Hinter Gittern Was Gefängnisinsassen dürfen – und was nicht
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Müssen Strafgefangene arbeiten? Dürfen sie Telefongespräche führen? Und wie oft ist Besuch erlaubt? Das Leben im Gefängnis ist genau geregelt. Was Inhaftierte dürfen – und was nicht, das erklärt Experte Gilbert Häfner, der Präsident des Oberlandesgerichts Dresden.
Wonach bestimmen sich in Deutschland die Rechte und Pflichten der Gefangenen?
Wie in vielen anderen Bereichen liegt die Gesetzgebungskompetenz für die Ausgestaltung des Straf- und des Untersuchungshaftvollzugs bei den Bundesländern. Dementsprechend unterscheiden sich die Rechte und Pflichten der Gefangenen – und damit die Möglichkeiten ihrer Resozialisierung sowie die Anforderungen an ihre sichere Unterbringung und Beaufsichtigung – von Land zu Land. Darüber hinaus gibt es in den meisten Ländern gesonderte Regelwerke für den Strafvollzug, den Jugendstrafvollzug, den Jugendarrest und den Untersuchungshaftvollzug. Nachfolgend ist die Rechtslage im Freistaat Sachsen dargestellt.
Wie viele Gefängnisse gibt es im Freistaat Sachsen und wer legt fest, in welchem Gefängnis ein Verurteilter seine Strafe zu verbüßen hat?
In Sachsen gibt es derzeit zehn Gefängnisse, darunter eine Justizvollzugsanstalt nur für weibliche Gefangene (in Chemnitz), eine Justizvollzugsanstalt mit angeschlossenem Krankenhaus (in Leipzig), eine Jugendstrafanstalt (in Regis-Breitingen bei Borna) und eine Justizvollzugsanstalt, in der auch Sicherungsverwahrte untergebracht sind (in Bautzen). Insgesamt werden 3.878 Haftplätze vorgehalten, die in den vergangenen Jahren jeweils zu rund 90 % belegt waren. In welcher Vollzugsanstalt ein Verurteilter die gegen ihn verhängte Freiheitsstrafe zu verbüßen hat, bestimmt sich nach einem so genannten Vollstreckungsplan. Bei diesem sind die Dauer der verhängten Freiheitsstrafe und eine möglichst heimatnahe Unterbringung die maßgeblichen Kriterien der Verteilung der Strafgefangenen.
Wie viele Gefangene sind in einer Zelle untergebracht?
Grundsätzlich sind die Strafgefangenen in den Hafträumen einzeln untergebracht. Eine gemeinsame Unterbringung ist zulässig, wenn der Gefangenen zustimmt und schädliche Einflüsse nicht zu befürchten sind oder wenn ein Gefangener hilfsbedürftig ist oder eine Gefahr für Leben oder Gesundheit besteht.
Können sich Gefangene mittels der Medien über das Leben außerhalb des Gefängnisses informieren?
Die Gefangenen dürfen auf eigene Kosten Zeitungen und Zeitschriften in angemessenem Umfang durch Vermittlung der Anstalt beziehen. Diese hat den Gefangenen auch Zugang zum Rundfunk zu ermöglichen. Insoweit sind grundsätzlich auch eigene Hörfunk- und Fernsehgeräte der Gefangenen in den Hafträumen zugelassen.
Dürfen Gefangene Besuch empfangen?
Die Gefangenen dürfen im Monat vier Stunden Besuch empfangen. Der jeweilige Anstaltsleiter kann längere Besuchszeiten vorsehen. Die Besuche werden beaufsichtigt, jedoch dürfen dabei die Gespräche von den Vollzugsbediensteten nur überwacht werden, soweit es im Einzelfall wegen einer Gefährdung des Vollzugsziels oder aus Gründen der Sicherheit oder Ordnung in der Anstalt erforderlich ist. Der Anstaltsleiter kann auch mehrstündige, unbeaufsichtigte Besuche zulassen, wenn dies zur Pflege der familiären, partnerschaftlichen oder ihnen gleichzusetzender Kontakte der Gefangenen geboten erscheint und die Gefangenen hierfür geeignet sind. Für diese Langzeitbesuche gibt es in der Anstalt besondere Räume.
Wie verhält es sich mit Telefongesprächen und anderen Formen der Telekommunikation mit der "Außenwelt"?
Den Gefangenen kann gestattet werden, auf eigene Kosten Telefongespräche zu führen. Dabei hat er die Telefoneinrichtung der Anstalt zu benutzen, der Besitz und die Benutzung von Mobiltelefonen sind verboten. Die Gefangenen haben ferner das Recht, auf eigene Kosten Schreiben abzusenden und zu empfangen. Gleiches gilt für den Empfang und die Versendung von Paketen. Sogar eine Kommunikation per E-Mail kann der Anstaltsleiter den Gefangenen gestatten. Kontrolliert wird lediglich, dass die Briefe und Pakete keine verbotenen Gegenstände enthalten. Eine Überwachung des Schriftwechsels findet nur statt, soweit dies wegen einer Gefährdung des Vollzugsziels oder aus Gründen der Sicherheit oder Ordnung in der Anstalt erforderlich ist.
