Religion im Arbeitsrecht Arbeitsrecht: Fasten und Arbeit sind vereinbar

16. April 2022, 09:52 Uhr

Für die einen geht die Fastenzeit an Ostern zu Ende, für die anderen hat sie eben begonnen. Über fünf Millionen Muslime in Deutschland feiern den Fastenmonat Ramadan. Sie essen und trinken von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang nichts – 29 Tage lang. Das belastet den Körper und kann Einfluss auf die Arbeit haben. Wie vertragen sich Fasten und Job?

Matt, unkonzentriert, manchmal auch schwindelig – so fühlt man sich, wenn man stundenlang nichts isst und trinkt. Der Blutdruck sinkt, Kopfschmerzen können hinzukommen, Ohnmachtsanfälle drohen. Wer 13 Stunden am Tag fastet, dürfte auf Arbeit kaum zu gebrauchen sein. Doch der Arbeitgeber darf nicht gegen das Fasten vorgehen, erklärt der Anwalt Silvio Lindemann:

Der Arbeitgeber darf das Fasten weder verbieten, noch darf er eine Kündigung darauf stützen oder vielleicht abmahnen. Derartige Sanktionen gegen Arbeitnehmer, die Fasten, wären unzulässig. Das Fasten ist letztendlich Ausübung der Religionsfreiheit.

Silvio Lindemann, Anwalt für Arbeitsrecht in Dresden

Das heißt, die Chefin oder der Chef müssen in Kauf nehmen, wenn Mitarbeiter oder Mitarbeiterinnen fasten und deswegen schlapp und unkonzentriert ist.

Auf der anderen Seite haben Arbeitgeber aber auch Fürsorgepflichten. Sie dürfen nicht riskieren, dass etwa ein fastender Bauarbeiter aus Ermattung vom Gerüst fällt. Lindemann weist darauf hin, dass die Arbeitgeber fastende Menschen freistellen können, wenn sie die Arbeit nicht leisten können.

Und wenn er dann freigestellt werden müsste, dann aber ohne Gehalt und ohne Lohn. Hier gilt der Grundsatz: Ohne Arbeit kein Lohn. Das sind die einzigen Möglichkeiten, die der Arbeitgeber hier hat. 

Anwalt Lindemann

Eine gute Idee ist es, wenn Arbeitnehmer und Arbeitgeber möglichst früh darüber sprechen. So können Dienste neu geplant oder verkürzt und andere Tätigkeiten oder Gebetspausen gefunden werden. Eine gute Idee wäre auch, die Arbeitszeit wenn möglich zu verschieben, sodass die oder der Fastende etwa nach Sonnenuntergang arbeitet.

Auch Raum für Gebete muss es geben

Auch in diesem Punkt wird laut Lindemann dem Arbeitgeber eine Pflicht auferlegt. Er müsse gewisse Erleichterungen einräumen, "wenn sie dem Arbeitgeber zumutbar und umsetzbar sind". Das betreffe auch Räume für das Gebet: "Wenn sie ohne weiteres zur Verfügung zu stellen wären, dann muss der Arbeitgeber das tun."

Mehr als jeder zweite Muslim in Deutschland fastet jetzt, ganz oder nur teilweise. Das ist also Privatsache. Den Arbeitgeber müssen die fastenden Menschen nicht informieren – es sei denn, die Leistungseinbußen drohen zu groß zu werden. Dann müssen die Arbeitnehmer auf ihre Arbeitgeber zugehen und auch selbst nach Ausweichmöglichkeiten suchen.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 16. April 2022 | 06:00 Uhr

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