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Beim Einkauf gilt der Preis, der im Kassensystem eingepreist ist. Bildrechte: picture alliance/dpa | Jens Kalaene

Der Redakteur | 11.11.2022Der Preis am Regal oder an der Kasse? - Welcher ist bindend?

12. November 2022, 19:02 Uhr

MDR THÜRINGEN-Hörer Ingolf Ehrhardt aus Neudietendorf will wissen, welcher Preis beim Einkauf bindend ist. Der Preis am Regal oder der, der an der Kasse abgezogen wird? Thomas Becker, der Redakteur für Hörerfragen, hat recherchiert.

Auf den Punkt gebracht: Es gilt der Preis an der Kasse. Beziehungsweise im Kassensystem. Das hat aber etwas damit zu tun, dass hinter dem Prozess unseres Einkaufens rechtlich mehr orientalischer Markt steckt, als man vermuten würde. Auch mit dem Kauf eines simplen Joghurts gehen wir einen Vertrag ein. Indem ich den Joghurtbecher aufs Kassenband stelle, mache ich dem Verkäufer ein Vertragsangebot. Und zwar zu dem in der Kasse hinterlegten Preis.

Moment, sagt da der gesunde Menschenverstand: Hat nicht gerade der Verkäufer mir ein Angebot gemacht, indem er das Preisschild ans Regal gesteckt hat? Nein, Juristen benutzen als Erklärung gern den lateinischen Begriff invitatio ad offerendum, hinter dem die Aufforderung zur Abgabe eines Angebots steckt. Das bedeutet: Der Verkäufer spricht quasi nur eine Einladung aus, daraufhin macht der (angehende) Käufer das Angebot, den Artikel zu kaufen, indem er zur Kasse geht.

In den Zeiten des kleinen Aufklebers, dessen aufgedruckten Preis die Kassiererin in die Kasse getippt hat, war das noch relativ transparent. Heute steckt der Preis quasi hinter dem Strichcode im Warenwirtschaftssystem und wird erst dann sichtbar, wenn es "Pieps" gemacht hat. Weil besonders die Discounterkassen auf Tempo ausgelegt sind, hat der Kunde in der Praxis keine Möglichkeit, den "Vertrag" wirklich zu prüfen.

Kann ich die "Angebotsannahme" ablehnen?

Da der Vertragsabschluss über den Kauf des Joghurts erst mit dem Bezahlen zustande kommt, kann der Käufer jederzeit sagen: Moment, der Preis entspricht nicht meinen Angebotsvorstellungen. Auch mit dem Hinweis auf den Preis am Regal.

Weicht der Preis an der Kasse von dem am Regal ab, kann auf den Regalpreis verwiesen werden. Bildrechte: IMAGO / Jochen Tack

Nun beginnt der orientalische Teil. Die Kassiererin wird zum Telefon greifen, weil ihr im Zweifel der Laden nicht gehört und nachfragen, ob sie den Artikel auch zu einem anderen Preis verkaufen darf. Auch wird sie womöglich nachschauen oder nachschauen lassen, ob da vielleicht noch ein altes Preisschild am Regal steckt. Wenn der vom Kunden "angebotene" Preis vom Regal nicht völlig abwegig ist - was passieren kann, wenn Preisschilder vertauscht wurden - wird der Supermarkt in der Regel das "Angebot" des Kunden annehmen und den Joghurt zum "Regal-Preis" verkaufen.

Das geschieht aber im Rahmen der Kulanz, erklärt Britta Schautz, Projektleiterin Lebensmittel und Ernährung bei der Verbraucherzentrale in Berlin. Einen Anspruch hat der Kunde nicht, gleichwohl rät sie, den Kassenzettel zu prüfen und gegebenfalls direkt zu reklamieren.

Man kann den Kauf rückgängig machen und sagen, ich möchte das Produkt nicht zu diesem Preis kaufen. Das sollte man direkt im Supermarkt anmerken. Worauf ich aber kein Recht habe, ist, dass die Preisdifferenz erlassen wird.

Britta Schautz | Projektleiterin Lebensmittel und Ernährung in der Verbraucherzentrale Berlin

Und am Ende kann auch niemand jemanden zwingen, einem anderen etwas zu verkaufen, wenn der gar nicht verkaufen will. Über die Bedingungen des Kaufvertrages einschließlich des Preises müssen sich am Ende schon irgendwie beide Seiten einig sein.

Ist das Absicht oder ein Versehen?

In der Regel ist die Datenbasis des gedruckten Preisschilds die gleiche, auf die auch die Kasse zugreift. Das kann man auch daran erkennen, dass das Preisschild am Regal ja auch den Barcode enthält und Angaben wie den Kilopreis. Da setzt sich heute niemand mehr hin und schreibt das mit der Hand. Zumindest nicht im Supermarkt, es sei denn, das Obst und Gemüse muss abends noch raus.

Wenn das Vorgehen aber System hat und ein Supermarkt mit der Nummer auffällig wird, billige Lockpreise ans Regal zu schreiben, dann greifen andere Mechanismen. Britta Schautz von der Verbraucherzentrale nennt das Gesetz zu Preisangabe oder das Gesetz, das unlauteren Wettbewerb verhindern soll. Dann können Geldstrafen fällig werden.

So etwas können Behörden verfolgen, aber auch die Verbraucherzentralen oder andere Vereine, die berechtigt sind, solche Abmahnungen oder klagen durchzuführen.

Britta Schautz | Projektleiterin Lebensmittel und Ernährung in der Verbraucherzentrale Berlin

Deswegen ist es sinnvoll, sich mit berechtigten Vorfällen dieser Art an die Verbraucherzentrale zu wenden. Dabei darf es nicht um kleine Irrtümer gehen, es muss schon eine gewisse Relevanz haben. In Berlin haben die Meldungen zuletzt deutlich zugenommen, wenngleich die Gesamtzahl immer noch gering ist.

Waren es zuletzt zwei pro Jahr, sind es jetzt schon 25 Hinweise, die die Verbraucherzentrale 2022 in Berlin bekommen hat. Andere Bundesländer meldeten ebenfalls Anstiege, so Britta Schautz. In Thüringen waren es in diesem Jahr erst drei Meldungen. Und denen gehen die Verbraucherschützer dann selbst nach oder übergeben es an die Ordnungsbehörden. 

Quelle: MDR (mw)

Dieses Thema im Programm:MDR THÜRINGEN - Das Radio | Ramm am Nachmittag | 11. November 2022 | 16:40 Uhr