Gibt es in den Justizvollzugsanstalten auch Möglichkeiten einer sinnvollen Freizeitgestaltung?
Die Gefängnisse sind mit Sportstätten (Sportplatz, Turnhalle und/oder Kraftsport- und Gymnastikraum) ausgestattet. Darüber hinaus gibt es in jeder Anstalt eine Bücherei. Weitergehende Kultur- und Bildungsangebote sind Standard.
Welche Sanktionen drohen einem Gefangenen, der gegen die Anstaltsordnung verstößt?
Begeht ein Gefangener eine Straftat oder Ordnungswidrigkeit oder verstößt er gegen bestimmte Anstaltsregeln, kann der Anstaltsleiter eine Disziplinarmaßnahme gegen ihn verhängen. Insoweit kommen unter anderem die Beschränkung oder der Entzug des Fernsehempfangs bis zu drei Monaten, die Beschränkung oder der Entzug des Aufenthalts in Gemeinschaft oder der Teilnahme an einzelnen Freizeitveranstaltungen bis zu drei Monaten oder die Kürzung des Arbeitsentgelts um zehn Prozent bis zu drei Monaten in Betracht. Disziplinarmaßnahmen sind auch zulässig, wenn wegen derselben Verfehlung ein Straf- oder Bußgeldverfahren eingeleitet wird. Auch können mehrere Disziplinarmaßnahmen miteinander verbunden werden.
Gibt es noch die Isolationshaft?
Die härteste Disziplinarmaßnahme ist die so genannte disziplinarische Trennung. Sie darf nur wegen schwerer oder wiederholter Verfehlungen verhängt werden. Für die Dauer der disziplinarischen Trennung werden die Gefangenen getrennt von anderen Gefangenen untergebracht. Sie können in einem besonderen Haftraum untergebracht werden.
Soweit nichts anderes angeordnet wird, darf der Gefangene in dieser Zeit nicht an Maßnahmen außerhalb des Haftraums teilnehmen, den Raum nicht mit eigenen Gegenständen ausstatten, kein Fernsehen empfangen und nicht einkaufen. Gegenstände für die Freizeitbeschäftigung mit Ausnahme des Lesestoffs sind nicht zugelassen. Lediglich die Rechte zur Teilnahme am Gottesdienst und auf Aufenthalt im Freien bleiben unberührt.
Bevor eine disziplinarische Trennung vollstreckt wird, ist ein Arzt zu hören. Während der disziplinarischen Trennung stehen die Gefangenen unter ärztlicher Aufsicht. Die Vollstreckung unterbleibt oder wird unterbrochen, wenn ansonsten die Gesundheit der Gefangenen gefährdet würde.
Was verdienen die Gefangenen, wenn sie in der Vollzugsanstalt arbeiten?
Gefangene sind keine Arbeitnehmer. Deshalb gilt für sie nicht der Mindestlohn. In den Strafvollzugsgesetzen der Länder ist festgelegt, dass die Vergütung grundsätzlich 9 Prozent des Durchschnittseinkommens aller gesetzlich rentenversicherten Personen im vorvergangenen Jahr beträgt. Im Jahr 2018 sind das 13,15 Euro pro Tag (nicht: pro Stunde). In Abhängigkeit von der Art der Arbeit und der Leistung des Gefangenen kann die Vergütung bis zu 40 Prozent hinter diesem Betrag zurückbleiben, aber auch darüber hinausgehen. Unter bestimmten Voraussetzungen erhalten die Gefangenen an Stelle oder neben der Vergütung ein Taschengeld.
Müssen Strafgefangene arbeiten?
Den Gefangenen soll nach Möglichkeit eine ihren Fähigkeiten angemessene Arbeit übertragen werden, soweit sie körperlich und geistig hierzu in der Lage sind. Diese Arbeit dient – wie der Strafvollzug im Ganzen — der Resozialisierung. Dieses Ziel kann nur erreicht werden, wenn der Gefangene zur Mitwirkung bereit ist. Deshalb gibt es keine Arbeitspflicht. Wohl aber gibt es Instrumente, um die Mitwirkungsbereitschaft des Gefangenen zu fördern. So kann Gefangenen, die eine ihnen angebotene zumutbare Arbeit oder Qualifizierungsmaßnahme nicht angenommen haben oder eine ausgeübte Arbeit oder Qualifizierungsmaßnahme verschuldet verloren haben, das Taschengeld zeitweilig gestrichen werden.
Was kostet den Staat die Unterbringung eines Strafgefangenen?
Die Kosten pro Haftplatz variieren zwischen den Bundesländern. Diese Kosten setzen sich zusammen aus dem Tageshaftkostensatz, in den die Personalkosten, Sachkosten, Abschreibungen als auch Erlöse einfließen, dem Sachinvestitions- und dem Bauinvestitionskostensatz. Die auf diese Weise ermittelten Gesamtkosten pro Haftplatz lagen beispielsweise im Freistaat Sachsen im Jahr 2014 bei 110,13 Euro pro Tag.
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR um 4 | 20. Juni 2019 | 17:00 Uhr