an Corona erkrankt sind oder reicht eine formale Krankschreibung? Hat der Arbeitgeber Anspruch, die Ergebnisse eines Corona-Tests zu erfahren? Diese und andere Fragen beantwortet Rechtsexperte Gilbert Häfner.

Welche Rechte haben berufstätige Eltern, wenn das eigene Kind an Covid-19 erkrankt?
Der Arbeitnehmer darf eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit der Arbeit fernbleiben, wenn er ohne eigenes Verschulden durch einen in seiner Person liegenden Grund an der Arbeitsleistung gehindert ist. Solches ist grundsätzlich der Fall bei der Notwendigkeit der Betreuung eines – an Covid-19 oder einer anderen Krankheit - erkrankten eigenen Kindes, das das zwölfte Lebensjahr noch nicht vollendet hat oder behindert und auf Hilfe angewiesen ist. Für die Häufigkeit solcher Fehltage können sich aber Grenzen aus dem Arbeitsvertrag, einer Betriebsvereinbarung oder einem Tarifvertrag ergeben.
In der Regel besteht ein Anspruch auf Freistellung eines Elternteils für bis zu 10 Arbeitstage pro Jahr und Kind, maximal jedoch 25 Arbeitstage im Jahr. Bei Alleinerziehenden ist dieser Anspruch auf die doppelte Anzahl von Tagen gerichtet. Im Lichte der gesetzlichen Sonderregelungen zum Kinderkrankengeld während der Corona-Krise wird man davon ausgehen müssen, dass sich im Jahr 2020 der Anspruch auf Freistellung um 5 Arbeitstage pro Kind, für Alleinerziehende um 10 Arbeitstage pro Kind erhöht. Ist das Kind länger oder häufiger krank, muss der Arbeitnehmer auf die Hilfe von Großeltern, Nachbarn etc. zurückgreifen, für eine entgeltliche Betreuung sorgen oder selbst Urlaub nehmen.
Ist der Arbeitgeber berechtigt, die Lohnfortzahlung zu verweigern, wenn der Arbeitnehmer wegen der Corona-Erkrankung seines Kindes der Arbeit fernbleibt?
Es ist zulässig, die Entgeltfortzahlung an den Arbeitnehmer bei Fehlen wegen der Betreuung seines erkrankten Kindes im Arbeitsvertrag auszuschließen. In diesem Fall tritt bei gesetzlich versicherten Arbeitnehmern die Krankenkasse mit dem so genannten Kinderkrankengeld ein, wenn die Erforderlichkeit der Betreuung durch ärztliche Bescheinigung nachgewiesen ist. Diese Leistung beträgt allerdings nur 90 % des entgangenen Nettoarbeitsentgelts. Eine zusätzliche Begrenzung kann sich für "Besserverdiener" daraus ergeben, dass das Kinderkrankengeld 70 % der Beitragsbemessungsgrenze in der Krankenversicherung nicht überschreiten darf. In zeitlicher Hinsicht besteht der Anspruch auf Kinderkrankengeld für bis zu 10 Arbeitstage pro Kind und Kalenderjahr, maximal jedoch, also bei mehreren Kindern, 25 Arbeitstage im Kalenderjahr. Bei Alleinerziehenden sind es bis zu 20 bzw. 50 Arbeitstage. Im Jahr 2020 ist der Anspruch ausnahmsweise um 5 Arbeitstage pro Kind, für Alleinerziehende um 10 Arbeitstage pro Kind erhöht.
Welche Ansprüche hat der Arbeitnehmer, wenn das eigene Kind zwar nicht selbst an Covid-19 erkrankt ist, aber wegen Kontakt mit einer erkrankten Person unter häusliche Quarantäne gestellt wird oder wegen coronabedingter Schließung des Kindergartens oder der Schule zuhause bleiben und deswegen vom Arbeitnehmer betreut werden muss?
Seit dem 30.03.2020 erhalten auch diejenigen Arbeitnehmer, die wegen der infektionsschutzbedingten Schließung von Kindergärten und Schulen ihre Kinder selbst betreuen und deswegen der Arbeit fernbleiben, nach dem Infektionsschutzgesetz eine Entschädigung für den Verdienstausfall. Dieser Anspruch besteht i.H.v. 67 % des Nettoeinkommens für längstens 6 Wochen, wobei für einen vollen Monat maximal ein Betrag i.H.v. 2.016,00 EUR gezahlt wird. Zugleich werden die Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von 80% übernommen. Der Gesetzgeber hat nun klargestellt, dass diese Regelungen auch für den Fall gelten, dass nicht die Betreuungseinrichtung schließt, sondern "bloß" das Kind des Arbeitnehmers unter Quarantäne gestellt ist. In allen Fällen ist der Anspruch freilich auf die Betreuung von Kindern beschränkt, die das zwölfte Lebensjahr noch nicht vollendet haben oder behindert und auf Hilfe angewiesen sind.
Wie sieht es mit dem Arbeitsentgelt aus, wenn ein Arbeitnehmer vom Gesundheitsamt in Quarantäne geschickt wird?
