Das müssen Oma und Opa wissen Umgangsrecht mit dem Enkelkind: Welche Rechte haben Großeltern?
Hauptinhalt
Wenn Eltern sich trennen, sind meist die Kinder die Leidtragenden. In dieser Situation ist es besonders wichtig, dass die Kinder Halt und Unterstützung von vertrauten Menschen bekommen – zum Beispiel von den Großeltern. Aber was tun, wenn die Eltern den Kontakt zu den Großeltern unterbinden möchten? Welche Rechte haben Oma und Opa dann? Experte Gilbert Häfner, Präsident des Oberlandgerichts Dresden, hat Antworten auf die wichtigsten Fragen.
Hinweis Seit Veröffentlichung dieses Artikels können sich Gesetze und Regelungen geändert haben. Eine aktualisierte Fassung sowie weitere Fragen und Antworten zum Thema Umgangsrecht finden Sie im nachfolgenden Artikel.
Artikel vom 18.07.2019
Haben Großeltern ein Recht auf Umgang mit ihrem Enkelkind?
Das Umgangsrecht dient dazu, die Bindungen des Kindes zu denjenigen Personen, die ihm besonders nahe stehen, durch regelmäßigen Kontakt zu erhalten und zu festigen. Neben dem anderen Elternteil, dem ohne weiteres ein Umgangsrecht mit dem Kind zusteht, haben auch Großeltern, Geschwister, Stiefeltern und andere enge Bezugspersonen ein Recht auf Umgang mit dem Kind; dies allerdings nur dann, wenn der Umgang dem Wohl des Kindes dient. Besteht ein liebevolles Verhältnis zwischen Großeltern und Enkelkind, darf der sorgeberechtigte Elternteil nicht ohne triftigen Grund den Kontakt unterbinden.
Wie unterscheidet sich das Umgangsrecht der Großeltern von demjenigen eines Elternteils?
Eltern sind zum Umgang mit ihrem Kind berechtigt und verpflichtet, weil von Gesetzes wegen vermutet wird, dass dieser Umgang dem Kindeswohl dient. Diesen Umgang darf der andere Elternteil nicht eigenmächtig einschränken, und zwar auch dann nicht, wenn er allein sorgeberechtigt ist. Zur Vornahme einer solchen Einschränkung ist ausschließlich das Familiengericht befugt; dabei darf die Einschränkung nicht weiter gehen, als dies zum Wohl des Kindes erforderlich ist. Ein zeitweiliger oder gar dauerhafter Ausschluss des Umgangsrechts eines Elternteils ist sogar nur zulässig, wenn anderenfalls das Kindeswohl gefährdet wäre. Mit dem Umgangsrecht der Großeltern verhält es sich gerade umgekehrt: Sie dürfen nur Umgang mit ihrem Enkelkind haben, wenn dieser dem Kindeswohl dient.
Können Großeltern ihr Umgangsrecht gerichtlich durchsetzen?
Sowohl für Eltern als auch für andere Bezugspersonen des Kindes besteht die Möglichkeit, das Bestehen und den genauen Inhalt des von ihnen geltend gemachten Umgangsrechts gerichtlich feststellen zu lassen. Zuständig hierfür ist das Familiengericht; dies ist eine spezielle Abteilung des Amtsgerichts. Zuständig ist in der Regel das Amtsgericht, in dessen Bezirk das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Wie bei allen anderen Konflikten zwischen Menschen gilt aber, dass sich die streitenden Eltern und Großeltern – auch und gerade im Interesse des Kindes, das zur Vermeidung von Entwicklungsstörungen nicht in die Umgangskonflikte der Erwachsenen hineingezogen werden sollte – zunächst außergerichtlich um eine einvernehmliche Lösung bemühen sollten. Dabei kann das Jugendamt um Unterstützung gebeten werden.
In welchen Fällen scheitern Großeltern mit ihrem Umgangswunsch bei Gericht?
