Neues Kaufrecht Gewährleistung: Das ändert sich für Verbraucher ab 2022
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Eben gekauft und schon wieder defekt. Welche Pflichten Händler im Fall mangelhafter Ware haben, regelt im Kaufrecht die gesetzliche Gewährleistung. Hier gelten 2022 einige neue Bestimmungen zum Schutz von Verbrauchern.

Auf dieser Seite:
- Beweislastumkehr bei Gewährleistung zugunsten von Käufern deutlich verlängert
- Genaue Aufklärung über Garantiebedingungen
- Kunde kann nach gescheitertem Nacherfüllungsversuch vom Vertrag zurücktreten
- In welchem Zeitraum müssen Mängel beseitigt werden?
- Ablehnung der Mängelbeseitigung wegen zu hoher Kosten
- Digitales Kaufrecht: Gewährleistungspflicht für digitale Güter
- Aktualisierungsverpflichtung für digitale Güter
- Keine Vorgabe für die Häufigkeit von Aktualisierungen
Jeder kennt diesen Ärger: Man hat lange nach der neuen Waschmaschine, dem richtigen Drucker oder der passenden Hose gesucht und schon nach einem halben Jahr ist etwas kaputt. Bei der Reklamation folgt dann nicht selten eine Diskussion darüber, wer eigentlich für den Schaden verantwortlich ist. Und das, obwohl das Ganze eigentlich ein Gewährleistungs- oder Garantiefall sein sollte. Um Verbraucher künftig noch besser gegen Ärger mit mangelhaften oder defekten Produkten abzusichern, gelten für Käufe ab 1. Januar 2022 neue Reglungen im Kaufrecht. Wir geben einen Überblick über die wichtigsten Neuerungen.
Beweislastumkehr bei Gewährleistung zugunsten von Käufern deutlich verlängert
Zunächst ist wichtig zu wissen: Gewährleistung ist nicht gleich Garantie. Die gesetzlichen Gewährleistungsrechte bestehen bei jedem Kaufvertrag, den Verbraucher eingehen. Bei einer Garantie dagegen handelt es sich immer um eine Zusatzleistung von Herstellern oder Händlern. Diese stellen dann auch die Bedingungen, wann ein Garantiefall eintritt.
Bisher war es so: Zeigt sich im ersten halben Jahr nach Erhalt der Ware ein Mangel, ist es für Verbraucher in der Regel günstiger, Ansprüche gegenüber dem Verkäufer im Rahmen der gesetzlichen Gewährleistung geltend zu machen. Denn alle Händler müssen grundsätzlich zwei Jahre für Produktmängel haften. Bei der Gewährleistung ist gesetzlich festgelegt, dass Mängel, die sich im ersten halben Jahr nach Kauf zeigen, vermutlich bereits beim Übergang der Ware an den Kunden vorhanden waren.
Hat etwa das Smartphone beim Auspacken unterm Weihnachtsbaum einen Riss im Display, tritt die gesetzliche Beweislastumkehr ein. In diesem Fall muss der Verkäufer eine Schuld beim Käufer nachweisen, was im Normalfall schwierig ist. Ab dem siebten Monat allerdings musste bislang der Käufer den Nachweis führen, dass ein Mangel bereits beim Kauf vorhanden war. Auch dies dürfte in der Regel schwierig werden.
Der Gesetzgeber hat nun die Dauer der Beweislastumkehr erheblich zugunsten der Käufer verlängert. Für alle Verträge, die ab Januar 2022 geschlossen werden, gilt: Die Beweislastumkehr im Kaufrecht wird von bislang sechs Monaten auf ein Jahr ausgedehnt. Dazu Claudia Neumerkel von der Verbrauchzentrale Sachsen: "Wer zum Beispiel im Winterschlussverkauf im November Gartenmöbel bestellt hat und diese erst im folgenden Juli nutzt, hat zukünftig bessere Karten, Ansprüche durchzusetzen, wenn bestehende Mängel erst spät zum Vorschein kommen."
Achtung Diese gesetzliche Neureglung gilt nicht für Bestellungen aus dem alten Jahr, die erst im neuen geliefert werden.
Genaue Aufklärung über Garantiebedingungen
Wenn sich Rechte aus der Gewährleistung nicht oder nur schwierig durchsetzen lassen, kann es für Verbraucherinnen und Verbraucher sinnvoll sein, auf bestehende Garantieversprechen zurückzugreifen. Zwar ist der Garantiegeber frei in der Ausgestaltung seiner Bedingungen, allerdings muss er ab 1. Januar 2022 Kunden eine Garantieerklärung auf einem dauerhaften Datenträger –etwa in Papierform oder per E-Mail – zur Verfügung stellen. Damit verbietet sich zukünftig die Möglichkeit, Garantieleistungen in den AGB zu verstecken. Zudem muss ein Händler dem Kunden ganz konkret mitteilen, was diese tun müssen, um zugesicherte Garantieleistungen zu erhalten.
