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Der Redakteur | 08.03.2023Aufgeschwatzte Verträge: Was tun, wenn König Kunde für dumm verkauft wird

08. März 2023, 16:41 Uhr

Falsche Versprechungen bei aufgeschwatzten Verträgen, versteckte Preiserhöhungen, weniger drin zum gleichen Preis - ist "Dummenfang" wirklich eine gute Marketingstrategie?

Die Zeiten haben sich geändert. Während früher klassische Fehlleistungen von Unternehmen den Stammtisch oft nicht verlassen haben, hört heute quasi sofort die ganze Welt mit. Das ist ein Grund, warum absolute Ehrlichkeit und Transparenz nicht nur aus Anstand geboten ist. Das bedeutet: Es ist in Zeiten von Social Media ohnehin fast ausgeschlossen, etwas zu verheimlichen: Seien es Preiserhöhungen, Inhaltsänderungen oder Produktionsfehler, wie Verunreinigungen im Endprodukt. Die Frage ist nur, wann kommt es heraus und welche Wirkung hat die Angelegenheit.

Wer seine Stammkunden verärgert, hat ein Problem. Bildrechte: IMAGO / Steinach

Bestandskunde verärgert: Neuer Vertrag untergeschoben

Dazu gehört besonders der Umgang mit Kunden, die man eigentlich schon für sich gewonnen hat. Im Falle von MDR THÜRINGEN-Hörer Frank aus Mittelpöllnitz ging der Versuch eines Promoteams seines Festnetzanbieters auf der Thüringen-Ausstellung gründlich schief, ihn noch länger zu binden. Am Ende stand die Kündigung zum nächstmöglichen Termin. Man hatte ihm schlicht einen Vertrag untergeschoben, der zwar schnelleres Internet bot, aber entgegen den Versprechungen teurer war als der bisherige.   

Nichts ist in den heutigen Zeiten so wertvoll wie ein Stammkunde.

Peter Brawand | Vorstand Deutscher Marketing Verband

Schnelle Deals bei Haustürgeschäften und Mogelpackungen

Aus Sicht des Marketingfachmanns würde Peter Brawand seinen Kunden raten, immer zuerst die zu Frage stellen: Wollen wir wirklich so auftreten? Wollen wir zum Beispiel die Leute von einer Drückerkolonne in "schnelle Deals" reinquatschen? Zumal bei diesen sogenannten Haustürgeschäften den Verbrauchen ohnehin ein 14-tägiges Widerrufsrecht zusteht. Auf der gleichen Ebene ist für Brawand die aktuelle Masche, immer weniger Ware in die gleichen Verpackungen zu tun. Beispiele gibt es viele, verärgerte Kunden ebenso.

86 Prozent aller Marken werden nicht vermisst

Die Erhebung, die Peter Brawand ins Spiel bringt, klingt etwas schlimmer als sie ist. Denn: 14 Prozent der Marken liegen uns also am Herzen und vielleicht brauchen wir persönlich auch gar nicht mehr. Nehmen wir nur das Beispiel Auto: Die meisten (zufriedenen) Kunden einer Marke können auf andere Automarken sehr leicht verzichten. Und so ist es auch bei anderen Produkten. Stammkunden greifen eben immer wieder zur gleichen Wurst, Schokolade oder bleiben ihrer Bank und ihrem Telefonanbieter treu. Die anderen Marken mögen somit verzichtbar erscheinen. Dieses Vertrauen durch Unehrlichkeit und Trickserei aufs Spiel zu setzen, ist aus Marketingsicht einfach töricht.

Versprechen nicht gehalten? Verbraucherschützer mahnen ab

Mit Intensivkonsumenten werde schließlich ein großer Teil des Umsatzes gemacht, so Brawand. Und es ist nicht nur der Shitstorm. Unsere Gesetze in Deutschland reichen sehr weit. Unlauterer Wettbewerb ist ein Thema, mit dem sich viele Firmen beschäftigen und genau schauen, was wird vom Mitbewerber versprochen, was wird gehalten. Einstweilige Verfügungen sind oft die Folge und auch Verbraucherschützer neigen zu Abmahnungen, sollte sich ein Unternehmen mal so gar nicht an die Regeln halten. Am teuersten wird aber auch hier am Ende der Vertrauensverlust sein, wenn die Geschichte durch die Medien geistert.

Verschaukelt vom Anbieter? Da verstehen Kunden keinen Spaß! Bildrechte: IMAGO / photothek

Was tun, wenn der Shitstorm tobt?

Wenn trotz größter Vorsicht Salmonellen in einer Wurstprobe aufgetaucht sind oder ein Dienstleister bei den Vertragsabschlüssen unehrlich war zu den Kunden, dann ist Transparenz wichtig.

Sofort raus damit, sofort an die Öffentlichkeit!

Peter Brawand Vorstand Deutscher Marketing Verband

Man sollte tunlichst vermeiden, als Getriebener wahrgenommen zu werden, der immer nur das zugibt, was eh schon bekannt ist. In den Anfangszeiten von Social Media gab es auch in Marketingkreisen noch die Idee des Wegduckens - verbunden mit der Hoffnung, in drei Tagen werde die nächste Sau durch Dorf getrieben, so Peter Brawand. Doch das ist schon lange vorbei.

Als Firma selbst aktiv werden

Außerdem ist es wichtig, die entstehende Diskussion an sich zu reißen, auf die eigenen Kanäle zu holen, auf den eigenen Facebookauftritt, die eigene Website. Damit ist sichergestellt, dann man selbst agieren und die Angelegenheit auch moderieren kann. So wird verhindert, dass sich die Geschichte verselbstständigt oder im Fake-News-Karussell bis zur Unkenntlichkeit verstümmelt wird.

Und überraschenderweise steigt das Vertrauen in die Marke dann sogar, trotz Salmonellen. Weil eine Firma durch ihr offenes Verhalten z.B. zeigt, dass das eigene Qualitätsmanagement funktioniert. Der große Irrtum ist häufig, dass die Leute nur eine Null-Fehler-Produktion tolerieren. Dem ist nicht so. Ehrlichkeit ist vielen Menschen wichtiger.

Die Leute erwarten nicht, dass alles immer perfekt ist. Aber sie möchten nicht verschaukelt werden.

Peter Brawand Vorstand Deutscher Marketing Verband

MDR (ifl)

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Dieses Thema im Programm:MDR THÜRINGEN - Das Radio | Ramm am Nachmittag | 07. März 2023 | 16:40 Uhr