Recht Ärztliche Behandlungsfehler: Was Betroffene tun können

Keine Frage – in jedem Beruf können Fehler passieren. Doch unterläuft Ärzten oder Klinikpersonal ein Fehler, kann dies lebensgefährliche Folgen haben. Welche Rechte Patienten und Angehörige haben und wie Sie Ihre Rechte einfordern, erklärt Experte Gilbert Häfner.

Was ist ein Behandlungsfehler?

Eine medizinische Behandlung hat grundsätzlich nach den zum Zeitpunkt der Behandlung bestehenden, allgemein anerkannten fachlichen Standards zu erfolgen. Hiervon darf der Arzt nur abweichen, wenn er dies mit dem Patienten vereinbart hat (§ 630a Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs – BGB). Die nicht vereinbarte Abweichung von den genannten Standards stellt eine Pflichtverletzung des Arztes, mithin einen Behandlungsfehler dar. Zu den Behandlungsfehlern im engeren Sinne gehören Mängel in der Diagnose oder Therapie. Aber auch Verstöße gegen Hygienestandards oder Organisationsfehler, etwa bei der Vorbereitung und Durchführung eines körperlichen Eingriffs, können dem behandelnden Arzt vorzuwerfen sein.

Ein Behandlungsfehler im weiteren Sinne kann darüber hinaus darin liegen, dass der Arzt es versäumt, den Patienten aufzuklären, oder die vorgenommene Aufklärung unrichtig, unvollständig oder unverständlich ist (§ 630e Abs. 1 BGB). Denn insoweit trifft den Arzt die Pflicht, den Patienten über Art, Umfang, Durchführung, zu erwartende Folgen und Risiken der Maßnahme sowie ihre Notwendigkeit, Dringlichkeit, Eignung und Erfolgsaussichten im Hinblick auf die Diagnose oder die Therapie zu unterrichten. Bei der Aufklärung hat der Arzt auch auf Alternativen zur Maßnahme hinzuweisen, wenn mehrere medizinisch gleichermaßen indizierte und übliche Methoden zu wesentlich unterschiedlichen Belastungen, Risiken oder Heilungschancen führen können.

Empfiehlt es sich, wegen eines vermuteten Behandlungsfehlers ausgerechnet denjenigen Arzt zunächst anzusprechen, der die möglicherweise fehlerhafte Behandlung durchgeführt hat?

Eine ordnungsgemäße medizinische Behandlung beinhaltet, dass der Patient vor, während und nach der Behandlung vom Arzt über alle wesentlichen Umstände unterrichtet wird. Dazu gehört auch, dass der Arzt, wenn für ihn Umstände erkennbar sind, die die Annahme eines Behandlungsfehlers begründen, den Patienten über diese Umstände auf Nachfrage oder zur Abwendung gesundheitlicher Gefahren informieren muss (§ 630c Abs. 2 Satz 2 BGB). Daher kann und sollte man jedenfalls dann zunächst den behandelnden Arzt erneut aufsuchen und mit dem vermuteten Behandlungsfehler konfrontieren, wenn man von ihm den Eindruck gewonnen hat, dass es sich um einen redlichen Menschen handelt.    

Begründet jeder Behandlungsfehler eine Haftung des Arztes?

Der Arzt haftet dem Patienten nicht schon dann, wenn ein Behandlungsfehler feststeht und nach der Behandlung die Leiden des Patienten fortbestehen, sich verschlimmern oder neue Leiden auftreten. Für einen ausbleibenden Behandlungserfolg, Komplikationen oder unerwünschte Nebenwirkungen muss der Arzt vielmehr nur dann einstehen, wenn diese Symptome auf einem Behandlungsfehler beruhen. Diesen Ursachenzusammenhang muss im Streitfall grundsätzlich der Patient beweisen; jedoch gibt es zwei wichtige Ausnahmen zu dieser Regel vor (§ 630h Abs. 4 und 5 BGB): Eine gesetzliche Vermutung für einen Ursachenzusammenhang zwischen Behandlung und aufgetretenen Komplikationen besteht zum einen, wenn ein Behandelnder für die von ihm vorgenommene Behandlung nicht befähigt war, und zum anderen, wenn ein grober Behandlungsfehler vorliegt und dieser grundsätzlich geeignet ist, eine Verletzung des Lebens, des Körpers oder der Gesundheit der tatsächlich eingetretenen Art herbeizuführen.

