Richtig vorsorgen Digitales Erbe: So regeln Sie Ihren digitalen Nachlass

Für viele Menschen findet das Leben inzwischen zu einem großen Teil im Internet und in den sozialen Medien statt. Fotos, Texte und Videos werden hochgeladen und verbleiben fortan im Netz. Doch was passiert eigentlich damit nach dem Tod? Rechtsexperte Gilbert Häfner hat Antworten auf die wichtigsten Fragen.

Was gehört zum digitalen Erbe?

Zum Vermögen eines Verstorbenen – das Gesetz bezeichnet dieses Vermögen als Nachlass und den Verstorbenen als Erblasser – gehören auch Rechte, die einen digitalen Bezug aufweisen. Das sind zum einen Rechte an Daten, die sich auf Datenträgern befinden, welche dem Verstorbenen gehört haben, zum Beispiel die Festplatte seines Computers und seine CD-ROMs. Zum anderen sind vertragliche Nutzungsrechte an solchen Daten angesprochen, die Betreiber von Internetdiensten, wie etwa Facebook oder WhatsApp, im Auftrag des Verstorbenen auf ihren Servern vorhalten. Schließlich sind sonstige, über das Internet begründete Rechtsverhältnisse einbezogen.

Wem gehört das digitale Erbe?

Sämtliche Rechte des Verstorbenen an dessen eigenen Daten oder fremden Daten gehen mit dem Todesfall "automatisch" auf den oder die Erben über. Hinterlässt der Erblasser mehrere Erben, so wird der Nachlass gemeinschaftliches Vermögen der Erben; diese bilden dann eine Erbengemeinschaft.

Erbe ist derjenige, dem der Verstorbene sein Vermögen durch ein Testament oder im Wege eines Erbvertrages zugewendet hat. Hat der Verstorbene die Erbfolge nicht auf diese Weise selbst geregelt, so tritt die gesetzliche Erbfolge ein. Begünstigt sind insoweit der Ehegatte und die Verwandten des Erblassers. Dabei sind die Verwandten in Erben unterschiedlicher Ordnung eingeteilt. Zur 1. Ordnung gehören die Abkömmlinge des Verstorbenen (Kinder, Enkel, Urenkel etc.). Ist ein Erbe der 1. Ordnung vorhanden, so kommen die Erben der 2. oder noch entfernteren Ordnung (etwa die Eltern des Erblassers und deren Abkömmlinge) nicht zum Zuge.

Muss der Betreiber eines Internetdienstes, wie etwa Facebook oder WhatsApp, dem Erben des Dienstnutzers Zugang zu dessen Benutzerkonto und den darin vorgehaltenen Kommunikationsinhalten gewähren?

Der Erbe tritt im Zeitpunkt des Todes des Dienstnutzers an dessen Stelle in das vertragliche Nutzungsverhältnis mit dem Dienstanbieter ein. Zwar darf dieser in seinen Allgemeinen Geschäftsbedingungen die aktive Nutzung eines Benutzerkontos ("Account") wohl davon abhängig machen, dass es sich hierbei um eine bestimmte lebende Person handelt. Die passive Nutzung, mithin der Zugriff auf den Kontoinhalt, zum Beispiel die dort gespeicherten Fotografien und Nachrichten, steht jedoch dem Erben zu. Dies hat der Bundesgerichtshof (BGH) in einem wegweisenden Urteil vom 12.07.2018 (Az. III ZR 183/17) entschieden.

Auch kann der Dienstanbieter, wie der BGH jüngst (Beschluss vom 27.08.2020, Az. III ZB 30/20) ergänzt hat, den Zugangsanspruch des Erben nicht dadurch erfüllen, dass er diesem bloß einen mobilen Datenträger, etwa einen USB-Stick, übermittelt, der eine Kopie der ausgelesenen Daten aus dem Nutzerkonto der Verstorbenen enthält. Vielmehr ist der Zugangsanspruch des Erben darauf gerichtet, dass er vom Nutzerkonto und dessen Inhalt auf dieselbe Art und Weise Kenntnis nehmen darf, wie dies der verstorbenen Nutzer konnte. Der Erbe muss sich also in dem Benutzerkonto – wohl aber mit Ausnahme einer aktiven Nutzung – so "bewegen" können wie zuvor der Erblasser selbst.

Unter den Fotografien und Nachrichten, die sich auf den Nutzerkonto des Verstorbenen befinden, sind auch solche, die von anderen Personen, den Kommunikationspartnern des verstorbenen Nutzers, herrühren. Ist der Dienstanbieter nicht auch verpflichtet, deren persönliche Daten vor dem Zugriff des Erben des Nutzers zu schützen?

Der BGH erachtet die Nutzung der personenbezogenen Daten der Kommunikationspartner des Verstorbenen durch dessen Erben als datenschutzrechtlich unbedenklich. Der dem Dienstanbieter von diesen Kommunikationspartnern erteilte Auftrag zur Übermittlung einer Nachricht oder eines geteilten Inhalts wirkt zeitlich unbegrenzt und ist nicht auf die Person des Empfängers, sondern auf dessen Nutzerkonto bezogen. Die geschützten Interessen, Grundrechte oder Grundfreiheiten dieser Kommunikationspartner überwiegen die berechtigten Interessen der Erben am Zugang zum Konto des Nutzers nicht. Dabei ist auch von Bedeutung, dass die Kommunikationspartner ihre Daten gegenüber dem Nutzer freiwillig preisgegeben haben. Zum Verständnis dieser Sichtweise des BGH hilft ein Blick auf die eindeutige Rechtslage beim nicht digitalen Nachlass, also bei körperlichen Gegenständen: Auch Briefe, die der Verstorbene empfangen und aufbewahrt hat, gehören nun seinen Erben und dürfen von ihnen gelesen werden.   

