Ein Auge
Rund ein bis zwei Prozent der Bevölkerung haben die Fähigkeit, Gesichter zu erfassen wie Superrecognizer. Bildrechte: Colourbox.de

Gesichtserkennungs-Spezialisten Ermittlungserfolge bei Fahndungen durch Superrecognizer

08. Januar 2023, 15:33 Uhr

Superrecognizer können blitzschnell Gesichter erkennen. Derartige Spezialisten halfen der Polizei auch dabei, nach Fußballkrawallen rund um den Aufstieg von Dynamo Dresden 2021 in die 2. Bundesliga Randalierer zu ermitteln. Was macht die Fähigkeit aus? Wie viele haben sie?

Ermittlungserfolge durch Gesichtserkennungs-Spezialisten bei der Polizeidirektion Chemnitz

Superrecognizer sind Gesichtserkennungs-Spezialisten, sie werden auch "Wieder-Erkenner" genannt. Wie effizient ihr Einsatz in der Polizeiarbeit ist, zeigt die Ermittlungsarbeit rund um die Radale nach Dynamo Dresdens Aufstieg in die 2. Bundesliga vom 16. Mai 2021.

Nach dem Spiel war es in Dresden zu gewalttätigen Ausschreitungen gekommen. Superrecognizer aus Chemnitz unterstützten die Mitarbeiter der SOKO Hauptallee bei der Identifikation der an den Ausschreitungen beteiligten Straftätern. Die Wieder-Erkenner werteten 80 Stunden Videomaterial aus und konnten 33 von 42 unbekannten Personen weiteren Bildern zuordnen und so den Grundstein für die Identifikation dieser Personen legen.

Die Vorteile des Einsatzes von Superrecognizern erklärt Jana Ulbricht, Pressesprecherin der Polizeidirektion Chemnitz: "Die Wieder-Erkenner, die bei uns im Einsatz sind, helfen uns ungemein weiter, weil sie viel schneller sind als andere Kollegen. Wir nutzen natürlich auch technische Verfahren, um Personen zu identifizieren. Aber hier ist oftmals eine hohe Qualität beim Bildmaterial erforderlich. Insbesondere für eine technische Auswertung von Bildern brauchen wir im Idealfall Frontalbilder, die bei Überwachungsbildern meist nicht vorhanden sind. Den Wieder-Erkennern reichen auch Aufnahmen schlechterer Qualität aus, um Personen zu identifizieren. Das hilft uns ungemein weiter, auch schnell Straftaten aufzuklären."

Den Wieder-Erkennern reichen auch Aufnahmen schlechterer Qualität aus, um Personen zu identifizieren.

Jana Ulbricht, Pressesprecherin der Polizeidirektion Chemnitz

Worin besteht die Fähigkeit der Superrecognizer?

Superrecognizer können eine Person oft auch nach vielen Jahren wiedererkennen, auch wenn sie sie nur einmal kurz gesehen haben. Diese Fähigkeit ist angeboren und kann nicht erworben werden. Es wird geschätzt, dass zirka ein bis zwei Prozent der Bevölkerung dazu in der Lage sind. Gefunden werden die Menschen mit der besonderen Gesichtserkennungsfähigkeit durch spezielle Tests.

Hirnaktivität im Zentrum der Forschung

Was genau im Hirn der Superrecognizer passiert, ist bis heute Gegenstand der Forschung. Professorin Meike Ramon vom Applied Face Recognition Lab an der Universität Lausanne etwa versucht mit ihrem Team, objektive Kriterien zu ermitteln– unter anderem durch die Messung der Hirnaktivität: "Bereits 70 Millisekunden, nachdem das Gehirn von Superrecognizern etwas sieht, kann man schon Unterschiede in der Hirnaktivität messen. Das heißt, egal ob Superrecognizer Gesichter oder andere Objekte sehen, ab 70 Millisekunden nach Reizdarbietung unterscheidet sich die Aktivität ihrer Gehirne von denen von Normalpersonen."

2011 weltweit erste eigene Einheiten bei der Polizei

Bei der Polizei werden Superrecognizer erst seit 2011 eingesetzt. Die Metropolitan Police in London war die erste, die hier eine spezielle Einheit gebildet hat, um Straftaten aufzuklären. Inzwischen gehören Personen mit der besonderen Fähigkeit, Gesichter schnell und sicher wiedererkennen zu können, auch in Deutschland in verschiedenen Bundesländern zu den Ermittlern bei der Polizei. Zwei Superrecognizer sind bei der Polizeidirektion Chemnitz in Sachsen hauptberuflich im Einsatz. Aus ermittlungstaktischen Gründen bleiben sie anonym.

Was machen die Spezial-Ermittler bei der Polizei?

Der Hauptteil der Arbeit der Superrecognizer besteht in der Auswertung von Foto- und Videomaterial. Die Bandbreite der Delikte reicht dabei von Ladendiebstahl über Raub bis hin zu Mord. Die Wieder-Erkenner gleichen bei ihrer Arbeit auch aktuelles Material mit Fotos von bereits erfassten Straftätern ab.

Die Fähigkeiten der Superrecognizer werden aber auch bei Einsätzen der Polizei vor Ort genutzt. So können sie beispielsweise in Stadien oder bei Demonstrationen bereits polizeibekannte Personen oder gesuchte Straftäter erkennen.

Praxistest mit "Kripo live"

Wie sieht die Arbeit von Superrecognizern in der Praxis genau aus? Das wollte "Kripo live" wissen. Doch Videobilder von realen Kriminalfällen, die von den Wieder-Erkennern ausgewertet werden, dürfen aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht gezeigt werden. Die Redaktion hat deshalb vier Komparsen bei einem Auftritt des Sächsischen Polizeiorchesters in Leipzig ins Publikum "geschmuggelt".

Die Spezialistin der Polizeidirektion Chemnitz bekam Fotos von den vier Personen vorgelegt und sollte sie im Publikum ohne Winterjacke und Mütze wiedererkennen. Die 29-Jährige schaute sich dazu Videomaterial und Fotos vom Publikum an und verglich sie mit den Fotos der gesuchten Personen. Nach nur 45 Minuten hatte sie alle vier Personen erkannt.

"Das ist wie so ein Schalter im Gehirn, den es umlegt, wie so ein Strahl. Es ist ganz schwierig zu beschreiben, was dann passiert. Es ist ein innerliches Gefühl, Kopf und Bauch stimmen dann überein. Dann guckt man noch mal und denkt: Genau, das war ja der und der oder die und die", erklärt die Expertin.

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | Kripo live | 08. Januar 2023 | 19:50 Uhr

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