Urteile der WocheGericht darf Familienvater nicht zu Anti-Gewalt-Training zwingen
Fast täglich werden im Gerichtssaal wichtige Urteile gesprochen, die Einfluss auf unser Leben haben können. MDR AKTUELL präsentiert Ihnen die drei interessantesten dieser Woche in Kurzform.
Inhalt des Artikels:
Gericht darf Familienvater nicht zu Anti-Gewalt-Training zwingen
Kammergericht Berlin (Az. 17 WF 87/24)
Hannes Hitzig* verliert im Streit mit seiner Partnerin schnell die Kontrolle. Auch in Gegenwart der gemeinsamen Kinder kommt es immer wieder zu handfesten Auseinandersetzungen. Eines Tages tritt der Familienvater vor Wut gegen eine Plastikflasche und verletzt dabei eines der Kinder. Das Amtsgericht Kreuzberg ordnet für den Mann die Teilnahme an einem Anti-Gewalt-Training an. Weigert er sich, droht ihm ein Zwangsgeld über 500 Euro – so die Auflage. Herr Hitzig legt Beschwerde gegen das Urteil ein. Das Kammergericht Berlin stellt daraufhin klar:
"Die Teilnahme an Beratungsangeboten, wie zum Beispiel einem Anti-Gewalt-Training, kann nicht mit Zwang durchgesetzt werden. Der Grund hierfür liegt im erheblichen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht der Eltern."
Ohne Konsequenzen bleiben die Wutausbrüche des Vaters trotzdem nicht. Das Kammergericht prüft derzeit weitergehende Sorgerechtsmaßnahmen oder Umgangsbeschränkungen.
Vegetarische oder vegane Produkte dürfen wie tierische Vorbilder benannt sein
Europäischer Gerichtshof (C-438/23)
Die französische Küche gilt als besonders delikat. Da lässt sich der Franzose auch nichts vormachen. Auf dem Teller landet vornehmlich, was sich auf Beinen oder kriechend fortbewegt: Ente, Lamm, Froschschenkel, Schnecken. Umso mehr rümpft man im Land der Tricolore die Nase, wenn diese klassischen Spezialitäten durch pflanzliche ersetzt werden und die vegetarische Alternative bspw. als "Steak" betitelt wird. Geht so nicht, dachte sich die französische Regierung und führte kurzerhand ein Dekret ein. Das untersagt Herstellern pflanzlicher Produkte, diese als Wurst, Schnitzel oder ähnlich zu bezeichnen. Mehrere Kläger wehrten sich gegen das Verbot und waren bereit, das Thema bis vor den Europäischen Gerichtshof zu tragen. Mit Erfolg, denn der entschied:
"Bezeichnungen wie "Steak" oder "Schnitzel" für vegane und vegetarische Produkte sind auf EU-Ebene zulässig, sofern der pflanzliche Charakter des Produkts eindeutig und transparent gekennzeichnet ist. Nationale Verbote dürfen nicht pauschal die Verwendung solcher Begriffe untersagen."
An alle Fans der fleischlosen Küche also: Bon appétit!
Schönheitsklinik darf nicht mit Vorher-Nachher-Bildern werben
Oberlandesgericht Hamm (Az. 4 UKl 2/24)
"Fühl dich wohl in deiner Haut": Dieses Motto hat sich eine private Schönheitspraxis in NRW auf die Fahne geschrieben, die Falten im Gesicht behandelt. Dafür wird den Kunden Hyaluronsäure unter die Haut gespritzt. In sozialen Netzwerken wirbt das Unternehmen mit Vorher-Nachher-Bildern für die Behandlung. Der Verbraucherschutzzentrale in Nordrhein-Westfalen geht das zu weit. Sie klagt gegen die Praxis mit der Begründung: Durch die Werbung entstehe ein Anreiz für Schönheitsoperationen, die mit gesundheitlichen Risiken verbunden seien. Das beklagte Unternehmen meint hingegen: Bei den Behandlungen mit den Hyaluronsäure-Unterspritzungen handele es sich nicht um einen operativen plastisch-chirurgischen Eingriff. Das Oberlandesgericht Hamm sieht das anders:
"Es genügt, dass der instrumentelle Eingriff am oder im Körper des Menschen stattfindet – und zwar verbunden mit einer Gestaltveränderung. So ein Eingriff ist vom Werbeverbot nach dem Heilmittelwerbegesetz umfasst."
Der Unternehmer muss die Vorher-Nachher-Fotos im Internet löschen. Das Urteil ist aber noch nicht rechtskräftig.
*Alle Namen wurden von der Redaktion geändert.
Dieses Thema im Programm:MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 19. Oktober 2024 | 08:20 Uhr