Der Redakteur | 23.02.2023 Gab es nicht ein Gesetz oder gar ein Verbot gegen Einwegbecher?

23. Februar 2023, 18:50 Uhr

Jede Stunde werden in Deutschland 320.000 Einwegbecher verbraucht. Für heiße Getränke wie Kaffee. Diese Zahl hat das Bundesumweltministerium 2021 bekannt gegeben. Ob das seit Einführung der Mehrwegpflicht besser geworden ist?

Seit Januar gibt es eine Mehrwegpflicht für gastronomische Betriebe, die Speisen zum Sofortverzehr in Einwegkunststoff-Verpackungen anbieten. Das bedeutet aber nicht, dass alle Einwegverpackungen verboten wären. Die Mehrwegbehälter müssen dem Kunden als Alternative angeboten werden und dürfen nicht teurer sein. Also egal, welches Behältnis man wählt, der Preis muss der gleiche sein.

Aber: Auf die Mehrwegverpackung darf ein Pfand erhoben werden. Ausgenommen von dieser Regelung sind Betriebe, die weniger als fünf Mitarbeiter haben und maximal 80 Quadratmeter Ladenfläche. Die müssen allerdings auf Wunsch der Kunden Essen und Trinken in mitgebrachte Gefäße abfüllen. So richtig ausgereift, übersichtlich und praktikabel klingt das noch nicht. Zudem richtet sich die Mehrwegpflicht nur gegen Einweg-Plasteverpackungen, kritisiert die Verbraucherzentrale

Wer "nur" in Aluminium- oder Pappeinweg abfüllt, muss nichts ändern. Es gibt kein Einweg-Verbot, sondern ein Mehrweg-Gebot.

Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen

Was spricht denn gegen Einwegverpackungen?

Wir müllen uns zu und vernichten Ressourcen. Niemand kommt auf die Idee, seine Porzellanteller nach dem Essen in die Tonne zu werfen. Aber offensichtlich hat Deutschland zu Hause sowieso keine Küchen mehr. Gerade in den größeren Städten wird unterwegs gegessen und getrunken. Im Stehen, im Gehen, im Zug und im Bus. Nach wenigen Minuten landen die Behältnisse dann im Müll oder bestenfalls in der Tonne mit einem schicken Recycling-Symbol. Damit ist hoffentlich der Weg in Richtung Straßengraben oder Meer versperrt, aber wirklich klug ist das alles nicht.

Der Aufwand, ein solches Gefäß herzustellen, steht in keinem Verhältnis zur Nutzungsdauer. Das fängt bei den Rohstoffen an (Erdöl, Pflanzenfasern, Aluminium, Recyclingmaterialien und vieles mehr) und geht weiter über die Energie und den Wassereinsatz. Wir sollten also gerade aus unseren endlichen Rohstoffen lieber Produkte von Wert schaffen oder den Einsatz von Einwegverpackungen auf die Bereiche reduzieren, wo es kaum Alternativen gibt.

Es ist naiv zu glauben, dass wir mit den Hygienestandards unserer Zeit komplett auf Einwegverpackungen verzichten können. Der Quark auf dem Pergamentpapier kann nicht die Lösung sein. Aber im Bereich Fastfood ist einiges aus dem Ruder gelaufen. Die Experten der Verbraucherzentrale beobachten, begleiten und bewerten die Bemühungen der Politik, unseren Müllverbrauch zu reduzieren sehr intensiv und ziemlich kritisch. Und sie liefern Argumente, die nachdenklich machen.

Die Klimabilanz von Mehrweggefäßen ist verglichen mit Einwegverpackungen aus Kunststoff oder Aluminium in der Regel nach zehn bis 15 Umläufen positiv.

