Japanischer und brasilianischer Fan bei Fußball WM der Herren, 2006
Fotografieren im Sport ist rechtlich eine komplizierte Sache. (Symbolbild) Bildrechte: IMAGO / Lueger

Der Redakteur | 02.06.2023 Sportplatz, Strand und Demo: Wer darf wen filmen und das veröffentlichen?

02. Juni 2023, 16:00 Uhr

Auf den Fußballplätzen wird jedes Wochenende sehr viel gefilmt. Gerade im Nachwuchsbereich kursieren die Videos in den Chatgruppen oder werden gar im Internet hochgeladen. Ist das ohne Einwilligung erlaubt?

Wir sind bei Paragraf 22 eines etwas antiquiert anmutenden Gesetzes. Als es am 1. Juli 1907 in Kraft trat, gab es weder Handys noch gescheite Videos. Das immer noch gültige "Gesetz betreffend das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste und der Photographie" regelt ziemlich eindeutig: "Bildnisse dürfen nur mit Einwilligung des Abgebildeten verbreitet oder öffentlich zur Schau gestellt werden."

Jens Fusbahn, Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht, weist aber auch darauf hin, dass unter Umständen bereits das Anfertigen der Aufnahmen einer Einwilligung bedarf, was aus dem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht hergeleitet werden kann.

Einwilligung kann auf verschiedene Art eingeholt werden

Diese Einwilligung kann auf verschiedene Art und Weise eingeholt werden. Was beim eigenen Verein noch praktikabel erscheint, wird schwierig, wenn eine gegnerische Mannschaft ins Spiel kommt. Der DFB hat ein umfangreiches Positionspapier zum Thema verfasst, mit vielen Verweisen auf diverse Paragrafen, auch die der Datenschutzgrundverordnung. Doch wer hier die Hoffnung hat, eine eindeutige Aussage für die Alltagsfälle zu finden, der wird enttäuscht werden.

Eine Einwilligungslösung wird häufig an der praktischen Umsetzbarkeit scheitern, da es zu aufwendig sein dürfte, auch von den gegnerischen Spielerinnen und Spielern und ggf. von deren Eltern eine Einwilligung einzuholen.

"Sportlicher Wettkampf" Positionspapier des DFB, Punkt 3.4.4.

Nun könnte jeder Verein natürlich von seinem Hausrecht Gebrauch machen und am Eingang einfach ein Schild aufhängen:  "Liebe Eltern: Bitte erst alle um Erlaubnis bitten und dann filmen." Und auch ein grundsätzliches Videoverbot wäre mit dem Hausrecht durchsetzbar. Viel Spaß aber bei den Kontrollen!

Ein Mann mit einem Smartphone mach ein Selfie 19 min
Bildrechte: Colourbox.de

Videoverbote schwer durchsetzbar

Schon im Basiskurs für junge Eltern haben wir gelernt, Verbote nur dann auszusprechen, wenn sie sich auch durchsetzen lassen. Nun werden die Videos meistens nur im privaten Umfeld verwendet, was praktisch kaum zu unterbinden ist, wenn sie einmal im Kasten sind.

Kritisch wird es, wenn sie auf diversen Plattformen hochgeladen werden wie auf fussball.de, dem offiziellen Spiele-Portal des DFB. Der DFB weist zwar im Kleingedruckten ebenfalls darauf hin, dass man sich bitte vorher die Genehmigungen einholen möge, nur: Wer bitte macht das?

Wir wissen alle, dass das tagtäglich massenhaft geschieht und am Ende ist es das Thema: Wo kein Kläger, da kein Richter.

Jens Fusbahn Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht, Düsseldorf

Fazit für den alltäglichen Umgang auf den Sportplätzen unserer Dörfer: Ein Gespür dafür entwickeln, was anderen vielleicht unangenehm werden könnte. Kritisch wird es spätestens beim Hochladen, wenn andere Personen und vor allem Kinder eindeutig erkennbar sind. Eigentlich geht da ohne eine Einwilligung gar nichts.

Wann muss keine Einwilligung eingeholt werden?

Im Paragrafen 23 des Urheberrechtsgesetzes sind auch Ausnahmen definiert: Ohne Einwilligung sind Ausnahmen möglich, wenn es um Zeitgeschichte geht, um Bilder, auf denen die Personen nur als Beiwerk neben einer Landschaft oder sonstigen Örtlichkeit erscheinen oder um Bilder von Versammlungen und Aufzügen.

Mag in den Anfangsjahrzehnten der Gültigkeit des Gesetzes die Definition der zeitgeschichtlichen Ereignisse noch auf Großereignisse vom Kaliber Königskrönung, Staatsbesuch oder Olympische Spiele begrenzt gewesen sein, so fassen das Gerichte heutzutage deutlich weiter. Eine Kreis- oder Landesmeisterschaft könnte durchaus schon dazu gehören, das eine oder andere entscheidende Nachwuchsspiel um die Meisterschaft vielleicht auch, aber der normale Wahnsinn des Wochenendes auf Thüringens Dorfplätzen?

Früher musste das wirklich etwas 'Herausragendes' sein, heute hat die Rechtsprechung beim Mieterfest oder bei kleinen regionalen Sportveranstaltungen gesagt, das ist ausreichend, dass ohne Einwilligung berichtet werden darf.