Worauf richtet sich der Schadensersatzanspruch, den ein Patient aufgrund des Behandlungsfehlers eines Arztes erwirbt?

Für die Kosten einer medizinischen Behandlung, die wegen eines ärztlichen Behandlungsfehlers notwendig wird, kommt die Krankenkasse des Patienten auf. Dies entlastet den Arzt, dem der Behandlungsfehler unterlaufen ist, aber nur scheinbar, denn der Schadensersatzanspruch des bei ihr versicherten Patienten geht auf die Krankenkasse über. Diese hält sich daher beim Arzt wegen der von ihr verauslagten Kosten der Nachbehandlung schadlos.

Das Interesse des schlecht behandelten Patienten selbst ist in erster Linie auf ein Schmerzensgeld gerichtet. Dies ist eine besondere Art des Schadensersatzes, durch die derjenige Schaden abgegolten wird, der nicht das Vermögen des Verletzten betrifft. Der Nichtvermögensschaden kann sich etwa in Schmerzen, Unwohlbefinden, Depressionen oder einer Wesensveränderung ausdrücken. Ganz geringfügige Beeinträchtigungen wie kleine Platz- und Schürfwunden sowie kleine Hämatome ("blaue Flecken") genügen allerdings, von Fällen vorsätzlicher Verletzung abgesehen, nicht. Die Höhe des Schmerzensgeldes bestimmt sich nach den Umständen des Einzelfalles.

Dabei kommen als Bewertungsfaktoren unter anderem in Betracht: Grad des Verschuldens und eines etwaigen Mitverschuldens des Verletzten, Ausmaß und Schwere der Verletzungen, Unvorhersehbarkeit des weiteren Krankheitsverlaufs, Zurückbleiben von Behinderungen oder Entstellungen. Berücksichtigt werden insoweit allerdings nur immaterielle Schäden; die erlittenen Vermögensnachteile – dazu gehört etwa ein auf verletzungsbedingter Arbeitsunfähigkeit beruhender Verdienstausfall – werden gesondert abgegolten. Die gesetzlichen Vorschriften sehen keine bestimmten Tarife für konkrete Verschuldensgrade und Verletzungen vor, im Streitfall kommt dem Gericht bei der Bemessung des Schmerzensgeldes ein weiter Ermessensspielraum zu. Allerdings gibt es veröffentliche Sammlungen von Schmerzensgeldurteilen. Hieran orientieren sich die Haftpflichtversicherer, aber auch die Gerichte selbst. Verbindlich sind diese "Schmerzensgeld-Tabellen" freilich nicht.

Binnen welcher Fristen verjähren Ersatzansprüche wegen eines Behandlungsfehlers und was gilt, wenn die gesundheitlichen Folgen dieses Fehlers erst lange Zeit nach dem Ende der Behandlung erkennbar werden?

Arzthaftungsansprüche aus Vertrag und aus unerlaubter Handlung unterliegen einheitlich einer dreijährigen Verjährungsfrist (§ 195 BGB). Diese beginnt mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Patient von den Umständen, die den Anspruch begründenden (hier: Behandlungsfehler), und der Person des Schuldners (hier: Arzt oder Krankenhaus) Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste (§ 199 Abs. 1 BGB). Die Verjährungsfrist beginnt also nicht bereits mit dem Ende der Behandlung, sondern erst mit dem Schluss des Jahres, in dem sich es sich dem Patienten geradezu aufdrängen muss, dass dem Arzt ein Behandlungsfehler unterlaufen ist. 30 Jahre nach der Begehung des Behandlungsfehlers kann sich der Arzt allerdings ohne Rücksicht auf den Zeitpunkt der Entstehung des Anspruchs und der Kenntnis oder grob fahrlässigen Unkenntnis des Patienten mit Erfolg auf Verjährung berufen (§ 199 Abs. 2 BGB).

Was ist zunächst zu tun, wenn man aufgrund von fortdauernden oder neuen gesundheitlichen Beschwerden vermutet, dass dem Arzt ein Behandlungsfehler unterlaufen ist?

