ein Spielzeugauto und ein Richterhammer
Jeden Samstag blickt MDR AKTUELL auf die "Urteile der Woche" – im Podcast und nachzulesen auf MDR.de. Bildrechte: Colourbox.de

Jahresrückblick Streitfälle 2022: Zum Kopfschütteln, Schmunzeln und Zweifeln

22. Dezember 2022, 09:57 Uhr

Für einen Urlaub ohne den zugeparkten Porsche gibt es nicht zwingend Schmerzensgeld. Auch nicht für einen Sturz von einer Bierbank. Trauerredner dürfen schwarze Kleidung nicht als Berufskleidung von der Steuer absetzen. Wir erklären, warum – und haben noch weitere skurrile Urteile des Jahres 2022.

Kurzurlaub mit dem Kombi ist für Porsche-Fahrerin zumutbar

Tamara Tamaschke ist empört: Sie will in den Urlaub an den Gardasee fahren, kann dies aber nicht tun. Ihre Garage ist blockiert durch ein parkendes Auto, das sich direkt vor die Ausfahrt gestellt hat. Nun muss sie statt des gewünschten Porsche-Cabrio ihr zweites Auto für die Urlaubsfahrt verwenden. Dabei handelt es sich um einen 3er-BMW Kombi, der aus ihrer Sicht nicht gleichwertig ist. Für die entgangene Urlaubsfreude, die sie mit dem Cabrio zweifellos würde gehabt haben, fordert sie von dem Parkrowdy eine Entschädigung von 175 Euro pro Tag – also insgesamt 2.450 Euro.

Steht ihr das Geld zu? Nein, sagt abschließend der Bundesgerichtshof: "Zwar wurde hier die Ausfahrt rechtswidrig blockiert und so das Eigentum der Frau am Auto schuldhaft verletzt. Für einen Anspruch auf Schadenersatz muss allerdings der Ausfall der Nutzung auch fühlbar geworden sein. Das ist nicht der Fall, wenn ein angemessener Zweitwagen vorhandenen ist. Dass der Kombi nicht dasselbe Fahrgefühl bei einem geplanten Urlaub vermitteln kann wie ein Cabrio, ist für einen Schadenersatz nicht ausreichend." Es gibt also keinen Ausgleich für entgangene Urlaubsfreuden. Bundesgerichtshof (Az.: VI ZR 35/22)

Kein Schadenersatz oder Schmerzensgeld nach Sturz von Bierbank

Friedemann Friedensreich besucht mit seiner Tochter einen Biergarten. Der Vater sitzt dabei neben ihr auf einer Bierbank. Als diese aufstand, fällt die Bierbank mit dem Kläger plötzlich nach hinten um. Herr Friedensburg knallt dabei gegen einen Baum, prellt sich seinen Arm und den Ellbogen. Drei Wochen lang muss er sich ärztlich behandeln lassen – auch die Schmerzen dauern so lange an. Er verlangt deshalb von der Betreiberin der Gaststätte ein Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 500 Euro. Die Bierbank sei deshalb umgekippt, weil die Dielenunterlage an der hinteren Seite der Bierbank zu kurz gewesen sei.

Am Amtsgericht München war man nicht auf seiner Seite: "Ein Verstoß hätte dann vorliegen können, wenn sich die Bierbank zum Teil auf Dielen und zum Teil auf Schotter befunden hätte. Hier gab es allerdings keine Hinweise, dass die Bierbank vor dem Umkippen tatsächlich so gestanden hat. Ein Verstoß gegen die Verkehrssicherheitspflicht lag damit nicht vor." Herr Friedensreich erhält damit keinen Schmerzensgeld. Amtsgericht München (AZ: 159 C 18386/21)

Trauerredner dürfen schwarze Kleidung nicht von Steuer absetzen

Die Eheleute Gutleben arbeiten selbstständig als Trauerredner und Trauerbegleiter. In ihrem Berufsalltag tragen die beiden schwarze Kleidung. Für Anschaffung, Reinigung und Änderungen von Anzügen, Blusen, Mänteln etc. fallen bei dem Ehepaar regelmäßig entsprechende Kosten an. Die machen sie in ihrer Steuererklärung als Betriebsausgaben geltend, mit der Begründung, das Tragen schwarzer Kleidung werde kulturhistorisch von einem Trauerredner erwartet und führe zu einem hohen berufsbedingten Verschleiß. Das Finanzamt lehnt die Erstattung allerdings ab und weist auch Einsprüche des Ehepaares als unbegründet zurück.