Jens Fusbahn Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht, Düsseldorf

Was ist ein "berechtigtes Interesse"?

Und dann geht es auch oft um das "berechtigte Interesse". Die Dokumentation einer Veranstaltung durch den Veranstalter wird vor Gericht schon eher als "berechtigtes Interesse" gewertet. Das Hochladen des Materials durch einen User nur so zum Spaß und für die eigene Reichweite eher weniger.

Und wer sich in ein Bundesligastadion begibt, der wird es schwer haben, gegen einen Kameraschwenk über die Zuschauer Einspruch einzulegen und gegen die Veröffentlichung der Bilder in der "Sportschau" zu klagen.

Bei den Nachwuchskickern ist in der Regel aber nicht das offizielle Stadionbild das Problem, sondern es sind die Amateurvideos der Eltern. Und wenn der Sportverein für seine Dokumentation oder Auswertung Videomaterial erstellt, ist die Rechtslage eigentlich nicht anders als in der Schule.

Die Schulen nehmen auch Kontakt mit den Eltern auf und bitten um Einwilligung der Eltern, genauso sollte man das als Verein auch machen.

Jens Fusbahn Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht, Düsseldorf

Berge, Stand und Innenstadt – was gilt dort?

Hier sind wir wieder bei den Ausnahmen und Paragraf 23, der etwas despektierlich von "Beiwerk" spricht. Es geht hier um "Bilder, auf denen die Personen nur als Beiwerk neben einer Landschaft oder sonstigen Örtlichkeit erscheinen". Rechtsanwalt Jens Fusbahn weist aber auch darauf hin, dass man aufpassen sollte, wer im Mittelpunkt der Aufnahme steht.

Kann man sich die Personen auch wegdenken oder sind sie größer als Goethe und Schiller, weil im Vordergrund stehend? Wir sind da auch immer schnell beim Unterschied zwischen einem Bild und einem Bildnis. Ein Bildnis geht in Richtung Porträt.

Ich kann nicht einfach von gutaussehenden Strandbesuchern Fotos machen. Da kann schon das Herstellen der Aufnahme einwilligungsbedürftig sein.

Jens Fusbahn Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht, Düsseldorf

Aber das sagt einem eigentlich auch schon der gesunde Menschenverstand. Das gilt auch für das Fotografieren von Einheimischen in "exotischen Ländern", die dem einen oder anderen Touristen so interessant vorkommen, dass diese ungefragt den Fotoapparat zücken.

Unabhängig davon, ob deren Religion davon ausgeht, dass die Seele Schaden nimmt und unabhängig davon, was die Rechtslage in diesem Land vorsieht: Das gehört sich einfach nicht.  

Urlaubsfotos
Im Urlaub Bilder von Sehenswürdigkeiten zu machen, ist rechtlich gesehen erlaubt. Sobald fremde Menschen mit auf den Bildern sind, wird es schnell kompliziert. (Symbolbild) Bildrechte: imago images / allOver

Was ist eigentlich bei Demonstrationen?

Auch hier gilt die Ausnahme aus Paragraf 23. Bilder sind erlaubt, Bildnisse nicht von jedem. Das heißt: Der Demonstrationszug darf fotografiert und gefilmt werden, selbst auf die Gefahr hin, dass da auch Leute erkennbar sein könnten. Der bloße Teilnehmer kann dabei also nicht verhindern, dass er bei der Berichterstattung über die Veranstaltung in der Gruppe gefilmt wird, erläutert Anwalt Fusbahn die Rechtslage.

Einzelpersonen dürfen jedoch nur dann Teil der Berichterstattung werden, wenn sie zu einer besonderen Person dieses "zeitgeschichtlichen Ereignisses" werden. Das wäre bei Rednern der Fall oder jenen, die in der ersten Reihe laufend das Transparent halten.

Sie können in den Fokus der zeitgeschichtlichen Berichterstattung geraten, wenn sie reden oder sich in der ersten Reihe bemerkbar machen.

Jens Fusbahn Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht, Düsseldorf

Auch jemand, der einen Molotow-Cocktail auf ein Polizeiauto wirft, kann zum Thema der Berichterstattung werden, so Jens Fusbahn. Auch Handgreiflichkeiten gegenüber der Presse, wie vor einigen Wochen in Erfurt geschehen, sind etwas, bei dem der Protagonist ungefragt ins Fernsehen kommt.

Bei "normalen" Pöbeleien, die mittlerweile zum Alltag von Presse, Polizei und Rettungskräften gehören, kommt es, wie oft in Rechtsfragen, auf den Einzelfall an, sagt Jens Fusbahn. Wer die Veranstaltung aber durch sein Tun prägt und dieser quasi (s)ein Gesicht gibt, der wird es schwer haben, den Richter davon zu überzeugen, nur ein harmloser "Mitläufer" im Demonstrationszug gewesen zu sein.

Über den Experten Jens Fusbahn ist Fachanwalt für Urheber und Medienrecht in Düsseldorf und Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Geistiges Eigentum & Medien (AGEM) im Deutschen Anwaltsverein.

MDR (jw)

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Ramm am Nachmittag | 02. Juni 2023 | 16:40 Uhr

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