Der Patient sollte zunächst dem Arzt, den er eines Behandlungsfehlers verdächtigt, seine Beschwerden beschreiben und offen danach fragen, ob diese auf einem etwaigen Behandlungsfehler beruhen können. Diese Frage muss der Arzt wahrheitsgemäß beantworten. Des Weiteren sollte der Patient den Arzt darum bitten, ihm Einsicht in die Patientenakte zu gewähren. Auch hierzu ist der Arzt verpflichtet. Dieser muss dem Patienten sogar elektronische Abschriften der Patientenakte überlassen, kann dies aber von der Erstattung der dabei anfallenden Kosten abhängig machen. Ist der Behandlungsfehler in einem Krankenhaus passiert, sollte der Patient zusätzlich Namen und Adressen von möglichen Zeugen, etwa von Krankenschwestern oder assistierenden Ärzten, in Erfahrung bringen.   

Gibt es Alternativen zur Klageerhebung vor Gericht, wenn sich der Verdacht eines Behandlungsfehlers erhärtet hat, aber der Arzt dafür nicht einstehen will?

Arzthaftungsprozesse sind nicht selten mit hohen Kosten verbunden, weil die Gerichte sich zur Aufklärung der erhobenen Vorwürfe der Hilfe von medizinischen Sachverständigen bedienen müssen. Wer nicht rechtsschutzversichert ist, sollte deshalb vor Erhebung einer Klage zunächst die Möglichkeit einer außergerichtlichen Beratung in Anspruch nehmen. So werben einige gesetzliche Krankenkassen, darunter die Allgemeinen Ortskrankenkassen (AOK) mit kostenloser und zügiger Unterstützung.

Als weitere Anlaufstelle für eine Beratung des Patienten bietet sich die Unabhängige Patientenberatung Deutschland (UPD) an. Hierbei handelt es sich um eine gemeinnützige Einrichtung, die vom Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen finanziert und vom Verband der privaten Krankenversicherer gefördert wird. Die UPD bietet eine Online-Beratung an, unterhält aber auch örtliche Beratungsstellen. Ferner gibt es mancherorts eine so genannte Patientenstelle, die in der Regel von einem gemeinnützigen Verein getragen wird. Mehrere dieser Patientenstellen haben sich in einer Bundesarbeitsgemeinschaft (BAGP) zusammengeschlossen. In deren Internetauftritt findet man ein Verzeichnis der angeschlossenen regionalen Patientenstellen.

Schließlich besteht für den geschädigten Patienten die Möglichkeit, kostenfrei die Durchführung eines Schlichtungsverfahrens bei der Schlichtungsstelle für Arzthaftpflichtfragen der norddeutschen Ärztekammern – hierzu gehören u.a. die Ärztekammern von Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Thüringen – bzw. der Gutachterstelle für Arzthaftungsfragen bei der Sächsischen Landesärztekammer zu beantragen. Deren Spruch ist für keine Seite bindend, wird aber von den Haftpflichtversicherungen der Ärzte häufig akzeptiert. Fällt der Schiedsspruch für den Patienten negativ aus oder muss nach positivem Schiedsspruch mit der Haftpflichtversicherung über die Höhe der Ersatzleistung verhandelt werden, sollte aber in jedem Fall die Beratung durch einen Rechtsanwalt in Anspruch genommen werden.

Gibt es staatliche Hilfe für die Kosten der Schadensersatzklage, wenn Krankenhaus und Arzt ihre Haftung ablehnen und der geschädigte Patient sich einen Rechtsanwalt nicht leisten kann?

Wer nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht, nur zum Teil oder in Raten in der Lage ist, die Kosten eines gerichtlichen Verfahrens – etwa einer Klage auf Schadensersatz gegen einen Arzt oder ein Krankenhaus wegen eines möglichen Behandlungsfehlers – zu tragen, erhält Prozesskostenhilfe. Voraussetzung ist dabei, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Erfolgsaussicht hat und nicht mutwillig ist.

Wer Prozesskostenhilfe in Anspruch nehmen will, muss mittels eines Formulars seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse offenlegen. Das Gericht ermittelt dann auf der Grundlage des Bruttoeinkommens und nach Abzug von Steuern, Sozialabgaben, bestimmter Freibeträge und Belastungen das von der Partei einzusetzende Einkommen. Beträgt dieses weniger als 20 Euro im Monat, und ist auch sonst kein zumutbar einzusetzendes Vermögen vorhanden, wird Prozesskostenhilfe ohne Eigenanteil bewilligt. Liegt das Einkommen höher, muss sich die Partei nach einer gesetzlich festgelegten Staffelung mit monatlichen Raten an den Kosten des Prozesses beteiligen.

