Urteile der Woche Unfallschutz gilt auch für Arbeitseinsatz im Ausland

Christopher Gaube
Bildrechte: MDR/Karsten Möbius

Fast täglich werden im Gerichtssaal wichtige Urteile gesprochen, die Einfluss auf unser Leben haben können. MDR AKTUELL präsentiert Ihnen die drei interessantesten in Kurzform.


Unfallschutz gilt auch bei Entsendung ins Ausland

Landessozialgericht Darmstadt (Az. L 3 U 105/16 ZVW)

Im ersten Fall geht es um den gesetzlichen Unfallschutz. Kevin Kern ist beim Leipziger Zoo angestellt und wird für ein Ausbildungsprojekt in einen vietnamesischen Nationalpark entsandt. Während einer Exkursion erleidet er dort einen Unfall, in dessen Folge sein linkes Bein teilamputiert wird. Die heimische Unfallkasse erkennt das nicht als Arbeitsunfall an. Der Pfleger sei beim vietnamesischen Nationalpark beschäftigt gewesen. Deshalb sei man nicht zuständig. Kevin Kern klagt daraufhin und argumentiert, dass seine Tätigkeit in Vietnam vom Zoo in Deutschland bezahlt wurde. Muss die Unfallversicherung doch bezahlen?

Am Landessozialgericht Darmstadt urteilten die Richter so: "Der gesetzliche Unfallversicherungsschutz gilt auch für die zeitliche befristete Entsendung eines fest angestellten Arbeitnehmers ins Ausland. Der Tierpfleger ist auch während seines Aufenthalts in Vietnam beim Zoo Leipzig beschäftigt gewesen. Der Zoo hat darüber hinaus ein eigenes Interesse bezüglich der Arbeit des Pflegers in Vietnam gehabt, der westliche Standards in der Tierpflege weitergeben sollte. Die Unfallkasse muss also für die Unfallfolgen aufkommen."


Containern kann Diebstahl sein

Bundesverfassungsgericht Karlsruhe (Az. 2 BvR 1985/19 und 2 BvR 1986/19)

Mit einer Freundin geht Leni Lenz regelmäßig Containern. Das heißt, dass die jungen Frauen Lebensmittel aus den Abfallcontainern von Supermärkten mitnehmen. Sie packen ein, was aus ihrer Sicht noch essbar ist. Das Containern gefällt dem Supermarktbetreiber allerdings nicht. Er zeigt die Frauen wegen Diebstahls an und tatsächlich werden sie in mehreren Instanzen schuldig gesprochen. Schließlich reicht Leni Lenz Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht ein. Sie argumentiert, dass der Supermarkt kein schutzwürdiges Interesse an den weggeworfenen Lebensmitteln hätte, weswegen eine Strafbarkeit der Entnahme unangemessen sei.

Klarissa S. beim Containern
Noch genießbare Lebensmittel aus Containern raussuchen und mitnehmen kann strafbar sein. Bildrechte: Roman Rackwitz

Doch das Bundesverfassungsgericht nimmt die Beschwerde nicht zur Entscheidung an: "Das Mitnehmen von Lebensmitteln aus dem Abfallcontainer eines Supermarktes kann als Diebstahl bestraft werden. Der Gesetzgeber darf nämlich das Eigentum auch an wirtschaftlich wertlosen Sachen strafrechtlich schützen. Dem Bundesverfassungsgericht obliegt es nicht zu bewerten, ob der Gesetzgeber die zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Lösung gefunden hat."

"Bislang hat die Legislative keine Initiative zur Entkriminalisierung des Containerns aufgegriffen."


Vollzeitpflege muss auch Vollzeit bezahlt werden

Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg (Az. 21 Sa 1900/19)

Im letzten Fall geht es um die Vollzeitbetreuung einer 96-jährigen Frau. Dafür vermittelt eine deutsche Agentur eine bulgarische Pflegerin mit dem Angebot "24 Stunden Pflege zu Hause". Im Vertrag mit der Seniorin wird eine umfassende Betreuung mit Körperpflege, Hilfe beim Essen, Führung des Haushalts und Gesellschaftleisten für 30 Stunden wöchentlich vereinbart. Die Pflegerin übernachtet sogar in der Wohnung der zu Betreuenden. Deshalb fordert sie auch eine Vergütung für 24 Stunden täglich. Schließlich sei sie von 6 Uhr morgens bis etwa 22 Uhr abends im Einsatz und müsse sich auch nachts bereithalten. Die bulgarische Pflegekraft klagt deshalb am Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg.

Dort ergeht folgendes Urteil: "Der Klägerin steht für eine tägliche Arbeitszeit von 21 Stunden in Deutschland der Mindestlohn zu. Es ist treuwidrig, wenn sich der Arbeitgeber auf die vereinbarte Arbeitszeit von 30 Stunden pro Woche beruft, während eine umfassende Betreuung zugesagt und die Verantwortung dafür auf die Pflegerin übertragen wurde. 30 Stunden wöchentlich sind für das für das zugesagte Leistungsspektrum auch unrealistisch."


*Alle Namen wurden von der Redaktion geändert.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 22. August 2020 | 08:22 Uhr

Mehr zum Thema Recht

Weitere Ratgeber-Themen