Verbraucherzentrale Nordrhein Westfalen

Das heißt: Ein Mehrwegbecher eines typischen Zugpendlers für den Morgen- und Nachmittagskaffee hat sich aus Umweltgesichtspunkten nach knapp zwei Wochen schon gelohnt. Und das Argument, dass wir ja durch das tägliche Abwaschen auch Ressourcen verbrauchen, das ist sehr schnell zu widerlegen. Wir verlagern nämlich allenfalls das Problem aus unserem Sichtfeld, schlimmstenfalls nach Südostasien. Das Wasser, das wir vielleicht hier beim Abwaschen sparen, das wird dort bei der Produktion als Vielfaches verbraucht und schlimmer noch: kontaminiert.  

Brotzeitboxen und Mehrwegbecher aus Bambus.
Nach knapp zwei Wochen täglichen Gebrauchs wäre die Klimabilanz eines Mehrwegbechers positiv. Bildrechte: imago images/MiS

Die Kontamination von Wasser mit Öl und Chemikalien passiert durch Einwegprodukte, durch die Herstellung in Südostasien und nicht dadurch, dass wir in Deutschland einen Becher zweimal waschen.

Viola Wohlgemuth, Team Konsumwende Greenpeace

Wie ist der Stand bei den Pfandsystemen?

Das mit dem Pfand muss nicht neu erfunden werden. Wird es aber leider. Verbraucherzentrale und Greenpeace kritisieren schon seit Jahren, dass es Deutschland nicht geschafft hat, einheitliche Standards zu setzen. Was bei Glasflaschen und PET schon seit Jahren funktioniert, ist bei Fastfood und Coffee-to-go nahezu gescheitert. Man muss als Kunde das nehmen, was der Betrieb zur Verfügung stellt und dann zusehen, wie man den Kram wieder los wird. Teilweise wird sogar mit Apps gearbeitet, der Becher wird registriert und wenn er nicht zurückgebracht wird, kostet es Geld.

Es gibt zudem Insellösungen einzelner Betriebe, verschiedene lokale und überregionale Poolsysteme, vor allem aber Chaos. Dabei haben Umweltverbände schon vor der Einführung gemahnt, mal bei den Deutschen Mineralbrunnen nachzufragen. Und es ist auch nicht so, dass jeder Becher oder jede "Brotdose" zwingend weite Wege fahren muss, um gereinigt zu werden. Wenn alles einheitlich ist, kann eine gemeinsame Reinigungsanlage einer Region oder eines Bahnhofs die Rückläufer aller Betriebe reinigen. Hotels geben ihre Wäsche auch in Wäschereien ab. Das wird sicher etwas kosten, aber nicht die Welt. Bei Einwegverpackungen ist genau das das Problem.

Wir wollen klare Regeln von Gesetzgeber, das Gesetz ist vor zwei Jahren verabschiedet worden und das sind auch Fragen, die man in den Verbänden schon längst hätte klären müssen.

Viola Wohlgemuth, Team Konsumwende Greenpeace

Denn am Ende braucht es auch klare Vorgaben, woraus die Mehrwegbecher zu bestehen haben, nicht, dass wir uns hier die nächste Schadstoffdiskussion ins Haus holen. Die aktuellen Vorschriften werden jedenfalls in der Praxis häufig ignoriert. Das sind die Ergebnisse von Stichproben, die Greenpeace seit Einführung der neuen Regeln im Januar regelmäßig macht. Nun soll es eine Plattform geben, auf der die Nachlässigen an die Behörden gemeldet werden können. Ob es so etwas tatsächlich braucht, das ist eine ganz andere Frage und auch ein bisschen peinlich für uns als Gesellschaft. Denn theoretisch ist es aktuell so gedacht, dass der Kunde mit seinem Umweltbewusstsein den Mehrwegbecher einfordert am Tresen. Was direkt zu der Frage führt: Ist es denn wirklich ein Genuss, den Morgenkaffee im Stehen aus einem Pappbecher zu schlürfen? 

Weiteres zur Mehrweg-Pflicht

MDR (thk)

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Ramm am Nachmittag | 23. Februar 2023 | 16:40 Uhr

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