Ein Verkehrsschild mit der Aufschrift "Verbot für Fahrzeuge aller Art" mit dem Zusatz "Hochwasser", 2022
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Interview mit Expertin Hochwassergefahr: Warum die Pflichtversicherung das Problem nicht löst

17. September 2024, 10:35 Uhr

Bis ins 19. Jahrhundert haben viele Gemeinden sicheren Abstand vom Wasser gehalten. Flüsse und Bäche konnten sich in breiten Betten natürlich ausdehnen. 2002 dann das Jahrhunderthochwasser in Sachsen, 2013 ein zweites. Und seitdem wächst die Angst, dass solche Katastrophen in Zukunft regelmäßig auf uns zukommen. MDR SACHSEN hat mit Anja Käfer-Rohrbach vom Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft über das Thema Hochwasser und Versicherung gesprochen.

Anja Käfer-Rohrbach 7 min
Bildrechte: Die Versicherer/Anja Käfer-Rohrbach

MDR: Wird immer noch zu oft zu nah am Wasser und in den falschen Gebieten gebaut?

Anja Käfer-Rohrbach: Bundesweit stehen derzeit über 300.000 Häuser in sogenannten amtlichen Überschwemmungsflächen und leider kommen jedes Jahr 1.500 bis 2.000 Neubauten dazu. Also in der Tat werden viel zu viele Häuser an den falschen Stellen gebaut.

Vielleicht auch interessant: In Sachsen stehen von den 975.000 Adressen rund 35.000 in sogenannten hochwassergefährdeten Gebieten. Und davon liegen die meisten im Landkreis Meißen, gefolgt von der Stadt Dresden und dann der Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge. Da sind wir definitiv auf dem falschen Weg.

Was sollten Bauherren in solchen hochwassergefährdeten Gebieten beachten?

Wenn Sie an einem Fluss wohnen, sollten Sie - wenn Sie neu bauen - zum Beispiel Folgendes überlegen:

  • Ist es sinnvoll, den Keller zu bauen?
  • Kann ich druckdichte Fenster einbauen?

Das Problem ist aber auch bei vielen, dass man gar nicht genau weiß, wie man sich schützen kann. Wir bauen noch so wie vor 150 Jahren. Sie haben praktisch die Rauigkeit der Handläufe von Kellertreppen geregelt in unserer Bauverordnung. Aber Sie finden keinen Satz darüber, wie hochwasserangepasstes Bauen aussehen kann. Also dementsprechend müssen wir hier zweigleisig fahren. Menschen müssen sich informieren, wo sie wohnen, wie sie sich vielleicht auch schützen können. Aber wir müssen auch perspektivisch die Bauvorschriften anpassen.

Um das Schlimmste zu verhindern, wird eine sogenannte Risikoanalyse für das eigene Gebäude empfohlen. Wer macht das und worum geht es dabei?

Man kann eine Risikoanalyse für das eigene Gebäude machen. Momentan bieten das das Hochwasserkompetenzzentrum in Köln oder auch das Kompetenzzentrum Hochwasservorsorge in Leipzig an. Diese Institutionen analysieren Gefährdungspotenziale der einzelnen Häuser und geben dann Tipps, wie Hochwasserprävention voranschreiten kann. Zum Beispiel bietet das Hochwasserkompetenzzentrum einen Online-Quick-Check auf seiner Homepage.

Auch auf unserer Homepage haben wir den sogenannten Hochwasser-Check. Da können Sie auch Ihre Adresse eingeben und bekommen eine erste Analyse darüber, in welcher Gefährdungsklasse Sie stehen.

Warum ist nicht jeder Hausbesitzer gegen Elementarschäden versichert?

Zu Elementarschäden zählen:

  • Überschwemmungen durch Hochwasser oder Starkregen,
  • Erdrutsch,
  • Erdsenkung,
  • Schlammlawinen,
  • Schneedruck,
  • Vulkanausbrüche und
  • Erdbeben.

Wenn wir von einer Elementarschadenversicherung sprechen, heißt es nichts anderes, als dass Sie schauen müssen, ob Sie in Ihrer Wohngebäudeversicherung oder auch der Hausratversicherung diese Elementarrisiken ergänzt haben. Weil viele Altverträge dies teilweise noch nicht mit drin haben. Aber da bitte schauen, was wirklich mitversichert ist.

Würde eine Pflichtversicherung das Problem lösen?

Die Pflichtversicherungsdebatte legt nur den Fokus auf das Thema Versicherung. Und wir brauchen - ich nenne es immer - ein Naturgefahren-Abwehrsystem. Die Pflichtversicherung löst kein einziges Problem. Sie müssen ganz konkrete Maßnahmen zum Thema Prävention und Klimafolgenanpassung verpflichtend machen. Sie müssen den Ausweis von Baugebieten an die Klimafolgen anpassen. Dann können Sie über das Thema Versicherungen reden. Und am Schluss müssen wir uns jetzt schon Gedanken machen, was passiert, wenn wirklich ein Großschadenereignis eintritt.

Die Pflichtversicherung löst kein einziges Problem.

Anja Käfer-Rohrbach

Wenn wir uns das Ahrtal anschauen, war das ein sehr, sehr großes Ereignis. Aber wenn wir nun so etwas vielleicht öfter sehen, müssen wir uns überlegen, wie wir damit auch finanziell umgehen. Denn ich glaube, dass das weder für die Privaten noch für die private Wirtschaft allein händelbar ist.

Was würde eine Pflichtversicherung für Hausbesitzer und Mieter bedeuten?

Wenn Sie nur an der Versicherungsschraube drehen, wenn Sie eine Pflichtversicherung beispielsweise einführen, wie es die Länder fordern, parken Sie eigentlich die gesamte finanzielle Verantwortung für die Klimafolgenanpassung bei den Hausbesitzenden und dann am Schluss wahrscheinlich auch bei den Mieterinnen und Mietern ab, weil die Vermieter das weiterreichen werden.

Und deswegen müssen wir hier konsequent Prävention und Klimafolgenanpassung mitdenken. Und da müssten die Kommunen ran, die Länder ran, der einzelne Hausbesitzer. Das sind viele Räder, die ineinander greifen müssen. Davon sind wir leider noch ganz weit entfernt.

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Wenn sich Starkregen und Wassermassen ihren Weg bahnen wie hier im Südharz zu Beginn dieses Jahres, ist der Schaden groß. Sollte die Versicherung gegen solche Ereignisse Pflicht sein? In Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen sind laut MDRfragt viele dafür. Bildrechte: IMAGO / dts Nachrichtenagentur

Quelle: MDR (cwe)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | 23. August 2024 | 11:20 Uhr

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