In diesem Fall besteht nach dem Infektionsschutzgesetz ein Lohnfortzahlungsanspruch, der nach Dauer und Höhe dem Anspruch im Krankheitsfall gleicht: Sechs Wochen wird der Verdienstausfall in voller Höhe gezahlt, danach wie beim Krankengeld 70% des Bruttogehalts. Das Geld wird zunächst vom Arbeitgeber gezahlt, dieser kann es sich dann aber bei der zuständigen Behörde erstatten lassen.
Darf der Arbeitnehmer aus Angst vor Ansteckung, etwa weil er zu einer Risikogruppe gehört, einfach zu Hause bleiben?
Der Arbeitgeber ist gesetzlich dazu verpflichtet, die Ansteckungsgefahren am Arbeitsplatz zu minimieren. Über die Einhaltung dieser Verpflichtung wacht der Betriebsrat. Aber auch, wenn der Arbeitgeber seinen Pflichten beim Gesundheitsschutz aus Sicht des Arbeitnehmers nicht ausreichend nachkommt, darf dieser nicht ohne weiteres wegen Ansteckungsgefahr zu Hause arbeiten oder gar die Arbeit einstellen. Lediglich dann, wenn eine ganz konkrete Gefahr gegeben ist, etwa wenn der Zimmerkollege gerade aus einem Risikogebiet zurückgekehrt ist und typische Symptome einer Covid-19-Erkrankung zeigt, kann im Ausnahmefall ein Recht zur Leistungsverweigerung in Betracht kommen. Dass ein Arbeitskollege Husten hat, wird hingegen für sich genommen nicht ausreichen.
Ist der wegen einer Infektion mit Covid-19 krankgeschriebene Arbeitnehmer verpflichtet, dem Arbeitgeber auch die Art der Erkrankung mitzuteilen?
Der Arbeitnehmer muss dem Arbeitgeber grundsätzlich nicht offenbaren, an welcher Krankheit er leidet. Anderes könnte aber dann gelten, wenn der Arbeitgeber wegen der Art der Erkrankung Maßnahmen ergreifen muss, um die anderen Arbeitnehmer oder Dritte zu schützen, wie dies etwa bei einer Covid-19-Infektion und anderen hochgradig ansteckenden Krankheiten der Fall ist. Die Frage nach einer Offenbarungspflicht gegenüber dem Arbeitgeber stellt sich aber deshalb nicht wirklich, weil der behandelnde Arzt eine Covid-19-Erkrankung dem Gesundheitsamt zu melden hat. Jedenfalls diesem gegenüber muss dann der Patient offenbaren, mit welchen Personen er privat und beruflich Kontakt hatte. Hiernach wird das Gesundheitsamt die erforderlichen Maßnahmen ergreifen, also die betroffenen Kollegen und unter Umständen auch den Arbeitgeber der erkrankten Person informieren.
Darf der Chef Überstunden anordnen, weil eine Vielzahl der Mitarbeiter wegen Corona-Quarantäne ausgefallen ist?
Soweit sich die Verpflichtung zur Ableistung von Überstunden nicht aus dem Arbeitsvertrag, einer Betriebsvereinbarung oder einem Tarifvertrag ergibt, können Überstunden grundsätzlich nur mit Zustimmung des Arbeitnehmers angeordnet werden. Eine Ausnahme besteht freilich dann, wenn dem Arbeitgeber ein Schaden droht, dessen Eintritt ohne das Ableisten von Überstunden nicht abgewendet werden kann. Ein solcher Ausnahmefall ist gegeben, wenn wegen Erkrankung oder Quarantäne zahlreicher Kollegen der Betrieb ohne Überstunden der verbliebenen Arbeitnehmer nicht aufrechterhalten werden kann.
Wie werden solche Überstunden vergütet?
Überstunden werden grundsätzlich mit dem anteiligen Monatsentgelt vergütet; eine Vereinbarung, dass sie mit dem Monatsentgelt abgegolten sind, ist nur in besonderen Fällen (z. B. bei leitenden Angestellten) zulässig. Einen Überstundenzuschlag auf das anteilige Monatsentgelt erhält der Arbeitnehmer hingegen nur, wenn dies im Arbeitsvertrag oder in einer Betriebsvereinbarung oder einem Tarifvertrag vereinbart ist.
Ist der Arbeitnehmer verpflichtet, auf Verlangen des Arbeitgebers im Homeoffice zu arbeiten?
Wenn im Tarifvertrag, der Betriebsvereinbarung oder dem Arbeitsvertrag nichts zum Arbeiten im Homeoffice vereinbart ist, kann der Arbeitgeber solches nicht verbindlich vorgeben. Das geht dann nur mit Einverständnis des Arbeitnehmers.
Welche Überwachungsmaßnahmen des Arbeitgebers sind beim Homeoffice zulässig?
Homeoffice basiert natürlich in erster Linie auf Vertrauen, denn per Webcam oder durch andere technische Vorrichtungen darf der Arbeitgeber nicht überwachen, ob der Mitarbeiter auch fleißig arbeitet. Er kann aber verlangen, dass Arbeitsbeginn und -ende ebenso wie Pausen genau dokumentiert werden. Auch stichprobenartige Kontrollen der erbrachten Leistungen oder Telefon- bzw. Videokonferenzen sind zulässig.
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR um 4 | 26. Oktober 2019 | 17:00 Uhr