Eine Bronzestatue der römischen Göttin Justitia mit Waage und Richtschwert in der Hand
Justitia gilt als Symbol der Gerechtigkeit. Bildrechte: picture alliance / dpa | Arne Dedert

Urteile der Woche Privatinsolvenz: Pflegegeld darf nicht gepfändet werden

21. Januar 2023, 05:00 Uhr

Fast täglich werden im Gerichtssaal wichtige Urteile gesprochen, die Einfluss auf unser Leben haben können. MDR AKTUELL präsentiert Ihnen die drei interessantesten dieser Woche in Kurzform.


Pflegegeld darf beim Pflegenden nicht gepfändet werden

Bundesgerichtshof (Az. IX ZB 12/22)

Hinter dem Pflegegeld steht der Gedanke, dass Pflegebedürftige selbst entscheiden können sollen, wie und von wem sie gepflegt werden. Sie bekommen das Geld, wenn sie sich gegen einen ambulanten Pflegedienst entscheiden und von Angehörigen, Freunden oder ehrenamtlich Tätigen versorgt werden. Das sind je nach Grad der Pflegebedürftigkeit zwischen 316 und 901 Euro im Monat. Martha Marbach bekommt dieses Geld für die Pflege ihres autistischen Sohnes. Nun allerdings ist sie hoch verschuldet. Der Insolvenzverwalter beantragt, beim pfändbaren Arbeitseinkommen das Pflegegeld einzurechnen.

Am Bundesgerichtshof sagte man hier klar und deutlich Nein: "Familiäre, nachbarschaftliche oder ehrenamtliche Pflege sollte grundsätzlich unentgeltlich sein. Das Pflegegeld ist dazu gedacht, die Autonomie des Pflegebedürftigen zu stärken und einen zusätzlichen Anreiz für die häusliche Pflege zu schaffen. Der Gesetzgeber hat es nicht als Entgelt konzipiert – wie beispielsweise für eine professionelle Pflegekraft. Es ermöglicht dem Pflegebedürftigen aber, der pflegenden Person eine materielle Anerkennung für Einsatz und Opferbereitschaft zukommen zu lassen." Wer einen Angehörigen zu Hause pflegt, muss also nicht befürchten, dass in einer finanziellen Krise das Pflegegeld gepfändet wird.


Bei Streit um Umgangsrecht kann Kindeswille den Ausschlag geben

Oberlandesgerichts Brandenburg (Az. 9 UF 209/21)

Wanda Wandrich ist elf Jahre alt, ihre Eltern sind geschieden, sie lebt bei ihrer Mutter. Oft muss sie miterleben, wie ihre Eltern hochemotional und verletzend um das Umgangsrecht des Vaters streiten. Der spricht mit dem Kind auch immer wieder über die elterlichen Streitpunkte. Die Tochter lehnt daraufhin den Umgang mit ihrem Vater gänzlich ab. Das Oberlandesgericht Brandenburg entscheidet, den Umgang zwischen Vater und Tochter für zwei Jahre auszuschließen.

Die Richter verweisen in der Begründung auf die Verweigerungshaltung des Mädchens:  "Grundsätzlich muss bei einer solchen Entscheidung auch der Willen des Kindes eine Rolle spielen. Dabei gilt: Je älter das Kind ist, desto mehr darf es mitbestimmen. Seine wachsende Fähigkeit zu eigener Willensbildung und selbständigem Handeln ist zu berücksichtigen, damit es sich zu einer eigenverantwortlichen Persönlichkeit entwickeln kann. Ein erzwungener Umgang kann unter Umständen mehr Schaden verursachen als Nutzen bringen. Bloße Widerstände des Kindes oder dessen Lustlosigkeit am Umgang können den Ausschluss allerdings nicht rechtfertigen." Der Vater hat hier vorerst kein Umgangsrecht mehr.


Vermeintlicher Erbe von Millionen-Vermögen geht leer aus

Oberlandesgericht Celle (Az. 6 U 2/22)

Sarah Saarmann ist alleinstehend und ohne Kinder. Ihr Vermögen von mehreren Millionen Euro will sie laut Testament ihrem langjährigen Steuerberater vermachen. In einem Erbvertrag – vom Notar unterzeichnet – ist der Steuerberater als alleiniger Erbe eingesetzt. Kurze Zeit später stirbt die Erblasserin. Um den Erbschein zu erteilen, holt das zuständige Amtsgericht ein psychiatrisches Gutachten ein. Danach war die Verstorbene aufgrund ihrer psychischen Erkrankung nicht mehr in der Lage, wirksam zu testieren. Doch der Steuerberater geht dagegen in Berufung. Ohne Erfolg am Oberlandesgericht Celle: "Laut psychiatrischem Gutachten litt die Verstorbene zur Zeit des geschlossenen Erbvertrages unter wahnhaften Störungen. Damit war sie nicht in der Lage, wirksam ein Testament aufzusetzen. Der Erbvertrag ist damit nicht rechtmäßig zustande gekommen." Das Vermögen von mehreren Millionen Euro fällt damit an die gesetzlichen Erben der Verstorbenen.

*Alle Namen wurden von der Redaktion geändert.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 21. Januar 2023 | 06:00 Uhr

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