Die Prozesskostenhilfe deckt die gesamten Gerichtskosten und die Kosten des eigenen Anwalts ab. Dabei bleibt es auch, wenn man den Prozess verliert. Die Kosten des gegnerischen Anwalts hingegen sind von der Prozesskostenhilfe nicht erfasst. Im Falle des eigenen Unterliegens müssen sie dem Prozessgegner erstattet werden. Gänzlich ohne Zahlungsrisiko ist ein gerichtliches Verfahren also auch dann nicht, wenn man ratenfrei Prozesskostenhilfe bewilligt bekommen hat.

Wie findet man einen Rechtsanwalt, der auf die Geltendmachung von Schadensersatz wegen Behandlungsfehler spezialisiert ist?

Ein Mandant darf von jedem Rechtanwalt erwarten, dass seine Rechtsangelegenheit fehlerfrei besorgt wird. Gleichwohl empfiehlt es sich in Arzthaftungsfällen, das Mandat einem Rechtsanwalt zu übertragen, der auf dem Rechtsgebiet des Medizinrechts über besondere Kenntnisse und Erfahrungen verfügt, welche durch die Bezeichnung "Fachanwalt für Medizinrecht" ausgewiesen werden. Die Voraussetzungen für die Verleihung der Fachanwaltsbezeichnung sind in der Fachanwaltsordnung geregelt. Dazu gehören die Teilnahme an Kursen, das Bestehen von Klausuren sowie die Bearbeitung einer bestimmten Mindestanzahl von Fällen auf dem jeweiligen Rechtsgebiet.

Sollte man Strafanzeige erstatten, wenn man den Verdacht hat, dass dem Arzt ein Behandlungsfehler unterlaufen ist?

Ein ärztlicher Behandlungsfehler begründet nicht nur einen Schadensersatzanspruch des Patienten, sondern stellt auch eine – in der Regel fahrlässige, in seltenen Ausnahmefällen vorsätzliche – Körperverletzung dar, die als solche strafbar ist (§§ 223 ff. des Strafgesetzbuchs – StGB). Einen Vorteil bietet das an eine entsprechende Strafanzeige anknüpfende Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft dem geschädigten Patienten insoweit, als er daraus stichhaltige Beweise für den vermuteten Behandlungsfehlers gewinnen kann, ohne hierfür Geld aufwenden zu müssen. Indessen muss der Patient damit rechnen, sowohl durch die Staatsanwaltschaft als auch durch den Strafrichter als Zeuge herangezogen zu werden und zusätzliche Untersuchungen über sich ergehen lassen zu müssen.

Darüber hinaus gelten im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren nicht zu Lasten des Arztes die Beweiserleichterungen, auf die sich der Patient im Zivilprozess berufen kann. Ferner darf ein Arzt als Beschuldigter die Aussage verweigern. Nicht selten wird daher am Ende der Arzt aus Mangel an Beweisen freigesprochen oder das gegen ihn gerichtete Verfahren wegen geringer Schuld eingestellt. In diesen Fällen hat der Patient, dem es eigentlich um Genugtuung für die erlittenen Gesundheitsbeeinträchtigungen geht, durch seine Strafanzeige kaum etwas erreicht. Nicht zuletzt deshalb ist anzuraten, den Arzt vorzugsweise außergerichtlich auf Schadensersatz in Anspruch zu nehmen und, wenn dies erfolglos bleibt, Klage vor einem Zivilgericht zu erheben.

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Weitere Informationen finden sich in der unentgeltlichen Broschüre "Ratgeber für Patientenrechte", gemeinsam herausgegeben vom Bundesministerium für Gesundheit, vom Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz sowie von der Beauftragten der Bundesregierung für die Belange der Patientinnen und Patienten. Die Broschüre ist zu beziehen als Download über die Internetauftritte dieser Behörden oder papiergebunden beim Publikationsversand der Bundesregierung, Postfach 48 10 09, 18132 Rostock, E-Mail: publikationen@bundesregierung.de, Telefon: 030/182722721, Telefax: 030/18102722721.

Weitere Antworten liefert das Buch "Ihr Recht bei Ärztepfusch: Erfolgreich vorgehen bei Behandlungs- und Pflegefehlern" von Autorin Angelika Friedl, herausgegeben von der Stiftung Warentest (2017).

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Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR um 4 | 01. Oktober 2020 | 17:00 Uhr

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