Ein Garagenkomplex.
Ein typischer Garagenkomplex aus DDR-Zeiten. Bildrechte: IMAGO / Jens Koehler

Der Redakteur | 04.11.2022 Wie ist die Rechtslage bei DDR-Garagenkomplexen?

04. November 2022, 18:22 Uhr

Wie sieht die aktuelle Rechtslage bei DDR-Garagenkomplexen aus? Was passiert, wenn die Kommune bauen will? Wer zahlt für den Abriss? Redakteur Thomas Becker antwortet auf die wichtigsten Fragen zu DDR-Garagen.

Thomas Becker
Bildrechte: MDR/Christoph Falkenhahn

Die Garagenhöfe aus DDR-Zeiten sind vielleicht nicht gerade die Zierde eines Wohngebiets, auch wenn die Pächter über die Jahre viel Arbeit reingesteckt haben. Regelmäßig Tore streichen oder Zäune, das Unkraut entfernen und das Dach teeren. Das macht man eigentlich alles eher selten an einem Gebäude, das einem nicht gehört. Aber genau so ist die heutige Rechtslage in der Bundesrepublik.

In der DDR konnte man eine eigene Garage oder ein Wochenendhäuschen auf fremden Boden errichten. Es gab einen großen Bedarf damals an Garagen, schließlich war ein Auto ein Wertgegenstand, den man nur ungern Wind und Wetter aussetzte. So wurden die Garagenkomplexe auf Kirchenland oder kommunalen Flächen errichtet und mitunter gehörte das Grundstück auch Erbengemeinschaften, die westlich des Eisernen Vorhangs wohnten.

Die Wende und die Garagen

Nach der Wende gab es einen ungeregelten Zustand, der erst durch das Schuldrechtsanpassungsgesetz beendet wurde, das am 1. Januar 1995 in Kraft trat. Darin stand, dass bei Verträgen, die vor dem 3. Oktober 1990 geschlossen wurden, die Garagenbesitzer mit dem Zeitwert zu entschädigen sind, wenn das Gelände anderweitig genutzt werden soll. Diese Regelung ist aber Ende 2006 ausgelaufen.

Die befürchtete Kündigungswelle ist allerdings damals ausgeblieben, bilanziert Holger Becker vom Verband der Grundstücksnutzer. Irgendwie wollten sich die meisten Kommunen keine neuen Probleme schaffen, abgesehen vom Unmut der Betroffenen, mussten die Autos ja auch irgendwo hin.

Die Kommunen haben gesehen, dass die Garagen auch eine Funktion erfüllen.

Holger Becker Verband der Grundstücksnutzer

Trotzdem gibt es immer wieder Kommunen, die das Garagenland anderweitig nutzen wollen. Auch in Thüringen. Das sorgt regelmäßig für Ärger, führt zu Protesten und absolutem Unverständnis. Denn nicht vergessen sollte man, dass die Garagenbesitzer eine Leistung für die Gemeinschaft geleistet haben, eben durch die Pflege und letztlich haben sie sogar die Pacht eingesammelt und diese dann gebündelt an die Kommunen überwiesen.

Trotzdem stehen die Garagenkomplexe auf Flächen, die heutzutage die Kreativität anregen könnten - Stichwort das Landesgartenschaugelände in Leinefelde-Worbis. Auch der Wohnungsbau könnte ein Thema sein.

Was passiert, wenn die Kommune bauen will?

Wenn wirklich die Verträge gekündigt werden, um die Garagen abzureißen und dort etwas anderes zu errichten, haben die Garagenbesitzer heute schlechte Karten. Es gibt dann vom Gesetz her schlicht keine Entschädigung mehr. Der Zug ist 2006 angefahren. Besteht bereits ein "neuer" Vertrag nach BGB, der also nach Bundesrecht abgeschlossen wurde, dann gehört die Garage ohnehin bereits dem Grundstückseigentümer. So bitter das klingt, aber immerhin hat der Garagenbesitzer nicht auch noch den Abriss am Hacken.

Den Leuten mit BGB-Vertrag gehört das Gebäude ohnehin nicht mehr, denen können Sie auch nicht mit Abrisskosten kommen.

Holger Becker Verband der Grundstücksnutzer

Anders sieht es bei den Altverträgen aus DDR-Zeiten aus. Wir befinden uns hier aktuell in einer "kleinen Übergangsphase". Bei einer Kündigung, die bis zum 3. Oktober 2022 wirksam wurde, trägt der Grundstückseigentümer (zum Beispiel die Kommune) die vollen Abrisskosten. Bis Jahresende 2022 teilen sich Eigentümer und Pächter die Kosten. Ab 1. Januar 2023 fallen alle bisherigen Regelungen weg, die den Pächter von der Pflicht zum Abbruch befreit und den Grundstückseigentümer verpflichtet hatten, mindestens die Hälfte der Abbruchkosten zu übernehmen.

Oft wird das dann so interpretiert, dass der Pächter dann das Grundstück künftig im "Urzustand" herausgeben muss. Bedeutet: Die Garage muss auch noch auf eigene Kosten abgerissen werden. Rechtlich steht sie nun mal auf fremdem Grund und Boden. Aber was ist eigentlich der "Urzustand", wenn die Pächter das Grundstück erst urbar gemacht haben? Da wird im Ernstfall einiges vor Gericht landen.

Welche Perspektiven haben die Garagen?

Abgesehen von der Tatsache, dass viele moderne Autos in die Garagen nur mit Mühe und Fahrgeschick reinpassen und deshalb alles Mögliche in den Garagen lagert: Es ist nicht so, dass das alles auf Dauer die einzige Nutzungsform bleiben muss. Die Garagen haben alle ein Dach, das unverbaubar gen Himmel schaut.

Wenn sich die Garagengemeinschaft einig ist und mit der Kommune ins Gespräch kommt, wären hier vielleicht Solaranlagen denkbar, die nicht nur Grünen Strom ernten, sondern vielleicht sogar eine kleine Einnahmequelle generieren. Wichtigster Nebeneffekt aber: Dann dürfte der Garagenkomplex die nächsten Autogenerationen stehen bleiben. 

MDR (dvs, mw)

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Ramm am Nachmittag | 04. November 2022 | 16:40 Uhr

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