Kunde kann nach gescheitertem Nacherfüllungsversuch vom Vertrag zurücktreten
Im Fall eines Mangels innerhalb des Gewährleistungszeitraums muss der Verkäufer seine Vertragspflicht aus dem Kaufvertrag nacherfüllen. "Wenn beispielsweise der neu angeschaffte Rasenmäher defekt ist, soll der Verkäufer nach wie vor das Recht haben, den Mangel durch eine Reparatur oder Ersatzlieferung beheben zu können, bevor der Kaufpreis gemindert oder zurückverlangt werden kann. Der Kunde kann dann zwischen Reparatur oder Lieferung eines neuen, funktionsfähigen Rasenmähers wählen", erklärt Claudia Neumerkel.
Neu ist dabei, dass der Kunde in Zukunft nur noch einen Nacherfüllungsversuch dulden muss. Danach kann er vom Vertrag zurücktreten oder Minderungs- beziehungsweise Schadensersatzansprüche geltend machen. Ganz erheblich ist, dass für den Nacherfüllungsversuch, also etwa die Reparatur oder Ersatzlieferung des Rasenmähers, das bloße Verstreichen einer angemessenen Frist ausreicht. Eine nochmalige Fristsetzung verbunden mit weiterem Abwarten ist dann nicht mehr nötig. Das bedeutet: Wenn sich der Verkäufer mit der Behebung des Defektes oder der Ersatzlieferung zu lang Zeit lässt, kann der Kunde nach angemessener Zeit den Rücktritt vom Kaufvertrag erklären und den Kaufpreis zurückfordern.
Ebenfalls neu: Muss das mangelhafte Gerät an den Händler versendet werden, hat der Kunde ab Januar 2022 einen Anspruch darauf, einen Vorschuss für die Transportkosten vom Vertragspartner zu verlangen.
In welchem Zeitraum müssen Mängel beseitigt werden?
Bei der Frage, welcher Zeitraum für die Mangelbeseitigung angemessen ist, muss berücksichtigt werden, welche Ware wo und zu welchem Preis gekauft wurde oder wie sehr etwa eine Reparatur erschwert wird. Claudia Neumerkel: "Beim Rasenmäher sind bei einem Kauf in einem Online-Shop zum Beispiel die Tage für den Postweg hinzuzuzählen. Ein Paar Winterschuhe etwa kann durchaus in 14 Tagen repariert und neu geliefert werden. Müssen für ein Produkt besondere Ersatzteile, vielleicht sogar aus dem Ausland, bestellt werden, muss diese Beschaffung hinzugerechnet werden. Hier können bis zu drei Monate adäquat sein. Bei Gebrauchsgegenständen des Alltags sind durchschnittlich 14 bis 21 Tage angemessen.“
Ablehnung der Mängelbeseitigung wegen zu hoher Kosten
Der Händler kann die vom Kunden gewünschte Art der Vertragsnacherfüllung, also Reparatur oder Ersatzlieferung, verweigern, insofern ihm dabei unverhältnismäßig hohe Kosten drohen. "Es könnte sein, dass der Preis entweder für die Reparatur des Rasenmähers oder die Ersatzlieferung deutlich höher ausfällt als der ursprüngliche Kaufpreis. Dann muss sich der Kunde mit der jeweils verbleibenden Alternative zufriedengeben", sagt Claudia Neumerkel.*
Auch wenn eine Art der Nacherfüllung gar nicht möglich ist, muss der Kunde statt einer Reparatur die Ersatzlieferung, beziehungsweise statt einer Ersatzlieferung die Reparatur akzeptieren. Bisher konnte ein Händler die verbleibende Alternative auch dann nicht verweigern, wenn diese für ihn mit hohen Kosten verbunden war.
Dieses Recht wird einem Händler mit den Neuerungen nun jedoch eingeräumt. Wenn für ihn die Reparatur oder Ersatzlieferung unverhältnismäßig teuer wird, kann er diese zukünftig ablehnen. In dieser Situation bleibt dem Käufer nur die Erstattung des Kaufpreises. "Wird etwa der Rasenmäher wegen eines Mangels reklamiert und das gleiche Modell lässt sich am Markt nicht mehr beschaffen, kann der Kunde nicht auf eine Reparatur pochen, wenn diese dem Händler unverhältnismäßig teuer kommt", erläutert Claudia Neumerkel.
Was sind unverhältnismäßig hohe Mehrkosten?
Was mit unverhältnismäßig teurer gemeint ist, kommt auf den Einzelfall an. "Allerdings lässt sich für Alltagsprodukte wie beispielsweise Smartphones sagen, dass Mehrkosten für den Händler von über 25 Prozent des Kaufpreises als unverhältnismäßig anzusehen sind", weiß Claudia Neumerkel.