Der Umgang mit seinen Großeltern dient regelmäßig dann nicht dem Wohl des Kindes, wenn Eltern mit den Großeltern derart zerstritten sind, dass das Kind bei einem Umgang in einen Loyalitätskonflikt geriete. Gleiches gilt, wenn zu befürchten ist, dass die Großeltern den Erziehungsvorrang der Eltern missachten. Nach diesen Grundsätzen hat der Bundesgerichtshof (BGH) in einer aktuellen Entscheidung (vom 12.07.2017 – Az. XII ZB 350/16) einen Umgang mit den Großeltern als nicht kindeswohldienlich angesehen, wenn diese die Erziehungskompetenz der Eltern dadurch in Frage stellen, dass sie gegenüber dem Jugendamt die Eltern der seelischen Misshandlung der Kinder bezichtigen.
Unter solchen Umständen wäre ein Loyalitätskonflikt der Kinder bei Fortsetzung des Umgangs mit den Großeltern unausweichlich. Es kommt dabei nicht darauf, ob hierfür die Eltern oder die Großeltern die Ursache gesetzt haben. So hatten in dem vom BGH entschiedenen Fall die Eltern in früheren Jahren den weiteren Umgang davon abhängig gemacht, dass die Großeltern ihnen ein zinsloses Darlehen gewährten, was maßgeblich zur Zerrüttung des Verhältnisses beitrug. Ein solches Verhalten von Eltern mag moralisch verwerflich sein, die Großeltern können jedoch daraus nichts für ein Recht auf Umgang mit den Kindern ableiten.
Ist es nicht ungerecht, dass Eltern den Umgang des Kindes mit seinen Großeltern verhindern können, indem sie selbst das Kind in einen Loyalitätskonflikt stürzen?
Der Erziehungsvorrang der Eltern ist im Grundgesetz verankert. Er gilt gegenüber allen anderen Personen, sogar gegenüber dem Staat. Dieser Regelung liegt unter anderem die Erwägung zugrunde, dass es – auch und gerade aus Sicht des Kindes – eindeutig sein muss, welche Personen in seinem Leben "das letzte Wort" haben, und dass diese Rolle natürlicher Weise den Eltern zukommt. Der Erziehungsvorrang ist freilich nicht nur ein Privileg, sondern zuweilen auch eine Last für die Eltern. Sie tragen sowohl für die positiven als auch für die negativen Entwicklungen des Kindes die Verantwortung und können sich dieser nicht ohne Weiteres entledigen.
Gibt es konkrete gesetzliche Vorgaben dazu, wie häufig und wie lange die Großeltern das Kind sehen dürfen?
Das Gesetz trifft keine Bestimmungen über die Ausgestaltung des Umgangsrechts im Einzelfall. Die Häufigkeit und Dauer von Besuchen haben auf das Alter des Kindes, die Enge des Bindungsgrades, die Entfernung zwischen den Wohnorten, die schulische Beanspruchung des Kindes und seine Freizeitaktivitäten sowie andere Umstände Rücksicht zu nehmen, die in der konkreten familiären Situation für das Wohl des Kindes von Bedeutung sind. Bestandteil des Umgangsrechts sind übrigens nicht nur Besuche, sondern auch alle übrigen Formen des Kontakts, also Telefonate, Briefverkehr, E-Mail-Austausch etc. Der Telekommunikation kommt insbesondere dann erhebliche Bedeutung zu, wenn die Großeltern weit entfernt wohnen.
Inwieweit werden die Wünsche des Kindes berücksichtigt, wenn sich Vater oder Mutter mit den Großeltern vor Gericht über das Umgangsrecht streiten?