Zu Recht, wie der Bundesfinanzhof entschied: "Selbst, wenn das Tragen schwarzer Kleidung von den Trauernden erwartet wird, handelt es sich doch um bürgerliche Kleidung. Deren Kosten können selbst dann nicht geltend gemacht werden, wenn sie nur bei der Berufsausübung getragen wird." Laut Finanzhof ist die Entscheidung auf die gesamte Bestattungsbranche übertragbar. Bundesfinanzhof (Az.: VIII R 33/18)

Fünf-Sterne-Werbung ohne Kundenbewertung ist irreführend

Anton Angersbach will sich ein neues Fahrrad kaufen. Da er gern im Internet stöbert, begibt er sich dort auf die Suche nach einem geeigneten Modell. Er landet auf der Internetseite eines Anbieters, bei dem zahlreiche Räder mit fünf Sternen bewertet sind. Beim genauen Hinschauen stellt der Interessent allerdings fest: Zu den Angeboten gibt es gar keine Kundenbewertungen. Im entsprechenden Feld ragt bei jedem einzelnen Angebot eine "0" mit dem Vermerk: "Leider ist noch kein Eintrag vorhanden." Herr Angersbach beschwert sich bei der Verbraucherzentrale, die den Fall verhandeln lässt.

Am Landgericht Berlin ergeht dann folgendes Urteil: "Ein Online-Shop darf für ein Produkt nicht mit Sterne-Bewertungen werben, wenn dazu noch gar keine Kundenbewertung vorliegt. Das gilt auch dann, wenn sich auf der Seite mit den Produktdetails Hinweise darauf finden, dass noch keine Bewertung abgegeben wurde. Der Kunde wird hier in die Irre geführt." Der beklagte Fahrradanbieter muss seine Internetseite also überarbeiten und die Sterne bei den Angeboten ohne Bewertung entfernen. Landgericht Berlin (Az. 16 O 139/21)

Paar kann Kosten für Leihmutter in den USA nicht von Steuer absetzen

Das Ehepaar Matteo und Matthias Mahlmann wünscht sich ein biologisches Kind. Da in Deutschland eine Leihmutterschaft rechtlich verboten ist, nutzen die beiden die Möglichkeiten in den USA. Dort ist es durchaus legal, dass eine Leihmutter künstlich befruchtet wird und dann das eigene Kind austrägt. Die Eizelle stammt in solchen Fällen meist von einer anderen Frau. All das ist natürlich nicht ganz billig. Das Ehepaar macht deshalb 13.000 Euro als außergewöhnliche Belastung geltend. Zu bezahlen sind zwei Leihmütter, die künstliche Befruchtung, Beratungs- und Untersuchungskosten, auch Reise und Unterkunft in den USA muss bezahlt werden. Doch können die Ausgaben auch in der Steuererklärung berücksichtigt werden?

Am Finanzgericht Münster sagte man Nein: "Eine künstliche Befruchtung kann unter Umständen als außergewöhnliche Belastung anerkannt werden. Aber nur, wenn deutsches Recht und die Richtlinien der Berufsordnung für Ärzte beachtet werden. Nach dem Embryonenschutzgesetz ist aber eine künstliche Befruchtung mit der Eizelle einer anderen Frau und damit ein Leihmutterschaftsverhältnis nicht erlaubt. Ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz liegt nicht vor, da das Verbot auch für heterosexuelle Paare gilt." Über die Revision entscheidet nun der Bundesfinanzhof. Ändern dürfte sich die Lage aber wohl nur, wenn die Politik Leihmutterschaften nach deutschem Recht erlaubt. Dafür gibt es auch in der neuen Bundesregierung bislang keine Mehrheit. Finanzgericht Münster (Az.: 10 K 3172/19 E)

Echte Kerzen am Weihnachtsbaum sind nicht grob fahrlässig

Advent, Advent, ein Lichtlein brennt. Aber was, wenn es nicht das Lichtlein ist, sondern der komplette Baum? So geschehen bei Lucy Lux. Sie schmückt ihren Baum mit echten Kerzen. Trotz aller Vorsichtsmaßnahmen kann Frau Lux nicht verhindern, dass ihr Baum Feuer fängt und erheblichen Schaden in der Wohnung anrichtet. Die Hausratversicherung verweigert die Zahlung mit dem Argument der groben Fahrlässigkeit. Zu Recht? Das mussten die Richter des Oberlandesgerichts Schleswig-Holstein entscheiden.

Brennende Kerzen an Weihnachtsbäumen sind trotz des Brandrisikos grundsätzlich erlaubt. Der Umgang mit diesen Kerzen birgt zwar zwangsläufig ein gewisses Brandrisiko- doch wer die allgemeinen Umgangsregeln mit Weihnachtsbäumen beachtet, handelt auch bei einem Brand nicht fahrlässig. Die Hausratversicherung von Lucy Lux muss für den Schaden zahlen. Oberlandesgericht Schleswig-Holstein (Az. - 3 U 22/97)

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | 17. Dezember 2022 | 05:00 Uhr

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