Kann man sein "digitales Vermögen" durch Testament auch getrennt vom übrigen Vermögen vererben oder gezielt unter den Erben aufteilen?

Der Erblasser hat zum einen die Möglichkeit, im Testament mehrere Personen als Erben einzusetzen und dabei durch Teilungsanordnung über die Aufteilung des Nachlasses unter den Erben zu bestimmen. Zum anderen kann der Erblasser durch Testament eine Person oder mehrere Personen als Erben einsetzen und dabei den bzw. die Erben im Wege eines Vermächtnisses verpflichten, einzelnen Nachlassgegenstände einem oder mehreren Dritten zu überlassen.

Ein solcher Dritter ist dann also kein Erbe, sondern Vermächtnisnehmer. Der Erblasser sollte im Testament klar zum Ausdruck bringen, für welche Alternative er sich entschieden hat. Fehlt es an einer solchen Klarstellung und sind einer Person nur einzelne Vermögensgegenstände zugewendet, so ist im Zweifel nicht anzunehmen, dass sie Erbe sein soll; dies gilt sogar, wenn diese Person im Testament als Erbe bezeichnet ist.

Kann der Inhaber eines Nutzerkontos verhindern, dass nach seinem Tod die Erben Zugriff auf das Nutzerkonto nehmen dürfen?

Die Vererbbarkeit von Ansprüchen kann vertraglich ausgeschlossen werden. Es steht daher grundsätzlich in der Macht des Nutzers, es durch Vereinbarung mit dem Dienstanbieter zu verhindern, dass seine Rechte aus dem Nutzungsverhältnis in den Nachlass fallen. Noch nicht entschieden ist allerdings, ob eine solche Vereinbarung dem Nutzer im Wege einer Klausel in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Dienstanbieters wirksam vorgegeben werden kann. Der Nutzer tut daher gut daran, eine Regelung über sein "digitales Vermögen" in sein Testament aufzunehmen.

Auf welche Weise kann ein Nutzer sicherstellen, dass seine Angehörigen oder andere enge Vertraute auf dessen Nutzerkonto bei einem Internetdienstanbieter Zugriff nehmen können, wenn er seine Nutzerrechte gesundheitsbedingt nicht mehr selbst ausüben kann?

Die einfachste Variante, einer anderen Person den Zugang zum fremden Nutzerkonto zu verschaffen, ist es, ihm die Zugangsdaten (Nutzername und Kennwort) mitzuteilen. Der Dienstanbieter kann aber in seinen Allgemeinen Geschäftsbedingen dem Nutzer diese Verfahrensweise verbieten und im Falle eines Verstoßes das Nutzungsverhältnis kündigen oder, wenn er annehmen muss, dass die Nutzung des Kontos durch die andere Person ohne Wissen des Nutzers oder gegen dessen Willen erfolgt, den Zugang in der Weise sperren, dass nur dieser selbst, etwa nach Übermittlung eines neuen Kennworts, den Zugang wieder freischalten lassen kann. Dann ist für den Nutzer, der hierzu gesundheitsbedingt nicht mehr in der Lage ist und zuvor gerade deswegen dem anderen seine Nutzungsdaten mitgeteilt hat, nichts gewonnen.

Sicherer ist es daher, (auch) in Bezug auf Rechte, die einen digitalen Bezug aufweisen, einem Angehörigen oder anderen engen Vertrauten eine Vorsorgevollmacht zu erteilen. Dabei kann auch angeordnet werden, dass die Vorsorgevollmacht den Tod des Vollmachtgebers überdauern soll. In diesem Fall entsteht keine Handlungsunfähigkeit in der Zeit, in der die Erben auf den gerichtlichen Erbschein warten und sich daher gegenüber Dritten noch nicht als Rechtsnachfolger des Verstorbenen legitimieren können. Dabei steht es den Erben frei, die Vollmacht zu widerrufen, wenn sie mit deren Ausübung durch den Bevollmächtigten nicht (mehr) einverstanden sind.

Weitere Informationen zum Thema

Um Fragen zu den Tipps und der digitalen Vorsorge zu klären, veranstaltet die Verbraucherzentrale Sachsen ein kostenloses Webseminar (Beginn: 02. November 2020 zwischen 17:00 und 18:30 Uhr). Dieses vermittelt die wichtigsten Informationen und bietet Raum für Verbraucherfragen.

Anleitungen, welche Vorkehrungen für Accounts bei Facebook, Google und Co. getroffen werden können, einen kostenlosen Mustervordruck für das Verfassen einer Vollmacht sowie eine Musterliste für die persönlichen digitalen Daten finden Sie hier.

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Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR um 4 | 29. Oktober 2020 | 17:00 Uhr

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