Digitales Kaufrecht: Gewährleistungspflicht für digitale Güter
Fällt bei einem TV-Gerät aufgrund eines Softwareproblems etwa die Aufnahmefunktion plötzlich aus, aber der Fernseher funktioniert sonst perfekt, waren die Gewährleistungsreglungen bisher diffus. Ob der Verbraucher also einen Anspruch auf Gewährleistung hatte oder nicht, ließ sich aus dem Gesetz nicht klar herleiten.
Deswegen erhalten Verbraucher ab dem neuen Jahr beim Erwerb digitaler Produkte oder Produkte mit digitalen Elementen dieselben Rechte wie beim Kauf anderer Waren. Verbraucher haben künftig neben dem Anspruch auf Mangelbeseitigung sowohl das Recht, vom Kaufvertrag zurückzutreten als auch den Kaufpreis zu mindern. Als Gewährleistungsfrist sind mindestens zwei Jahre vorgesehen.
Noch offene Fragen
Welche Waren mit digitalen Elementen gemeint sind, ist praktisch noch nicht umfassend geklärt. Aber derzeit ist davon auszugehen, dass etwa Smartwatches, Tablets, Smartphones, Smart-TVs oder generell Smart Home Geräte dazugehören. Claudia Neumerkel sagt: "Die Paragraphen im Kaufrecht hinkten dem technischen Fortschritt hinterher, weil sie für die neuen Produkte zu abstrakt waren. Allerdings sind die Reglungen im neuen digitalen Kaufrecht immer noch sehr theoretisch. Wie diese in der Praxis ausgelegt werden, müssen im Zweifel erst noch Gerichte klären."
Aktualisierungsverpflichtung für digitale Güter
Händler sind im Rahmen der Gewährleistung zukünftig auch gesetzlich verpflichtet, für Waren mit digitalen Elementen Updates bereitzustellen, die für die vollumfängliche Nutzbarkeit eines Produktes erforderlich sind. Dies gilt im besonderen Maße für Sicherheitsupdates. Anderenfalls gelten die Produkte als mangelhaft und Verbraucher können ihr Gewährleistungsrecht einfordern. "Bekommt also das Betriebssystem eines Smartphones keine regelmäßigen Sicherheitsupdates, ist dies in Zukunft ein Mangel und zieht Gewährleistungsansprüche nach sich. Zum Beispiel wollen bisher viele Hersteller von Navigationsgeräten für jedes Update ein Entgelt. Auch das fällt dann ab 2022 weg", sagt Claudia Neumerkel.
Zusätzlich müssen Anbieter über die Bereitstellung der Updates informieren; installieren müssen diese die Kunden jedoch selbst. Dabei gilt es, Updates nicht mit Upgrades zu verwechseln. Erstere betreffen in der Regel die kostenlose Aktualisierung einer Software. Dabei werden Fehler sowie Probleme vorheriger Versionen wie etwa Sicherheitslücken behoben. Upgrades hingegen liefern üblicherweise größere und grundsätzliche Funktionserweiterungen, die nicht kostenfrei sein müssen. Ein Händler kann jedoch seiner Verpflichtung zur Aktualisierung gegebenenfalls auch nachkommen, indem er diese im Rahmen eines kostenfreien Upgrades vornimmt.
Keine Vorgabe für die Häufigkeit von Aktualisierungen
Allerdings, so Neumerkel, sei im neuen Gesetz nicht festgelegt, wie häufig und in welchen Zeitabständen Verbraucher Anspruch auf Softwareaktualisierungen haben. "Der maßgebliche Zeitraum kann je nach Produkt unterschiedlich ausfallen. Zur Bestimmung eines angemessenen Zeitraums sind im Einzelfall verschiedene Aspekte heranzuziehen. Dazu gehören Werbeaussagen, die zur Herstellung verwendeten Materialien oder etwa der Preis. Hier ist der Gesetzgeber offenbar absichtlich vage geblieben, um im Zuge der Dynamik technischer Entwicklungen nicht ständig das Gesetz nachbessern zu müssen", sagt die Verbraucherschützerin.
Die Aktualisierungspflicht gilt auch für rein digitale Produkte. Digitale Produkte umfassen die Bereitstellung digitaler Inhalte oder digitaler Dienstleistungen. Beispiele sind Datenbanken, Cloud-Dienste sowie Softwareanwendungen oder aber auch Konten in sozialen Medien, Musik- und Videodateien, E-Books, Apps, Spiele und sonstige Software.
*Dies bedeutet aber nicht, dass der Verkäufer den Austausch des Rasenmähers beispielsweise nur deswegen ablehnen darf, weil eine Reparatur für ihn günstiger wäre. Außerdem darf der Händler nicht auf Reparatur bestehen, wenn sich der Fehler gar nicht langfristig beheben lässt.
Quelle: MDR-Wirtschaftsredaktion
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR AKTUELL | 31. Dezember 2021 | 19:30 Uhr