Das Familiengericht hat das Kind persönlich anzuhören, wenn es das 14. Lebensjahr vollendet hat. Ein jüngeres Kind ist persönlich anzuhören, wenn die Neigungen, Bindungen oder der Wille des Kindes für die Entscheidung von Bedeutung sind oder wenn eine persönliche Anhörung aus sonstigen Gründen angezeigt ist. Von der hiernach vorgeschriebenen Anhörung darf das Gericht nur aus schwerwiegenden Gründen absehen. Je älter das Kind ist, umso größeres Gewicht wird in der Regel seinen Vorstellungen beigemessen werden. Gleichwohl ist der alleinige Maßstab der gerichtlichen Entscheidung das Wohl des Kindes, das sich nicht in jedem Fall mit dessen Wünschen decken muss.
Müssen Großeltern die elterlichen Vorgaben für die Erziehung respektieren oder dürfen sie nach eigenem Ermessen davon abweichen, also z. B. das Kind trotz generellen Fernsehverbots einen altersgerechten Zeichentrickfilm anschauen lassen?
Ein erzieherisches Ermessen der Großeltern besteht nur innerhalb der von den Eltern gesteckten Grenzen, denn die Erziehung ist Bestandteil des Sorgerechts. Setzen sich die Großeltern über die elterlichen Erziehungsvorgaben hinweg, kann sich das auf ihr Umgangsrecht auswirken. Eine von den Eltern oder einem Elternteil angeordnete Erziehungsmaßnahme dürfen – und müssen – Großeltern aber ignorieren, wenn diese Maßnahme ersichtlich das Kindeswohl gefährdet. So hat eine dem Kind von den Eltern für bestimmtes Fehlverhalten angedrohte "Tracht Prügel" zu unterbleiben.
Dürfen Großeltern bei einem Unfall des in ihrer Obhut befindlichen Kindes über die zu ergreifenden medizinischen Maßnahmen entscheiden, wenn die Eltern nicht erreichbar sind?
Die Großeltern sind – wie übrigens alle anderen Personen, die den Unfall des Kindes beobachten – zur Hilfeleistung verpflichtet. Daher müssen sie bei einer schweren Verletzung den Notarzt verständigen. Erst wenn eine medizinische Notversorgung gewährleistet ist, geht die Verantwortung (zunächst) auf das Fachpersonal über. Auch dieses darf aber nur über Maßnahmen der Notversorgung befinden, für alle weiteren medizinischen Eingriffe ist die Entscheidung der sorgeberechtigten Eltern einzuholen. Sind die Eltern nicht erreichbar, haben die Ärzte eine Entscheidung des Familiengerichts herbeizuführen. Die Großeltern müssen sogar damit rechnen, dass die Ärzte ihnen die Auskunft über den Gesundheitszustand ihres Enkelkindes verweigern.
Dürfen Großeltern das Kind vom Kindergarten abholen?
Großeltern sind nicht schon wegen des bestehenden Verwandtschaftsverhältnisses abholberechtigt, sondern brauchen grundsätzlich eine Vollmacht des Sorgeberechtigten, in der Regel also der Eltern. Soll die Abholung einmalig erfolgen, empfiehlt es sich, den Großeltern eine schriftliche Vollmacht mitzugeben oder vorab den Kindergarten von der Maßnahme zu verständigen. Für regelmäßige Abholungen durch Großeltern (oder andere Vertrauenspersonen) halten fast alle Kindergärten eine Liste der Abholberechtigten vor. In der Regel werden die Eltern bereits im Anmeldeformular nach entsprechenden Personen befragt.
Weitere Informationen zum Thema Umgangsrecht kann man insbesondere bei den Jugendämtern einholen und finden sich in den Broschüren:
- Eltern bleiben Eltern, herausgegeben von der Deutschen Arbeitsgemeinschaft für Jugend- und Eheberatung e.V., Informationen unter www.dajeb.de
- Kindschaftsrecht, herausgegeben vom BMJV, Informationen unter www.bmjv.bund.de
Dieses Thema im Programm: MDR um 4 | 26. Oktober 2017 | 17:00 Uhr